Der Ungar. Zeitschriftliches Organ für magyarische Interessen (Pesth), Vol. 1, No. 28 (February 4, 1842), p. 172.
Hermann Klein (*Miscolc, 1805 — †Budapest, 1889), later known as Kilényi János, was a Hungarian Jewish journalist and translator. His journal Der Ungar, which appeared from 1842-1849 in Pest, is one of the early sources of articles about Joachim, the information for which was likely provided by Joachim’s parents.
Feuilleton
[Viertes Zöglings-Konzert des Conservatoriums.] Ueber unsern Landsmann den kleinen Geigenheros Joachim berichtet die Theaterzeitung: Die Palme des heutigen Abends ward und gebührte dem zehnjährigen Schüler des Herrn Professors Böhm, Joachim, welcher Variationen von Ernst mit einer staunenswerthen Virtuosität spielte. Der Stand für Konzertisten im Mannesalter wird in seiner Unerquicklichkeit bald den Kulminationspunkt erreicht haben, wenn schon Knaben, so aufzufassen und wiederzugeben vermögen. Joachim ist wahrhaftig ein musikalisches Phänomen. Es ist schwierig zu unterscheiden, ob bei ihm der eminente Vortrag, die trefflich ausgebildete Technik, oder diese jenen überragt. Hört man in dem Spiele des Knaben das wundervolle Cantabile, mit dieser Intensität des Gefühls, das Tonleiden, die Klage der Violine diesen klingenden Schmerz, den nur, wie man wähnt düstere Lebenserfahrungen aus dem Instrumente hervorzuloken im Stande sind, so wird man an der Erscheinung vor sich irre, und hält sich für das Spielwerk eines optischen Truges. In diesem Knaben sehen wir die reiffste Frucht in der beginnenden Blüthenzeit; wir erbliken in ihm den fertigen, tieffühlenden Künstler. In technischen Beziehung behandelt Joachim die Violine auf eine ganz vorzügliche Weise. Er besizt eine schöne Bogenführung, welche selbst durch die heterogensten Stricharten auf der E- und G-Saite nicht gestört wird, verbunden mit einer überaus leichten Lenkung der rechten Hand. Dieselbe musterhafte Methode zeigt auch die linke Hand durch den richtigen und zwekmäßigen Fingersaz, sowol zur Bildung des schönen Tones, als zur Klarheit und Deutlichkeit der Passagen in allen Violinlagen. Sein Spiel zeigt wahres Applicatur-Studium. Joachim entwikelte bei dem Vortrage der genannten Variationen nicht nur die größte Sicherheit in Überwindung immenser Schwierigkeiten, welche darin sich überbieten zu wollen scheinen, sondern auch alle Reize der Violine. Accorde drängen sich auf Accorde in den schwierigsten Formen, und in allen Lagen: Terzen, Oktaven und Dezimen, chromatische und diatonische Läufe im rapidesten Tempo, Arpeggien mit festen und springenden Bogen, Staccato mit der Spitze, und mit dem Mittelbogen, piccikirte Noten inzwischen angestrichen, kurz Alles, was nur schwierig genannt wird, spielt dieser Knabe mit einer, an’s Wunderbare streifenden Sicherheit, Reinheit und Klarheit, und mit einem von der trefflichsten Schule, und der meisterhaftesten Methode zeugenden Vortrag. Der Erfolg stellt sich mit der Außerordentlichkeit der Leistung auf gleiche Stufe; er war beispiellos eclatant. Nach vielmaligen Vorrufungen welche dem Knaben galten, ruhte das Publikum nicht früher mit seinem citierenden Beifalls, bis auch der große Meister Böhm erschien, welcher nur deshalb sein Spiel der Öffentlichkeit zu entziehen scheint, um desto mehr mit eminenten Schülern überraschen zu können.