Niederrheinische Musik-Zeitung, Vol. 4, No. 11 (March 15, 1856), pp. 84-85.

Violin Concerto No. 1 in One Movement, G Minor, op. 3

Herr Laub spielte das Violin-Concert von Joachim — und damit standen wir wieder auf dem Boden der Zukunfts-Musik. Doch wäre es freilich gänzlich falsch, alle diese Bestrebungen unterschiedslos zusammen zu werfen. Das Violine-Concert von Joachim ist sowohl in seinen Grundlagen — namentlich hinsichtlich des ersten Motivs — als in der weiteren Entwicklung keineswegs so einfach, kernig und gesund, wie jedes wahre Kunstwerk sein

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muss; es ist eben ein Werk, das keinen rechten Kern hat, sondern ganz und gar den Geist der auflösenden, zersetzenden Romantik in sich trägt; aber innerhalb dieser Richtung spricht sich eine sehr reiche Phantasie und ein ideales Streben darin aus. Nachdem wir dieses Werk von Joachim kennen gelernt haben, mögen wir nicht die Hoffnung aufgeben, dass er zu wahren, objectiven Kunstwerken, die mehr Natur und weniger Caprice, mehr objectiven Kunstgehalt und weniger subjective Kunstfertigkeit in sich enthalten, durchdringen werde. Dass Joachim das Objective erstrebt, beweis’t die streng thematische Behandlung des Concertes. Aber damit ist es nicht abgethan. Denn nicht jeder musicalische Gedanke ist ein Kerngedanke, der sich dazu eignet, einer breiten Ausführung zu Grunde zu liegen.

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