Süddeutsche Musik-Zeitung, Vol. 2, No. 24 (June 13, 1853), p. 95.
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Die Perlen des Abends, aber auch Perlen des reinsten Wassers, waren die Vorträge von Frau Schumann und Herrn Joachim. Erstere spielte ein aus drei Sätzen bestehendes Concert ihres Gatten mit einer Meisterschaft, die einestheils die Komposition erhob und anderntheils das Publikum zu enthusiastischem Beifallssturm hinriss. Frau Schumann gehört jedenfalls zu den genialsten Künstlerinnen der Jetztzeit: der Lorbeer war verdient. Was der Vortrag des Beethoven’schen D-Dur-Concertes für Violine durch Herrn Joachim betrifft, so gestehen wir, dass wir bis jetzt nichts Vollendeteres gehört haben. Ein solches Werk mit solcher Meisterschaft, mit solchem tiefen Eingehen in den Geist der Komposition executirt, ist ein Genuss, der in unserer Zeit einer Oase in der Wüste gleicht. Wir wollen allen unseren deutschen Meistern der Geige ihre individuellen Verdienste gern zugestehen: aber wir haben von Keinem noch in solcher Weise wie von Joachim “Beethoven” gehört. Da ist die Klassizität vom ersten bis zum letzten Strich; nicht eine Klassizität, die mit der Form koquettirt, nein “die es im Geiste und in der Wahrheit ist”. Dass ein solches Spiel den Wunsch nach einem “Mehr” erregen würde, war vorauszusehen. Der Beifall der entzückten Zuhörer erreichte den höchsten Grad von Enthusiasmus, Herr Joachim musste dem stürmischen Dacapo nachgeben und trug noch Bach’s Ciaconne vor. Uns wäre eine Wiederholung des Adagios aus dem Concert lieber gewesen; Bachs Composition ist originell und interessant, die Ausführung war vollendet und überraschend — doch war es auf das Beethoven’sche Concert ein Douchebad. Wir wollen durchaus dem liebenswürdigen, anspruchslosen Künstler hiermit keinen Vorwurf machen, denn er wurde durch seine Freunde dazu veranlasst, gerade dies Stück zu spielen, wir wollen hiermit nur andeuten, dass ein “Künstler-Koncert” von solchen Künstlern künstlerischere Rücksichten erheischte. Doch dürfen wir es an diesem Abend nicht allzugenau nehmen: das ganze Programm war ja eine “olla Podrida.” Möchten in Zukunft die “Künstlerkoncerte” bei solchen Gelegenheiten ein gewählteres Programm aufzustellen wissen — sie dürften sich sonst nicht leicht von den allergewöhnlichsten Konzerten unterscheiden und am allerwenigsten den Anforderungen an ein Niederrheinisches Musikfest entsprechen. Joachim hat bewiesen, wie man der Virtuosität bei solcher Gelegenheit Rechnung trägt: die Wahl der Musikstücke ist wahrlich keine Nebensache.