G. Ritter von Franck (ed.), Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, Vol. 31, No. 12 (January 16, 1846), p. 48.
Musik-Foyer.
Wien. Der jugendliche Violinvirtuose Joseph Joachim erregte in seinem ersten Konzerte, welches am 11. Jänner im Musikvereinssaale Statt fand, wahrhaft Sensation. Der kaum fünfzehnjährige Künstler ist durch Intelligenz und wunderbares musikalisches Auffassungsvermögen den Jahren vorausgeeilt, und wir werden bei seinem zweiten Konzerte Veranlassung nehmen, seine Vorzüge ausführlicher zu würdigen. Für jetzt begnügen wir uns damit, darauf hinzudeuten, daß ein schöner kräftiger Ton, präcise Bogenführung, bedeutende Bravour, bewunderungswürdige Geläufigkeit, und vor Allem hervorleuchtende Klarheit der Darstellung ihm einen Platz unter den besten Violinspielern sichern. Ein besonderes Verdienst hat sich Joachim noch durch die Wahl eines sehr interessanten Programmes erworben. Er spielte ein Violinkonzert von Beethoven, Variationen von Ferdinand David und die “Ciaconna” von Seb. Bach. Das Konzert wurde mit Mendelssohns Ouvertüre zum Sommernachtstraume eröffnet, und als Zwischennummern trug Dlle. Treffz mehre Lieder, worunter eines von Netzer, mit der ihr eigenthümlichen Gewandtheit vor. Die Kadenzen, welche der junge Akademiegeber zum Beethoven’schen Konzerte selbst komponirt hatte, waren geistreich und im Sinne der Komposition. Ausführlicheres über den jungen interessanten Virtuosen, wie schon gesagt, nach seinem zweiten Konzerte.