Neue Musik-Zeitung, Stuttgart/Leipzig, vol. 38, no. 22 (1917): 347-349.
Joseph Joachims Wirken im Lichte der Gegenwart.
Von E. JOSEPH MÜLLER (Eschweiler)
Zehn Jahre sind es her, da wurde ein an Erfolgen und Arbeit reiches Leben beschlossen: Joseph Joachim starb am 15. August 1907. Schneller als der schaffende Künstler entschwindet der reproduzierende dem Blicke der Nachwelt, schneller ist aber auch das Urteil über ihn gefunden. Die zehn Jahre seit Joachims Tode gestatten wohl einen Rückblick auf seine Wirksamkeit, um so mehr als der Krieg mit seinen Erfahrungen auch in diesem Falle nicht nur doppelt zählt, sondern mit seinen vielen Wechseln auf die Zukunft unseres Volkes und der Kunst auch einen neuen Maßstab zur Beurteilung von hervorragenden Männern an die Hand gibt.
Lange Jahre hindurch war Joachim der größte Violinspieler seiner Zeit; die ganze Welt, besonders das Ausland, sah in ihm den Repräsentanten des deutschen Virtuosentums. Er war im Vollbesitz aller Mittel des Virtuosen: Glänzende, nie versagende Technik, Kraft und Schönheit des Tones, wundervolle Süßigkeit und Wärme der Melodie, rhythmische Straffheit und Freiheit zugleich, Temperament und Leidenschaft verschafften ihm Anerkennung und Ruhm.
Und doch war er kein Virtuose im eigentlichen Sinne, ja, es will fast scheinen, als ob der Name eine Ehrenkränkung für ihn sei. Er hatte nichts von dem Aeußerlichen eines Virtuosen an sich, Eigendünkel und Eitelkeit waren ihm fremd; kein Blender war er, der durch äußere Kunststücke, durch willkürliche Auffassung und Effekthascherei von sich reden machen wollte. Das unstete Wanderleben gefiel ihm nicht recht, und er wußte zwischen den Konzerten, zu denen er gewünscht wurde, Zeit zur Ruhe und Sammlung und zu ernsten Studien zu gewinnen. Gerne beteiligte er sich dagegen an großen, regelmäßig wiederkehrenden Musikveranstaltungen, weil sich dabei eine engere Verbindung zwischen Künstler und Zuhörern anbahnte.
Joachim war mehr als ein Virtuose; er war ein großer Musiker, ein edler Künstler, ja, mehr noch, ein vornehmer, echter Mensch, der von einer wahrhaft priesterlichen Auffassung seines Künstlerberufes durchdrungen war. Diese Eigenschaft hob ihn turmhoch über andere damals wirkende Geigenspieler hinaus und machte ihn zu ihrem Fürsten und Führer. Er hatte nicht nötig, wie einst Liszt, nach einer an äußeren Erfolgen unerhört reichen, unruhigen und innerlich doch nicht befriedigenden Virtuosenzeit sich plötzlich zurückzuziehen und sich selbst wiederzufinden; denn er war nicht wie dieser so im Virtuosenleben aufgegangen, hatte sich selbst nie verloren, und darum konnte ihn nie Ueberdruß erfassen. Bei allem, was Joachim wirkte, trat seine Person zurück; sein oberstes Gesetzt war, der Kunst und den Menschen zu dienen. Bei seinem Spiel ließ er den Komponisten zum Zuhörer sprechen; er war nur der Mittler zwischen beiden. Er ging ganz in dem Werke, das er spielte, auf, versenkte sich in dessen Inhalt und las heraus, was in ihm stand. Keiner wußte so wie er den Stil der verschiedenen Komponisten zu treffen und ihren Intentionen gerecht zu werden. So wurde er der vollkommenste Interpret, der ganz sein eigenes Ich zu vergessen schien.
Seiner strengen Musikauffassung entsprach es, daß er vor allem sich der klassischen Musik zuwandte und auf diesem Gebiete seine größten Taten vollbrachte. Besonders durch seine Sorge um die letzen Werke Beethovens erfüllte er eine Mission von höchster Bedeutung, die so groß ist, daß ihm schon deswegen seine Abwendung von der neudeutschen Musik verzeihen werden muß. Seine Einseitigkeit erscheint als ein Fehler seiner zielsicheren Konsequenz; jedenfalls kann man nicht sagen, daß er sich von der neueren Musik abgewendet habe, ohne sie zu kennen; er hat doch selbst jahrelang dem Weimarer Kreise angehört.
Die Wirkung von Joachims Spiel auf die Zuhörer war stets groß und bedeutend und es hat ihm an äußeren Ehren nicht gefehlt. Lorbeer und Ehrengaben wurden ihm im reichen Maße zuteil, aber sie bedeuteten für ihn mehr als die im Rausche und impulsiv dargebrachten Huldigungen, die einem blendenden Virtuosen zuteil werden; sie bedeuteten den Dank und die innige Zuneigung froh beglückter und zum Schönen und Hohen emporgeführter Menschen. Denn sein Spiel berauschte nicht und machte nicht trunken, aber es machte froh und glücklich und ließ alles Erdenschwere weit hinter sich: daher war es ein Erlebnis, ein hoher geistiger Gewinn. Solches Spiel kann nie das Ergebnis bloßen technischen, einseitig musikalischen Studiums sein, sondern kann nur herwachsen aus einem allgemein gebildeten, innerlich ausgereiften, edlen Charakter, den Joachim durch fortgesetzte ernste Studien immer mehr zu vertiefen suchte. Daher auch das Geheimnis, daß in seinen späteren Jahren sein Spiel nicht etwa wirkungsloser, sondern reiner, tiefer und zwingender wurde. Als alter Mann, der, da seine Technik etwas nachzulassen begann, besser getan hätte, wenn er einige Jahre früher dem öffentlichen Spiel entsagt hätte, wußte er doch noch die Klarheit seines Geistes, seine edle Auffassung, sein herrliches Interpretationstalent zu beweisen und die Seele über den Körper herrschen zu lassen.
Was aber sagt uns dieses alles über Joachims Bedeutung über seine Zeit hinaus? Vor allem das eine: Joachim war trotz allem einer der modernsten Musiker seiner Zeit, ja noch heute müßte er zu den fortschrittlichsten, die Zeit vollkommen verstehenden Meistern gezählt werden. Und warum? Nun, weil unsere Zeit und die Zukunft vom Musiker gerade das verlangt, was Joachim in so vollkommenem Maße erfüllte: das Zurücktreten hinter das Werk, das Neuschaffen und die Anregung zum schöpferischen Hören. Mehr und mehr wird ein guter Kunstgeschmack erkennen, daß der reproduzierende Künstler nicht zwischen das Werk und den Zuhörer zu treten hat, sondern lediglich beide miteinander in direkteste Verbindung setzen muß. Der Personenkultus früherer Zeiten ist glücklicherweise geschwunden. Der Zuhörer lauscht jetzt nicht dem Geiger oder dem Klavierspieler, sondern Bach, Beethoven und den anderen großen Meistern selbst. Der gebildete Zuhörer will und muß selbst an dem Aufbau des Werkes beteiligt sein; für ihn ist Musikhören ein Akt intensiver Mitarbeit, nicht bloßen passiven Genusses. Die größte Forderung an den reproduzierenden Künstler der Gegenwart und der Zukunft heißt, so zu spielen, daß dieses aktive Zuhören möglich ist. Die Erfüllung dieser Forderung ist die schwerste Aufgabe für den Künstler, denn das Werk soll nicht in der Verzerrung erscheinen, sondern rein und klar wie im Spiegel. Und ein Spiegel soll das Spiel des echten Musikers sein, wie es das Spiel Joachims war. Joachims Beispiel wird daher noch in weiter Zukunft wirksam sein und anregend auf jeden Künstler, der gleich ihm das Höchste erreichen und die Zeichen der Zeit verstehen will.
Es ist ganz natürlich, daß ein solch eminenter Musiker wie Joachim nicht nur dem Solospiel sich hingab, sondern daß seine Deutungskunst und seine allgemeine musikalische Kraft ihn auch andern Gebieten der Musikausbildung zuführte. Mag seiner Tätigkeit als Dirigent und Komponist keine große Bedeutung zuerkannt werden, dann muß ihm eine um so größere auf dem Gebiete der Kammermusik zugesprochen werden. Er ist der Begründer des modernen Quartettspiels und erreichte mit seinen Mitspielern eine Vollkommenheit des Spieles und eine Reinheit des Stils, eine Einheit der Musikauffassung, daß auch hierbei der Zuhörer an seiner eigenen Mitwirkung im Aufbau des Werkes nicht gestört wurde. Ein solches Musikgenießen, wie es bei Joachim möglich war, gleicht dem Lesen der Bibel ohne Kommentar, dem eigenen Aus-deuten des Wortes ohne die fremden Suggestionen der Fußnote.
Das Große in Joachim ist, daß er bloß ein Führer sein wollte zu den Quellen, aus denen lebendiges Wasser fließt. Joachims größter Ehrentitel ist daher nicht der eines Meisters und Künstlers, sondern der Titel aller Titel, nämlich der eines großen Erziehers; denn der besagt, daß neben einem reichen großen Können auch das edelste Wollen einhergeht, das Bemühen anderer wegen seine Kunst auszuüben, andere zu beglücken. Es sind die Tugenden eines rechten Bürgers, dem das Gemeinwohl oberstes Gesetz ist. Die erzieherische Tätigkeit eines Musikers wie Joachim stellt ihn in unmittelbare Nähe neben andere Erzieher, Seelsorger und Volksfreunde. Wäre doch diese Ansicht von der erzieherischen Bedeutung des Musikerberufs nicht nur bei den Musikern selbst, sondern bei allen Menschen herrschend! Wie würde das dem Stande der Musiker, aber auch der Allgemeinheit zum Nutzen gereichen! Der Künstler, ein Erzieher, der ebenso an der Höherentwicklung des Menschengeschlechtes mitwirkt, wie der Dichter durch sein Wort, wie der Prediger durch seine Lehre, der Lehrer durch seinen Unterricht, der Regierende durch seine Gesetze! Die Zeit wird kommen und vielleicht ist sie nahe, daß diese Auffassung des Musikerberufes herrschend wird. Dann werden Persönlichkeiten, wie Joachim eine war, in ihrem Werte erst voll erkannt werden.
Joachims Erzieherberuf spricht sich am klarsten darin aus, daß er die vielen Schüler, die sich im Laufe der Jahre zu ihm fanden, in seinem Geiste zu erziehen und anzuregen wußte. Wie wenige hat Joachim Schule gemacht. Darum sind seine Gedanken nicht mit ihm ins Grab gesunken, sondern sie leben fort und erneuern sich in seinen Schülern immer wieder und durchdringen die ganze musikalische Welt. Ueberall wirken seine Schüler in seinem Sinne weiter. Wo sie als Solospieler, als Kammermusiker, als Konzertmeister und Lehrer tätig sind, da erkennt man die gute, künstlerische Art ihres Meisters. Was das für die Geschmackbildung und die Verbereitung der Musikkultur bedeutet, das ist nicht zu sagen. Seien wir daher des alten Meisters dankbar eingedenk. Daß sein Beispiel so fruchtbringend werden konnte, das ist vielverheißend für die Zukunft.
Wenn die allgemeine Umbildung der Gesellschaftsordnung, die eine Folge des durch den Krieg so stark gewordenen Einheitsgefühls unseres Volkes sein wird, nach und nach sich vollzieht, dann wird man sich der Kunst vor allem erinnern, die dazu angetan ist, einigend, beglückend zu wirken, der Musik, die wie keine andere Kunst eine soziale Macht ist, und dann wird man als die besten Künstler die erkennen, denen die Kunst ein Mittel ist, Freude zu bringen und Gutes zu tun und die mit Richard Wagner sagen: „Ich kann den Geist der Musik nicht anders fassen, als in dem der Liebe.“
Siegfried Stern, “Joseph Joachim” in Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben, vol. 37, no. 24 (Berlin: 13 June 1908), 375-377.
Joseph Joachim.
Ein Gedenkwort zum Geburtstag des Meisters (28. Juni).
Von Dr. Siegfried Stern (Königsberg).
Wie eine schwere Erschütterung durcheilte die Kunde von dem Ableben Joseph Joachims die Kreise der Gebildeten: das Gefühl, als sei mit ihm nicht nur eine bedeutende künstlerische Individualität zu Grabe gegangen, sondern als sinke hier eine schöne, einzigartige Erfüllung der Idee des reinen und großen Künstlerthums ins Nichts unwiederbringlich zurück, dieses Gefühl ist sicher in den Meisten lebendig, denen es gegönnt war, die Schöpfungen seiner geweihten Priesterhand mit ganzer Seele zu erfassen. Es mag befremdlich erscheinen, daß ein Künstler der vorwiegend reproducirenden Gattung den hohen Begriff der Kunst in solcher Vollkommenheit sollte ausprägen können, ein Künstler, auf den die Prädikate des Genies mit seiner neue Bahnen weisenden Schöpferkraft nur in bedingtem Sinne anwendbar erscheinen. Aber die Schöpfungen der Musik bedürfen eben, um zu ihrer eigentlichen Wirkung zu gelangen, in viel höherem Grade der Vermittelung durch die darstellenden Künstler, als die aller anderen Künste, sogar als die der dramatischen Poesie. Die sinnliche Vergegenwärtigung ist hier ein viel unabweisbareres Bedürfniß, als bei jenen, und darum erfordert jede productive Leistung, um ihren eigentlichen Beruf zu erfüllen, die reproductive Ergänzung durch künstlerische Interpreten. Und in dieser „Ergänzung” ist das Feld für die höchste Auswirkung der künstlerischen Persönlichkeit gegeben, nicht weniger fast als auf irgend einem Gebiet der frei erschaffenden Kunst: auf ihm hat Joseph Joachim als die reichste und vollkommenste Ausprägung des Gattungsbegriffes zu gelten.
Selbstlose Hingabe an sein Werk fordern wir mit Recht von jedem wahren Künstler — und vielleicht muß sie in noch anderem, tieferem Sinne vom reproducirenden geleistet werden, der uns die Schöpfungen des Genius in treuem Spiegel zeigen und keinen andern Zweck kennen soll, als den, jene Gebilde rein und unverfälscht der Mit- und Nachwelt vorzuführen. Dazu ist größte Selbstentäußerung nöthig — bescheiden tritt er als bloß vermittelndes Medium zwischen uns und jene Werke und findet sich belohnt genug, wenn man ihn selbst vergißt über den Abbildern, die er vor uns aufleuchten läßt. Aber mit dem besten Willen ist es hier selbstverständlich so wenig gethan wie bei irgend einer andern Kunstleistung. Neben der specifischen Begabung ist hier Voraussetzung die große umfassende künstlerische Individualität, die die Lösung jener Aufgaben erst möglich macht. Ein Unterschied zwischen dem freischaffenden und nachschaffenden Künstler besteht aber darin, daß jener seine Individualität frei walten lassen darf, während dieser, um verschiedenen künstlerischen Individualitäten gerecht zu werden, die eigne zur Universalität zu erweitern streben muß. Das sind Gedanken, die, wie alle ästhetischen Gesetze, nicht aus irgend welcher Theorie, sondern in diesem Fall so unmittelbar aus der besonderen Art des Joachimschen Genius abgeleitet scheinen, daß er als echter Künstler hier sich Richtung gebend erweist für jene Normen, die der nachhinkende Verstand erst aus der ästhetischen Erfahrung der höchsten Kunstleistungen zu schöpfen pflegt. Und in der That! Wir haben es in Joachim mit einer solchen wundervollen Offenbarung zu thun. In seinen Interpretationen verschwand er selbst, und das entzückte Ohr vermittelte der Phantasie in nie geschauter Klarheit jene Welt der musikalischen Heroen, die in verklärter reiner Geistigkeit zu uns herabzusteigen schienen. Er war ein Theil von ihnen; es war, als hätten sie seiner reinen Seele ihre tiefsten, unaussprechlichen Geheimnisse anvertraut, ihn selbst zu ihrem Kündiger erwählt, daß er die Menschen Theil haben lasse au [an] den Segnungen, die als Zeugnisse höherer harmonischer Sphären uns blinden Sterblichen gegönnt sind. Niemand hat mit größerem Rechte je den Namen eines Priesters seiner
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Kunst getragen. Er brachte reines Feuer vom Altar; ihm war gegeben, im Hörer jene tiefe Andacht, jenen schönen Ausgleich im Spiel der Seelenkräfte zu erzeugen, die als echte ästhetische Stimmung die Vorfrucht aller sittlich guten Regungen ist. Und welch ein Gestaltenreichthum entfloß den Tönen seiner Geige! Für jede, auch die kleinste Nüance der Empfindung stand ihm der adäquate Ausdruck zu Gebote, und farbenreiches Leben schien unter seinen Händen zu erblühen, wenn er jenen Werken wie frischen, selbstgeschaffenen Wesen die Sprache seiner Kunst lieh. Und hatte man ein Stück von ihm gehört und glaubte man, nun ein für alle Mal den Schlüssel für die Geheimnisse seines Inhalts zu besitzen, da konnte man ein zweites Mal eine völlig andere Deutung, ja scheinbar ein neues Werk unter seinen Fingern bewundernd erstehen sehen, und ein drittes Mal wieder etwas völlig Neues — kurz die Genien unserer großen Meister bewährten an ihm in einziger Weise ihre zeugende Kraft, sie machten ihn selber productiv und seine Phantasie zu einem unerschöpflichen Born, aus dem er je nach Gefallen und Eingebung die edelsten und buntesten Schätze hervorholte. Aber trotz der freiesten Bewegung in jener Welt der Grazien und Musen, war bei ihm jede Willkür streng verbannt, — ihm hatte sein Genius den Zauberstab des schönen Gleichmaßes als höchstes Geschenk des Lebens in die Wiege gelegt, der nur durch unablässige strenge Selbsterziehung rein und schlackenlos erhalten wird, und dessen Wunderkraft entschwindet, wenn man ihn mißbraucht. Mir schien das Wort, das Winkelmann für die Antike geprägt, immer ganz besonders auf Joachims Kunst zu passen: edle Einfalt und stille Größe! Das Naiv-Unbewußte, das Erhabene und doch so Schlichte wird dadurch treffend gekennzeichnet; er besaß eben das Geheimniß der Form in einem Grade, wie es nicht nur der jetzigen, sondern vielleicht allen Generationen, die er miterlebt hat, nicht mehr eigen war. Nur ein Element bedarf noch der besonderen Hervorhebung, das in jener Charakteristik seiner Kunst nicht mitgetroffen ist, bei ihm aber in wunderbarer Fülle vorhanden war: seine Kunst war geistvoll in eminentem Sinne. Welch überraschende Lichter hat er oft den besten Kennern bei der Wiedergabe der klassischen Kammermusik aufgesteckt, welch reiche Schätze in Beethovens letzten Streichquartetten, die er als erster im Concertsaal heimisch machte und dadurch der Mitwelt erschloß, aus tief verborgenem Schachte ans Licht gezogen! Und hier, wo seine Vorgänger und ein großer Theil seiner Zeitgenossen vor scheinbar unlösbaren Aufgaben standen, hier zeigte sich neben der staunenswerthen bildnerischen Fülle seiner Phantasie die hohe überragende musikalische Intelligenz! Ihr oder richtiger der glücklichen Combination von Beidem war es Vorbehalten, jene erhabenen, fast vergessenen Gebilde einer titanischen Schöpferkraft zu neuem Leben zu erwecken, ihren tiefen einheitlichen Gehalt anfzudecken und ihrer eigentlichen Bestimmung wiederzugeben. Was Joachim überhaupt als Führer seines berühmten Streichquartetts geleistet, das steht als Denkmal gottbegnadeter Künstlerschaft für ewig eingegraben in die Annalen der Musikgeschichte. Andere Quartettgenossenschaften haben in sinnlicher Klangschönheit, in Sauberkeit und Correktheit des Zusammenspiels das Mögliche erreicht; aber im Joachimquartett trat noch jene überlegene intellektuelle Kraft hinzu, die seinen Gaben den Adel geistiger Vollbürtigkeit aufprägte. Der größte sinnliche Wohllaut, das Steckenpferd mancher anderer berühmten Quartettgesellschaften, ordnete sich bei ihm stets willig der Oekonomie des Ganzen unter, und ließ im Hörer nie jenes gedankenlose Schwelgen in Wohlklängen aufkommen, die oft das Geheimniß des Erfolges minderer Geister sind. Bei Joachim wurden an den Hörer stets Anforderungen gestellt, Anforderungen, den hohen Geistesflug mitzumachen und damit erst sein Heimathrecht in jenen Regionen edelster Kunstleistungen zu beweisen. — Joachims Gestaltungs- und Ausdrucksvermögen kannte keine Grenzen —
soweit das Gebiet der echten Kunst reichte, soweit es Werthvolles und Gediegenes in der Geigen- oder Kammermusikliteratur giebt, soweit waltete Joachim in ihr als Hüter und Prophet, — darüber hinaus hat er seinen Fuß niemals auch nur einen Schritt weit gesetzt. Tief unter ihm lag alles Virtuosenthum, das auch das weniger Edle, wenn auch nur bisweilen nicht verschmäht, wo es geigerische Bravour leuchten lassen kann. Es ist schon früher ausgesprochen worden, daß man der gewaltigen Technik, über die Joachim spielend verfügte, niemals recht inne wurde, weil sie für ihn immer nur das selbstverständliche Mittel war zu höheren Zwecken; selbst in den Cadenzen von Concertstücken, wo der Componist dem Künstler absichtlich eine gewisse Freiheit läßt, seine technische Fertigkeit an selbstgewählten Schwierigkeiten ins rechte Licht zu setzen, hörte man von Joachim immer nur schöne, edle Paraphrasen über die vorausgegangenen Themen, die hier der strengen Fesseln ledig, in ungebundener, aber stets die Schönheitsgesetze heilig achtender Freiheit wie fröhliche Kinder des Augenblicks — aber immer wie leibliche Enkelkinder des hohen Ahns, dessen Züge und Geberden sie unverkennbar trugen, sich zu tummeln schienen. Ihn leitete dem Genius gegenüber überhaupt stets jene wahre Pietät, für die der reinste Ausdruck der Intentionen des Componisten oberstes Gesetz; darum kann der kleinste Hinweis, jedes dynamische, tempobestimmende oder sonstige Zeichen bei ihm stets in so hohem Maße zu seinem Rechte. — So wenig es meine Absicht sein kann, mich in eine Analyse der Mittel einzulassen, mit denen Joachim seine Wunderwirkungen erzielte, so wenig das überhaupt möglich ist, so soll doch hier ein Wort gesagt werden über seine Bogenführung. In ihr hat er nach meiner Meinung Neues und bis dahin Unerreichtes geleistet. Damit ist aber nicht Bogentechnik im gewöhnlichen Sinne gemeint, es gab sogar beispielsweise ohne Zweifel Geiger mit glänzenderem Staccato, aber der rechte Arm von Joachim, die Ausbildung, die er ihm gegeben und auf seine Schüler zu übertragen suchte, bedeuten eine bis dahin unerreichte Erweiterung der geigerischen Ausdrucksmittel. An den Bachschen Violin- sonaten, die Joachim wohl auch als erster in den Concertsaal verpflanzt hat, kam die Bedeutung seiner völlig originellen Bogenkunst am sichtbarsten zum Ausdruck. Sie verlangen mitunter im kleinsten Rahmen die höchste Prägnanz; da ist (wie selbst bei den späteren Classikern nicht im gleichen Grade) eine solche Gedrungenheit, so viel Gehalt und Fülle auf engstem Raume nöthig, daß es meiner Meinung nach nur Joachim und insbesondere seiner eigenthümlichen Behandlung der Bogentechnik gegeben war, solche Aufgaben restlos zu lösen.
Joachim war überhaupt der einzige Geiger, ja wohl der einzige reproduktive Musiker überhaupt, bei dessen Kunst man von einem „Styl” sprechen konnte, wenn man mit „Styl” eben nicht persönliche, individuelle, sondern objektive, architektonische Formgebung nach festen, im Wesen des Kunstwerkes begründeten Gesetzen bezeichnet. In der Bethätigung seiner reichen Individualität verschwanden immer mehr die Schranken, die sie von allgemein- und ewiggiltigen der Kunst trennten, und wie Niemand bei dem reifen Goethe mehr von Individualität sprechen wird, da seine Wesensart als der universellste Ausdruck wahren Menschenthums die Hülle des Individuums gesprengt und der Erfüllung des Begriffs der Gattung sich angenähert zu haben schien, in ganz dem gleichen Sinne dünkt uns Joachims künstlerische Persönlichkeit zur Universalität gesteigert. Die letzten Bande zufälliger Subjektivität hatten sich bei ihm gelöst und waren aufgegangen ins klassische Relief der reinen Formen. Wer das Glück hatte, Joachim bis in die letzten Jahre seines Lebens zu hören, dem muß dieses an den alten Goethe erinnernde Bestreben, immer reiner, immer objektiver sich abzulösen von den Werken seiner Künstlerhand und sie hinauszustellen frei und ohne jeden Zeugen menschlicher Bedürftigkeit, lebhaft vor die Seele getreten sein. Wie Goethe es als den Beruf seiner Persönlichkeit erkannte,
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die Dinge immer klarer, immer unbeirrter von den Täuschungen befangener Subjectivität zu erfassen, wie er bestrebt war, die Seele zum ungetrübtesten, treuesten Spiegel der Dinge zu machen, so wurden auch unter Joachims Händen die Schöpfungen der Musik immer reinere, immer vollkommenere Bilder, deren erhabene Vollendung auch die selbstverständlichen physischen Schranken des Alters bei den verständnißvollen Hörern wenigstens keinen Abbruch thaten. Was Goethe einmal von den Dichtern sagt, scheint mir auf unsere ausführenden Musiker sehr anwendbar, und gerade den Gegensatz zwischen Joachim und den allermeisten anderen, vielleicht noch Eugen d’Albert ausgenommen, vorzüglich zu treffen. „Solange der Dichter,” sagt er, „bloß seine wenigen subjektiven Empfindungen ausspricht, ist er noch keiner zu nennen; aber sobald er die Welt sich anzueignen und auszusprechen weiß, ist er ein Poet. Und dann ist er unerschöflich [sic] und kann immer neu sein, wogegen aber eine subjektive Natur ihr bißchen Inneres bald ausgesprochen hat und zuletzt in Manier zu Grunde geht.” Das ist eben die gewaltige Kluft, die Joachim von allen andern Künstern unserer Zeit trennt — bei ihm war Alles immer neu und groß, weil er der Dinge Maß nicht aus dem eignen Kopfe nahm, sondern liebevoll und selbstvergessen sich ihnen hingegeben, die innere Gluth sich an ihnen entzünden ließ, doch nicht wie jene kleineren Geister seiner Kunst sich kühn vermaß, in ihr sie umzuschmelzen. Alle anderen Geiger — und wie gesagt nicht bloß Geiger — betrachten die Werke, die sie uns vorführen, mehr oder weniger als bloße Gelegenheit, ihre Kunst an ihnen zu zeigen, Joachim dagegen seine Kunst als die Gelegenheit, uns jene Werke in ihrer eigentlichen Gestalt zu enthüllen.
Uns sind die großen äußeren Erfolge, die Joachim bis in seine letzte Zeit mit seinem Spiel errang, immer etwas wunderbar erschienen. Möglich, daß das große Publicum eine geheime Witterung für die Größe dieses Mannes besaß, möglich auch, daß die außerordentlich anziehende Ehrfurcht gebietende und in ihrer natürlichen Schlichtheit so rührende Persönlichkeit des Künstlers ihre Wirkung that, möglich endlich, daß er als der letzte noch lebende Zeuge einer großen Kunstperiode, er, der mit Mendelssohn, Schumann und Brahms in engen Berührungen gewesen, das Publicum durch seine schon historisch gewordene Bedeutung suggerirte — aber im allgemeinen pflegt das große Publicum und besonders das heutige, das minderwerthigen Künstlern so leicht zujubelt, solche Qualitäten, solch stillen in sich ruhenden, abgeklärten Kunstwerth nicht nach Verdienst zu schätzen. Freuen wir uns immerhin, daß ihm, Dessen künstlerische Laufbahn im oben angedeuteten Sinne bis in die letzte Zeit eine gerade Entwickelung nach aufwärts genommen, auch die äußere Anerkennung bis an sein Lebensende treu geblieben.
Noch ist ein Wort zu sagen über Joachims Stellung zu den verschiedenen, sich heftig befehdenden musikalischen Richtungen unserer Zeit. Wie bekannt, verhielt er sich der neudeutschen Schule gegenüber ablehnend, und man hat ihm dieserhalb in gründlicher Verkennung der Sachlage Einseitigkeit vorgeworfen. Es ist schwer, als Kind seiner Zeit sich auch nur für einen Augenblick, auch nur versuchsweise außerhalb derselben zu stellen, um gleichsam von einer höheren Warte Augenmaß zu gewinnen für die Verhältnisse seiner gewohnten Umgebung. Aber daß dieser Zweig der modernen Musik, mit klassischen und nachclassischen (Schumann, Brahms) verglichen, nicht eine Musik der strengen Formen ist, daß ihre Production sich vollzieht unter Lockerung, ja theilweise unter gänzlicher Aufhebung der von den Classikern beobachteten Gesetze, das muß jeder Einsichtige zugeben. Mängel der Form müssen aber in der Musik, wo sich Form und Inhalt so lebhaft durchdringen, immer gleich zu Mängeln des Gehalts werden, und wenn die neuere Musik nicht durch immense geistige Vertiefung sie auszugleichen vermag — und auch das wird Niemand im Ernst zu behaupten wagen — so ist damit gesagt, daß sie, kritisch betrachtet, gegenüber der klassischen minderwerthig und, historisch betrachtet, decadent ist. Wenn Joachim aber wirklich eine Persönlichkeit war, wie sie uns oben erschien, so ist seine Stellungnahme im Streit der Meinungen nicht mehr räthselhaft: er mußte und zwar nicht etwa bloß principiell, sondern aus dem Zwange seiner inneren aufs Feinste abgestimmten Natur heraus eine Richtung von sich ablehnen, an der die besten Traditionen unserer Kunst zu Schanden wurden, und die diesem Ausfall gegenüber doch keine versöhnenden Aequivalente einzusetzen hatte. Der große Resonanzboden, den sie durch den fast ungetheilten Beifall des großen Publikums erhalten, konnte ihn nimmermehr beirren, viel eher noch bestärken; denn in Kunstdingen ist das Recht noch stets auf der Seite der Minderheit, die Gunst der Menge immer unberechenbar gewesen. Die künstlerische Physiognomie des Verewigten mit ihren idealschönen Linien wäre uns getrübt erschienen, wenn auch Bestrebungen wie die der Neu- und Jüngstdeutschen in ihm eine Statt gefunden hätten.
So ist er denn dahin! Und mit ihm eine künstlerische Persönlichkeit, wie sie in solch harmonischer Bildung, in solch fortschreitender Entwickelung, in der jede Staffel einen Höhepunkt bedeutete, so wenig je sich wiederholen kann, als etwa, um ihn diesem Größeren zu vergleichen, das strahlende Gestirn eines Goethe noch einmal auf uns herabscheinen wird. Hoffen wir, daß die Erinnerung an ihn mit denen nicht versinken wird, die seine Kunst genießen dursten, und daß der köstliche Samen, den er ausgestreut, vom guten Genius der Zeit erhalten bleiben und fortwirken werde durch die Jahrhunderte.
Julius Rodenberg, “Zur Erinnerung an Joseph Joachim,” Deutsche Rundschau, vol. 135 (April — May — June, 1908), 223-231.
Photo: Ferdinand Schmutzer Austrian National Library Picture Archive Black and white glass negative Inv. No. LSCH 01317-C
Zur Erinnerung an Joseph Joachim. Von Julius Rodenberg.
Wenn ich jetzt an Joseph Joachim denke, so steht mir, was immer sich auch seitdem in meiner Erinnerung verwischt haben mag, ein Bild deutlich vor Augen: ein Spätnachmittag im Vorfrühling 1855; ein altmodiges Haus am Friedrichswall zu Hannover; ein trauliches Zimmer, in dem es bereits zu dämmern beginnt ; die Fensterreihe blickt auf die Masch, eine weite Fläche, deren Rasendecke noch halb unter Wasser steht; am fernen Westhimmel ein Streifen Abendrot und hinein gezeichnet eine dunkelblaue Linie, die Deisterkette, hinter der meine Heimat liegt. Wunderbare Harmonien, wie aus andern Sphären, erklingen sanft und weich — ein Jüngling, auf der Geige musizierend, wandelt durch das Zwielicht auf und ab, und ganz im Dunkel sitzend begleitet ihn eine junge Dame auf der Harfe —.
Später, viel später, wenn ich vor einem der lieblichen Bilder Fra Angelicos stand, hab ich die Empfindung gehabt, daß die Musik dieser Engel, wenn man sie vernehmen könnte, Wohl so sein möchte wie die in jener Dämmerstunde am Friedrichswall zu Hannover.
Die Harfenspielerin war die Gräfin Sauerma, Ludwig Spohrs Nichte, als Rosalie Spohr einst selbst berühmt; und der Geigenspieler war Joseph Joachim. —
Wohl Hab ich ihn manchmal vorher und nachher gehört; doch so wie in jener Frühlingsdämmerung nur noch einmal: an dem Winterabend in der Regentenstraße zu Berlin, als er, in einem kleinen befreundeten Kreise zur Nachfeier von Marie von Olfers achtzigstem Geburtstag das schönste Weihegeschenk darbrachte — seine Kunst. Er spielte zuerst, mit Begleitung des Klaviers, einige Stücke von Beethoven, von Brahms, die der Jubilarin besonders lieb waren. Dann, in einer Pause, trat eine Dame der Gesellschaft zu Joachim und sagte: „Wir haben vorhin von Herman Grimms Novelle ,Der Landschaftsmaler’ gesprochen — erinnern Sie sich? Die Lösung eines schmerzlichen Seelenkampfes, die Befreiung wird dort durch Violinspiel herbeigeführt” … „Ja”, erwiderte Joachim, „es war die Sonate von Bach;
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ich habe sie Grimm oft Vorspielen müssen.” — Die Dame bat. ob er sie jetzt, zum Schlusse dieses Abends, nicht noch einmal spielen wolle — denn hier, in den Olfersschen Räumen und an diesem Abend sei der Abgeschiedene seinen Freunden nahe. Da trat Joachim, das Haupt auf sein Instrument geneigt, in die Mitte des Zimmers und begann zu spielen, mit jenem edlen Ausdruck der Persönlichkeit, der zur Andacht stimmte, mit jener Vollendung, an der nichts Irdisches mehr zu sein schien. — Es war das letzte Mal , daß ich Joachim gehört habe.
Mehr als fünfzig Jahre waren vergangen, seines und meines Lebens bester Teil. Was er in den hannoverschen Tagen versprochen, hatte sich glorreich erfüllt; alle höchsten Ehren hatten sich auf ihn gehäuft. Dennoch war und blieb er der Mensch, den man nicht bewundern konnte, ohne ihn lieb zu gewinnen. Wie fern lag ihm Eitelkeit! Aus seiner letzten Zeit liegt mir ein Brief vor, in dem er auf eine ihm dargebrachte Huldigung erwidert:
„Von Herzen habe ich zu danken, daß Sie so theilnahmvoll meinen Klängen folgten; ein so phantasievolles Errathen dessen, was der Künstler wohl möchte, aber auch in den besten Stunden nicht erreicht, ist gar wohlthuend.”
Schon als Konzertmeister in Hannover nahm er eine bevorzugte Stellung ein. Der musikliebende Hof war stolz auf seinen Besitz und zeichnete bei jeder Gelegenheit ihn aus. Der König Georg V., die Königin Marie waren für ihn sorgende Freunde, denen sein Wohl am Herzen lag — und wie hat er ihnen die Treue bis zuletzt gewahrt! Kein Sommer, in dem er das Königspaar im Exil und nach dem Tode des Königs die Königin Marie nicht besucht und durch die alten Weisen an die alten Zeiten erinnert hätte! Denn was auch in politischer Hinsicht gegen das Hannover des letzten Königs gesagt werden mag und muß: in künstlerischer ward es von keiner andern deutschen Stadt übertroffen, stand es selbst Berlin voran, das sich von dort erst, nicht nur Joachim, sondern auch Betz, Niemann und die Seebach holte. Und diese waren nicht die einzigen Größen des damaligen Hannovers: Heinrich Marschner lebte ja noch! Freilich unter einer Wolke. Die höfischen Kreise mochten ihn nicht, der seiner liberalen Gesinnung manch scharfen Ausdruck gab, und der Intendant, der zu den ältesten der hannoverschen Adelsgeschlechter gehörte, suchte ihn von der Bühne zu verdrängen, auf der „Hans Helling” und „Templer und Jüdin” immer noch populär waren. Marschner empfand diese Zurücksetzung bitter, und um so mehr, als der Stern Joachims aufzusteigen begann. Aber musterhaft hat dieser in einer so schwierigen Lage sich benommen. Daß kein eigentliches Verhältnis zwischen ihnen zustande gekommen, lag sicher an Marschner, der kein Vertrauen zu dem von der andern Seite Begünstigten fassen mochte. Doch nie hab ich Joachim von Marschner anders sprechen hören als in den Ausdrücken aufrichtiger Pietät, weder damals noch nachher; er war in diesem Betracht eines Sinnes mit Spitta, der einmal die Absicht hegte, ein nachgelassenes Werk des Meisters, die Komposition zu dem Liederspiel „Waldmüllers Margaret”, deren Partitur mir Marschner einst geschenkt, in der Hochschule für Musik zur Aufführung zu bringen. Und eines Anlasses entsinne ich mich, der Marschner und Joachim freundlich
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zusammengeführt hat: bei der Feier, die zu Ehren Spohrs im März 1855 in Hannover veranstaltet ward. Wenn es schon eine Freude war, die beiden Alten, den hünenhaften Ludwig Spohr und den behäbigen Heinrich Marschner als gute Kollegen miteinander zu sehen, so prägte sich dem Gedächtnis doch auch die Gestalt des Jüngeren ein, der sich bescheiden neben ihnen bewegte, wiewohl er mit dem als Geigenkünstler nicht minder denn als Komponisten Gefeierten im Quartettspiel rühmlich wetteiferte. Ja, es war auch eine Freude, diese beiden einander am Pulte gegenübersitzen zu sehen: den Siebzigjährigen und den Vierundzwanzigjährigen, den Alten, Massiven, Breitschulterigen, der einmal Deutschlands erster Violinist war, und den Jugendlichen, der es werden sollte, dessen Wuchs schlank, dessen Haar dunkelbraun war wie sein Auge.
Zu jener Zeit besaß ich ein von lieber Hand mir verehrtes Album. Natürlich durfte Spohr darin nicht fehlen; mit der zierlichen Hand, die man dem Riesen kaum zugetraut hätte, schrieb er mir die vier ersten Takte seiner Doppelsinfonie „Kinderwelt” hinein. Einige Tage später bat ich Joachim um seine Inschrift ; und auf dieselbe Seite, unter Spohr, trug er, in den festen Zügen, die sich später kaum geändert haben, folgendes ein:
Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes
Werden, als dienendes Glied schlich an ein Ganzes dich an.
Möchte dieser Satz Sie an die Feier des greisen Meisters in Hannover und meinen Antheil daran erinnern.
Hannover, den 18ten April 1855. Joseph Joachim.
Und doch — wie bald ist er ein Ganzes geworden!
Es wird stets zu meinen wertvollsten Erinnerungen gehören, in dieser seiner hannoverschen Frühzeit mit Joachim zusammengetroffen zu sein; den denkwürdigen Moment miterlebt zu haben, in dem eine neue Potenz der musikalischen Welt, sie revolutionierend und spaltend, sich Bahn zu brechen begann: Richard Wagner. Damals, um die Mitte der fünfziger Jahre, den meisten andern Bühnen voran, ward der „Tannhäuser” zuerst in Hannover aufgeführt; und die Aufregung, die Wirkung — ich Hab es an mir selbst erfahren — waren ungeheuer. Aber der Eindruck, wenn auch stark, war nicht rein: heftig entbrannte der Kampf der Meinungen, das stille Hannover ward ganz davon erschüttert, in Wort und Schrift ward die Schlacht um die Zukunftsmusik geschlagen. Eine andre, stillere Botschaft war es, die Joachim, der Schüler Mendelssohns, uns brachte: mit ihm kam Robert Schumann, mit ihm, nicht viel später, Johannes Brahms — mit ihm kamen die alten Musiker, wie wir sie vor ihm niemals vernommen. „Ich habe ihn verschiedene male gehört,” schrieb ich in mein Tagebuch (8. April 1855), „das einemal im letzten Abonnementsconcert, am 1. April, den andern Tag in seinem Hause, eines Nachmittags mit Wehner (dem von Göttingen als Director des Kirchenchors Herberufenen), und gestern in einer Matinée bei Wehners, in der dieser und Lindner (ein ausgezeichneter Cellist) mitwirkten. Nur Befreundete waren geladen, und es wurden gemacht ein Satz aus der A-moll-Symphonie von Beethoven, ein Mendelssohnsches Octett und ein Schumannsches Quartett. . .
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Mendelssohn geht mir immer am Meisten zu Herzen, ihm fühle ich mich verwandter als allen Andren . .
Ja, damals war Mendelssohn noch nicht aus der Mode; unbewußt mag es die Liebe zu seinem Meister gewesen sein, die mich von Anfang an zu Joachim hinzog, und wie er damals schon mir als Hüter der Tradition erschien, so ist er es in allen Wandlungen des Zeitgeschmacks geblieben.
Schon während dieser hannoverschen Jahre begab sich Joachim jedesmal mit dem Beginn des Frühlings nach London, um dort zu konzertieren. Man hat wohl von der musikalischen Begabung der Engländer im allgemeinen keine sehr große Meinung, was indessen einer Einschränkung bedarf. Es ist wahr, daß sie den unvergleichlich schönen schottischen und irischen Nationalmelodien etwas Ähnliches kaum an die Seite zu setzen haben, auch Komponisten ersten Ranges aus ihnen nicht hervorgegangen sind. Aber ebenso wahr ist, daß sie von ungemeiner Empfänglichkeit, voll warmer Anerkennung für fremde Tonschöpfungen und Tonschöpfer sind, deren manchem, wie Händel, England eine zweite Heimat geworden. Ausgeprägt ist ihre Vorliebe für deutsche Musik; und wie einst Haydn und Mozart, und nach ihnen Carl Maria v. Weber und Felix Mendelssohn-Bartholdy, so waren immer, wenn Parlament und vornehme Welt in London sich versammelten, deutsche Künstler die willkommenen Gäste — man darf sagen — der britischen Nation. Und so werden denen, die damals zugegen waren, unvergessen sein die Sommernachmittage in der St. James’ Hall, wo Joseph Joachim und Anton Rubinstein sich in die Lorbeern der “season” teilten — zwei Sterne, die nebeneinander glänzten, ohne ‘ jedoch einander jemals näher gekommen zu sein. Merkwürdig, beide von gleicher Abstammung und in fast gleichem Alter, aus ähnlichen Verhältnissen hervorgegangen und beide, der Ungar und der Slave, unter deutschen Einflüßen ausgebildet — und doch welche Kontraste! Beide genial und seit ihrem ersten Austreten von Bewunderung getragen — und doch, wie verschieden die Wege, die sie gingen, und das Ziel, das sie erreichten: Joachim als Sieger, Rubinstem enttäuscht und gebrochen. Damals freilich in jenen Londoner Sommertagen, als er, fesselnd in der äußeren Erscheinung, ein Liebling der Frauen und mit einem großartigen Zug in seinem ganzen Wesen, alle Herzen gewann, schien es, als ob die Zukunft ihm gehöre. Noch war der Zwiespalt nicht in seiner Seele, daß dem Komponisten versagt blieb, was dem Virtuosen im Jubel der Menge zuteil ward — versagt, was er mit der ganzen Inbrunst seiner leidenschaftlichen Natur ersehnte, bis er, der einst Umschwärmte, vereinsamt und in vergeblichem Ringen ergraut, resignierte. Jetzt aber noch ging es wie ein Rausch von ihm aus, wenn er in den Nachmittagskonzerten der St. James’ Hall auf das Podium trat, wenn er vor dem brausenden Beifall, der ihn empfing, sich leicht verneigte, das Haar, das ihm über die Stirne fiel, zurückstrich, sich an den Flügel setzte und mit dem Haupt, das an Beethoven erinnerte, über den Tasten niedergebeugt die ersten Akkorde anschlug — fürwahr ein Rausch, ein Taumel, wenn die Damen, Trägerinnen der stolzesten Namen Britanniens, hingerissen von seinem Spiel, ihm Fächer und Taschentücher entgegenschwenkten und Blumen vor die Füße warfen.
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Es war dieselbe St. James’ Hall und dasselbe Publikum, wenn Joachim auftrat; aber es war stiller, war andächtiger. Es agierte nicht mit, wie bei Rubinstein, es lauschte nur. Und so war es nicht nur damals. So blieb es ein halbes Jahrhundert lang. Die Generationen wechselten, die Liebe zu Joachim vererbte, vertiefte sich, und immer, wenn der Frühling wieder kam, kehrte er dahin zurück, wo er längst kein Fremder war, und wo man, als er starb, um ihn trauerte wie um einen geliebten Freund, den man verloren hat. Man könnte dieses Verhältnis nicht schöner ausdrücken, als es in einem A. C. unterzeichneten Gedicht geschah, das bald nach Joachims Tod in der Londoner Wochenschrift „The Spectator” erschien (24. August 1907) und das hier in deutscher, das Original allerdings nur unvollständig erreichenden Übertragung wiederzugeben versucht werden soll:
Im Frühling kam er jedes Jahr,
Wenn mit dem Krokus kommt sein Reich,
Doch kein April bringt, was einst war,
Musik mehr, die der seinen gleich.
‘s gibt Meister, deren Schaffensdrang I
n Dichtung oder Bild entzückt,
Und, sind sie selbst auch hin, doch lang
Noch eine späte Zeit beglückt.
Doch heute trauern wir, daß er,
Der schöpferisch um das Höchste warb,
Nur ein Erinnern noch, nicht mehr,
Da mit ihm seine Kunst auch starb.
Dies aber bleibt uns — was auch noch
Dem künftigen Geschlecht sich beut,
Das fremd ihm war — wir dürfen doch
Uns freun, daß wir uns sein gefreut!
Es war in der Tat, wie Max Bruch in seiner durch ihre Einfachheit und Wärme so sehr ergreifende Rede bei der Gedenkfeier der Königl. Hochschule für Musik sagte — es war Weltruhm, der Joachims Stirn umstrahlte. Wie wenig aber trug er ihn zur Schau, wie ganz ging er in seiner Kunst auf, der er als ein Priester diente. Ob er nun allein auftrat oder an der Spitze seines Quartetts saß oder, von der Schar seiner Schüler und Schülerinnen umringt, den Taktstock erhob: immer verbreitete sich eine Stimmung im Saale, wie wenn man in der Kirche sei. Niemals auch versagte er sich, wo es galt, einer Veranstaltung zu guten Zwecken durch den Klang seines Namens den Erfolg zu sichern. Seine Uneigennützigkeit kannte keine Grenzen. In Wohltätigkeitskonzerten ohne Zahl hat er mitgewirkt; es bedurfte nur eines Wortes, und er ehrte, im Schillerjahr, die Manen des Dichters, den er liebte, durch eine Reihe glanzvoller, in der Königl. Hochschule für Musik stattfindender Aufführungen, deren reicher Ertrag dem „Schillerbund deutscher Frauen” und durch diesen der Deutschen Schillerstiftung in Weimar zugute kam. Als Zeichen ihrer Dankbarkeit war die Vorsitzende der Berliner Ortsgruppe so glücklich, dem teuren Meister für dessen Autographensammlung einen Brief unsres großen Dichters und einen seiner Gemahlin verehren zu dürfen, worauf Joachim schrieb:
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Berlin, 17. November 1904.
Verehrte Frau!
Ich muß Ihnen gleich ein inniges Dankeswort für die unbeschreibliche Freude sagen, die Sie mir durch Übersendung der unvergleichlich weihevollen Spende der Autographen Schillers und seiner Lotte gönnten. Schon einmal besaß ich einen Brief des Großen, Herrlichen, an Sophie Mereau; als ich aber erfuhr, daß in der Sammlung der Mereau-Briefe des Goethe-Archivs dieser eine fehlte, opferte ich ihn der schönen Sache und schickte ihn an Suphan. Nun ist das ein wunderbarer Lohn der Vorsehung, noch intimere Zeilen zu besitzen. Und die Freude wird erhöht dadurch, daß Sie mich einer solchen Gabe wert halten, großmütige Frau!
In treuester Ergebenheit
Joseph Joachim.
Seine Pietät vor den Heroen in Musik und Dichtung ging Hand in Hand mit seiner Menschenfreundlichkeit. Er konnte keine Bitte abschlagen, weder den Bedürftigen noch denen, die in bescheidener Stellung unter ihm standen. Ein jetzt längst verstorbener Musiker, den er noch von Hannover her kannte, hatte ihn auf uns und uns auf ihn zum Frühstück eingeladen. Wir gingen nicht eben gern, aber gingen doch, und hatten dann auch wirklich ein ganz vergnügtes Stündchen. Auf dem Heimweg sagte Joachim: „Nun, hat es uns geschadet, daß wir dem Mann die Freude gemacht haben?”
Das Andenken an einen gemeinsamen Freund noch aus der Londoner Zeit, den frühverstorbenen Verfasser des epochemachenden Essays über den Talmud, Emanuel Deutsch, ward von Joachim liebevoll bewahrt. Er war der einzige, mit dem ich über den Frühverstorbenen sprechen konnte, der meinem Herzen so nahe gestanden hatte, und dessen Namen heute noch, nach so vielen Jahren, in London nicht vergessen ist. Wohl sind die meisten, die ihn gekannt haben, auch dort hingegangen; aber einige leben noch, die sich der seinen Gestalt des jungen Mannes erinnern, seiner geistvoll bewegten Züge, seiner witzsprühenden Rede, seines anregenden Humors — sonnige Heiterkeit um sich verbreitend, wohin er kam. Fremd unter Fremden, als kleiner Angestellter am British Museum, mühselig um seine Existenz kämpfend, begann er seine Laufbahn; nur wenige wußten, was in ihm steckte, bis er allmählich durch kleinere Arbeiten, die der sprachlich ungemein Gewandte in bestem Englisch schrieb, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich lenkte und endlich, durch jene Publikation in der „Quarterly Review”, zu einer Berühmtheit wurde. Nun bewegte er sich, der, als ich ihn kennen gelernt, ein Unbekannter im Dunkel seiner Bibliotheksecke, unter hebräischen Folianten und arabischen Schriften saß, in den Kreisen der besten Londoner Gesellschaft, anerkannt von der gelehrten Welt und von der Gunst seiner Vorgesetzten nach Verdienst gefördert. Eine wissenschaftliche Mission ermöglichte ihm, Palästina, das Land seiner Sehnsucht, das Land seiner Väter zu besuchen; und in der glänzenden Zahl der Gäste, die der Khedive zur Eröffnung des Suezkanals geladen hatte, befand auch er sich. Es war ein beglückender, aber ein kurzer Traum. Eine tückische Krankheit, von der er Heilung in dem wärmeren Winter Ägyptens suchte, machte seinem Leben ein Ende, und dort, an der Schwelle des alten Orients, dessen Poesie niemand tiefer empfand als er, ruht er nun schon weit
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über ein Menschenalter. Aber auch voll Musik war seine Seele, sie verstand die Kunst und die Persönlichkeit Joachims, wie diesen der mit tiefem Gemüt vereinte Geist an Deutsch fesselte. Jetzt sind beide tot; aber so lange Joachim lebte, war mir, als ob auch Deutsch auf irgendeine Weise noch lebe, und mit Joachim ist auch Deutsch mir gleichsam zum zweiten Male gestorben. Nur noch ihre Bilder blicken einander in dem Zimmer an, in dem Joachim manchmal vor dem des im Tode ihm Vorangegangenen gestanden hat. Denn fast regelmäßig in jedem Winter einmal hatten wir das Glück, ihn bei uns zu sehen und zu hören. „Ich denke, es kommt einmal wieder die Gelegenheit, Ihnen die Chaconne vorzuspielen,” heißt es in einem seiner zahlreichen, an die Hausfrau gerichteten Briefe, die sich fast ausnahmslos auf solche musikalische Verabredungen beziehen. Freigebig in jedem Betracht, war er es auch in seiner Kunst. Ihm voraus, wenn wir ihn für den Abend erwarteten, kam die Zaubergeige, stumm in ihrer Hülle, bis der Meister den goldnen Strom der in ihr schlummernden Melodien wecken würde. Nur einige von denen, die ihm besonders sympathisch waren, und fast immer dieselben, hatten sich eingefunden; und doch, wenn er eintrat, war es jedesmal wie eine Feiertagsstimmung, von der allein er nichts merkte. Denn er gab sich stets in der einfachsten Natürlichkeit, wollte sich in keiner Weise von den übrigen unterscheiden, war gütig im Gespräch, heiter bei Tisch, ließ niemanden fühlen, welch ein Großer er war. Aber wenn er nun die Violine nahm — welch ein andrer ward er dann! Denn ihn spielen zu sehen, war ebenso erhebend, als ihn spielen zu hören. Nicht mehr der war er, der eben noch zutraulich sich unter uns bewegt — Ehrfurcht gebietend stand er da, und wir, die wir begnadet waren, ihn zu hören, werden es nimmermehr vergessen, wie seine Musik den Raum um uns in eine geweihte Stätte zu verwandeln schien . . . „Den 28. Januar 1907: Joseph Joachim” — das war Las letztemal, daß er seinen Namen in unser Gastbuch schrieb.
Aber noch ein kostbareres Andenken an ihn besitzen wir: nicht viele Monate vor seinem Tode war es, daß er, dem es schwer ward, „nein” zu sagen, sich in ein zweites Buch eintrug, eins, das den Titel führt: „Erkenne dich selbst” und meiner Frau Justina gehört. Für sie hatte Joachim stets eine große Freundlichkeit, und als sie ihn bat, die Fragen zu beantworten, da tat er ihr den Gefallen, und tat es mit jener ihm in allen Dingen eigenen Gewissenhaftigkeit, die aus dem, was als geistreiche Spielerei gedacht war, ein Blatt von unschätzbarem Werte gemacht hat. Ich gebe Fragen und Antworten so, wie sie mir hier in diesem Buche vorliegen.
Deine Lieblingseigenschaften am Manne?
Kraft, Zuverlässigkeit, Milde.
Deine Lieblingseigenschaften am Weibe?
Geistige und körperliche Anmut.
Deine Lieblingsbeschäftigung?
Quartett spielen.
Deine Idee vom Glück?
Immer Neues, Schönes schaffen, und es gut ausgeführt zu hören.
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Welcher Beruf scheint dir der beste?
Der einen ganz erfüllt, ohne die Teilnahme für andre zu töten.
Wer möchtest du wohl sein, wenn nicht du?
Jemand, der mit sich zufrieden ist, ohne eitel und flach zu sein. Gibt’s das?
Wo möchtest du leben?
Wo ich Gutes wirken kann.
Wann möchtest du gelebt haben?
Auch wir haben Schönes und Großes erlebt,
Welche Staatsform scheint dir die beste?
Die dem Kulturzustand und Charakter einer Nation angepaßte.
Deine Idee vom Unglück?
Verkannt werden, wo man liebt.
Dein Hauptcharakterzug?
? ? ?
Deine Lieblingsschriftsteller?
Göthe, Shakespeare (trotz Tolstoi). Aber auch Eichendorff, Reuter, Herman Grimm u. a.
Deine Lieblingsmaler und Bildhauer?
Leonardo da Vinci.
Deine Lieblingskomponisten?
Die Formbeherrscher, welche dadurch nichts an Tiefe des Gemüts, am freien Flug der Phantasie eingebüßt haben, unsre großen Meister.
Deine Lieblingsfarbe und Blume?
Goldlack.
Lieblingshelden in der Geschichte?
Hannibal; »wenn auch Zorn, Neid und Gemeinheit seine Geschichte geschrieben haben, sie haben das große, reine Bild nicht zu trüben vermocht.”
Lieblingscharaktere in der Poesie?
Imogen, Fidelio.
Deine Lieblingsnamen?
Mietze, Josefe, Lisel, Johannes, Herman, Paul 1).
1) Die Namen seiner Kinder.
Welche geschichtlichen Charaktere kannst du nicht leiden?
Zerstörer aus Egoismus.
Welche Fehler würdest du am ersten entschuldigen?
Die gegen die Etikette.
Deine unüberwindliche Abneigung?
Mit Unkundigen ästhetische Gespräche über Musik führen.
Dein Temperament?
Manchmal sanguinisch, bisweilen melancholisch, leider auch zu Zeiten cholerisch.
Dein Motto?
„Es ist des Lebens kein Ende.”
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Die Hand, die diese Zeilen schrieb — sie tragen das Datum des 3. Februar 1907 — ruht nun für immer. Aber wie sie den Saiten jene Klänge zu entlocken verstand, die deshalb so tief wirkten, weil in ihnen sich eine große künstlerische Persönlichkeit offenbarte: nicht anders hat sie hier das menschliche Bild dieser Persönlichkeit gezeichnet, wie es in unser aller Andenken weiterlebt — „edel, hilfreich und gut,” mild in seinem Urteile über andre, streng gegen sich, ernst in ernsten Dingen, aufgelegt zum Scherzen, wenn er unter Freunden war. Die Frage nach seinem Hauptcharakterzug hat er mit drei Fragezeichen beantwortet; wir aber wissen: es war die unbedingte Wahrhaftigkeit seiner Seele, die kein Abweichen vom Wege kannte, die ihn mit dem Glauben an die Mission seiner Kunst erfüllte und ihn sicher emporführte zu jenen Höhen, auf denen er für uns Mitlebende sichtbar stand und in der Erinnerung der Nachwelt stehen wird, vereint mit all den Großen, deren Interpret er gewesen ist. In diesem Sinne wird sich an ihm das schöne Bibelwort erfüllen, das er zu seinem Wahlspruch erkoren hat: „Es ist des Lebens kein Ende.”
Music. A Monthly Magazine. Vol. 9, Chicago: Music Magazine Publishing Company (November 1900-April 1901), pp. 42-54.
An interesting, and flawed, account, mostly valuable for its first-hand reporting.
JOSEPH JOACHIM
BY EDITH L. WINN
On the 28 of June Joseph Joachim, the eminent director of the Royal High School, Berlin, celebrated his 69th birthday. You may call him an old man, but he walks with a firm step, his eye is keen, his memory is unimpaired, and his soul is as full of music as of yore. He teaches and concertizes still, and I cannot believe that his influence is waning. A Leipsic teacher writes, however, that he plays no more with the old fire. Another critic calls his quartette work scholastic and severe but perfect.
Viotti once gave this advice to De Beriot: “Hear all men of talent, profit by everything, but imitate nothing.” This advice need not have been given to Joachim. He is unique.
It seems invidious to assume that Joachim outranks all other violinists of to-day. Sauret has a wonderful repertoire and a magnificent technique; Sarasate fills us with admiration of his poetic and beautiful interpretation of the modern romantic school; Ysaye is a noble exponent of the Belgian school, and his repertoire is perhaps broader than that of Joachim, who has narrowed himself by his own choice to the severely classical.
What does Joachim stand for? He stands for dignity and sincerity in his art. He has evinced that thorough uprightness, that firmness of character, earnestness of purpose and an intense dislike of “clap-trap,” which have made him a power in the musical life of our day.
Who better can interpret the concertos of Beethoven, Bach, Spohr, Mendelssohn, Brahms, Viotti and others? He plays magnificently his own Hungarian concerto. He does not dislike the works of Wieniawski and Vieuxtemps. Last year the Second Concerto of Saint-Saëns made its appearance in the Royal High School and was not cast out! You know the German antipathy to the French school.
I have just looked over some Joachim quartette programs. It is true the quartettes of Hayden [sic], Mozart, Mendelssohn and
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Brahms occur often on these programs. Beethoven holds first place. But do not these classic masterpieces tax the highest genius and skill in the executant?
Joseph Joachim is undoubtedly their leading exponent. I do not say that he is a genius.
There are other quartettes in the world. They may present a fresher and more invigorating program than the usual one of the Joachim quartette. This is not finding fault. I think one’s musical anatomy needs varied food.
I said that Joachim was unique. So he is as an interpreter. As a composer he has been influenced by Mendelsson, Schumann, and Brahms. He is really a follower of Schumann. Most of his works are of a grave character. Is Hungarian Concerto (op. 11) holds high rank. “It is a composition of real grandeur, built up in noble symphonic proportions,” says Sir George Grove. His most important works are a Romance for violin and piano, Concerto in G minor, Overture to Hamlet (for orchestra), Nocturne in A for violin and small orchestra, Scena der Marfa (from Schiller’s unfinished play “Demetrius”) for contralto, solo and orchestra, and, lastly, the transcriptions of the Brahms Hungarian Dances. I may also mention his beautiful Cadenzas to the Beethoven and other concertos.
Professor Joachim has been mentioned in prose and poetry. George Eliot introduced him into her poem “Stradivarius”; the author of “Chas. Auchester” used him as a type in connection with Mendelssohn; Dr. Kohut wrote his life; Herr Andreas Moser, his pupil and friend, wrote his “Lebensbild”; Carl Courvoirsier [sic] wrote an excellent treatise on his method. And Joachim is not spoiled, and he is honest and serious!
It may be interesting to readers to know something of his surroundings. Last summer I was twice a week a timid and very agitated knocker at his door. He lives in an unpretentious dwelling on Bendler strasse, Berlin. You will mount three flights of stairs and, catching your breath, you will examin [sic] his door plate, upon which is fastened a card announcing his “Sprechstunde.” After knocking and ringing the bell violently, a pale maid will appear, who will notify you that it is a pleasant day! You will be glad to hear it, for your feelings will be cloudy. You enter a dim hall and look about. You finally grope your way to one of the many hat pegs and try to
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put your hat on a vacant peg. Straw hats, felt hats, soldiers’ caps, ladies’ hats, gentlemens’ hats— all oppose you. You will quietly put your hat on a neighboring table and be contented. As you pass into the salon you notice the two great wooden music stands used by the Quartette. You are overawed! You enter the salon. It is in elegant taste and gloomy, as is the case with nearly all German salons. There are portraits of Count von Moltke, the tried friend of Joachim, Clara Schumann and other musicians. There are busts of Brahms. There is a grand piano that does not invite you to play. Later you go into Professor Joachim’s studio. It is more comfortable. Count von Moltke still looks down at you, and Bismarck also. A bust of Clara Schumann gazes at you as you play. (Marble looks at you sometimes.) There are stiff-backed chairs there which suggest to you not to sit down in them. There is a dignified solemnity about the whole place. You look into a little office beyond, and you see a desk and a pretty piano. You feel like throwing papers all over the floor, just as Liszt used to do in his home.
On the whole, the house of Joachim is elegant and full of repose, but not comfortable. German houses are rarely cosy.
The violinist himself is far more interesting than his home. He is of middle-height, heavily built and very robust. This year he has not been in as good health as usual. His fine large head, crowned with a wealth of gray hair, might easily be the head of a scholar as well as of a musician. At first sight he resembles James Russell Lowell. The resemblance ceases when you see his impassioned manner while playing. He is quiet and reserved, dignified and serious. He is a man of very few words. Herr Moser in his “Lebensbild” says that it was only after artaking of a fine bottle of “Schlussel wein” that he was able to gather a few incidents in the artist’s life. If Joachim became talkative under such stimulant, we are indeed glad, for we knew little about his early career until his “Lebensbild” appeared.
Professor Joachim has several children. One of his daughters is an opera-singer, another is a reader. His son Johannes is a good-natured young man, who has the misfortune of being musical and somewhat clever, but shadowed by the greater talent of his parents. It is always so in life. Poor Siegfried Wagner!
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Herr Carl Markees, one of Joachim’s favorite pupils, also lives with him, and is as devoted to him as the son could be.
HIS CHILDHOOD
Every great man has not an interesting childhood. Joachim has been singularly favored. Fortune has always favored him. No man in the world has so many musical associations as he. Allow me to quote from Herr Mosers work:
“About an hour’s ride to the south of Pressburg, the old Hungarian crowning-city, there lies, on a wide plain, the little country town of Kittsee, whose name is familiar to our school boys through Otto Hoffman’s story, ‘Prince Eugene, the Noble Knight.” In the spring of 1863 King Leopold I. held there a review of his troops. There ere long the Turks fought the Hungarians, and there Prince Eugene of Savoy offered to the king his services, which in the face of the dangers of war were gladly accepted. Kittsee to–day is called Hungarian Kopeseny [sic]. That does not hinder the inhabitants from using the German language in local trade almost entirely. They are industrious Schwabians [sic], whose ancestors a hundred years before emigrated from the empire. They have the manners and customs and habits, as well as the employments, of the old home, but in such purity are they preserved that one thinks during intercourse with them that he is in the mother country.
“Among these brave Schwabians was born, on the 28th of June, 1831, the hero of our book, Joseph Joachim. He was the seventh of eight children, with whom, in the course of years, Julius and Fanny Joachim were blest. As the parents were of Jewish birth, the children were reared according to the Jewish religion. The father, Julius Joachim, was an excellent merchant, an earnest and reserved character, but attached to his family with all his heart. Through continuous industry and steady work he had reached affluence, a certain opulence and easy circumstances which placed him in a position to bestow upon his children a good education, according to their capability. Frau Fanny was a true helper to her husband, and she watched the actions of her children as a loving and tender mother, and fitted with her plain common-sense harmoniously into the circle which is enclosed a comfortable picture of a happy family life.
“In no way burdened by worldly possessions, the family lived
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in such well-regulated relation that they were supplied with all the necessaries of life. A more difficult question yet presented itself concerning the instruction of the children, as the educational advantages of so small place as Kittsee were soon exhausted. Commercial enterprise and the wish to furnish his children with a satisfactory education induced Julius Joachim to leave Kittsee and remove to a larger city. The year 1833 finds the Joachim family in Buda-Pesth. The Hungarian capital is the real scene of the childhood and early youth of the little Joseph, or rather, ‘Pepi,’ as we must call our little one according to the Austrian custom.
“In the Joachim family music played no important part. They heard it gladly, but a deeper interest had not existed.
“Only the second daughter, Regino [sic], possessed so pleasant a voice that her parents allowed her to take voice culture. The singing of the sister first awakened the musical sense of the little ‘Pepi,’ who with close attention, listened to every tone and strained every nerve to reproduce the songs of his sister upon a child’s violin. There was a medical student, a frequent visitor in the Joachim family, who played earnestly upon the violin during his leisure hours. It was he who first noticed the wonderful musical inclination of the little one, and it was he who first introduced our ‘Pepi’ into the elements of violin-playing upon the child’s fiddle.
“The musical intelligence of the child and the wonderful progress which he in a very short time made upon the plaything induced Stieglitz to call the attention of the parents to the wonderful talent of their little son, and to advise them to allow the child to have lessons regularly from a professional teacher. Here the good sense of the father is shown in the best light. Though living in very modest circumstances, he did not employ any teacher but the best in Pesth, Serwaczynski, the the the the the the theconcert-meister of the opera there.
“Serwaczynski was born in 1791, at Lublin, and died in the same place in 1862. He was a clever artist, who took seriously his work as a teacher of the little ‘Pepi.’ Not only has a violin teacher did he influence his little pupil, but gradually as a house–friend in the Joachim family, did he win an influence over his pupil morally. ‘Pepi’ was a timid child and afraid of the dark. That did not please his teacher, and he resolved to rid
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him of his weakness. One evening he demanded of the child that he should go into another room, and ‘Pepi’ was urged by all sorts of promises to go through a dark corredor to the distant room. Serwaczynski tried to encourage him in every way but, finally, unsuccessful, scolded him and went out of the house with the remark that he would no longer instruct such a ‘hasenfuss.’ [sic] The next day the teacher did not come to the accustomed lesson, so the child went to him and begged his pardon, saying that in the future he would be no longer so silly, if only he could have his beloved violin lessons again. That experiment of the teacher was successful, for the teacher kept his word. Aside from the violin the general education of the child was not neglected. For the first school year he was sent to the public school. The following year he was sent to a private school after home of the present Concert-meister, at Stuttgart, Edmond Singer, with a few children of the same age.
“Our little hero made such fine progress in violin playing that Serwaczynski asked the parents that he might take the child to the opera, there to become acquainted with a larger musical life. This first visit to the opera made a grace and lasting impression upon the child. Serwaczynski played a Kreutzer Concerto (G) with orchestra. Between the acts “Pepi’ was allowed to enter the orchestra and obtain the first glimpse of its arrangement, with which later he should become so intimate. There the teacher showed his little pupil the instrument upon which he played and the picture was so impressed upon his memory that thirty years afterward, in a concert tour through Sweden, he recognized the instrument there. He was asked, by the Polish violinist, Biernacki, who had bought from Serwaczynski, to buy the violin. Joachim did so, and the violin of his first teacher, a beautiful and well-preserved Andreas Amati, is to-day in his possession.
“After the boy’s first visit to the opera, followed by other visits, he naturally hungered for music, as soon as he first observed that there was another music in the world besides his violin lessons. The opera at Pesth was, moreover, at that time not so bad. It held on to traditions. Was not Beethoven there for the opening of the theater in 1811, and did he not write the music to ‘King Stephen’ and the ‘King of Athens’ for that occasion?”
I will not quote further from Herr Moser’s most interesting
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book. Little ‘Pepi’ made his first public appearance on March 17th, 1839, when he played with his teachers the double concerto of Eck and played alone the variations upon Schubert’s “Trauerwalzer,” by Pechatchek. The boy won laurels and attracted the attention of the Graf von Brunswick and his sister Therese. The former had been a most intimate friend of Beethoven.
Soon after this time there came a visitor to the Joachim home Frl. Fanny Figdor, a cousin of the family and a musical lady. She induced the father to send his little son to Vienna. There he remained for several years. In this broad musical center, influenced by the French School, and still influenced by Spohr, the boy was reared. Mayseder was his warm friend; Clement, the eminent violinist, was interested in him. A third influence came to the Boy. It was that of Bohm [sic]. This eminent violinist was a follower of the school of Rode. His famous pupils were Hellmesberger, Ernst and Joachim. Bohm was a great quartet player. The first teacher of the boy in Vienna was Miska Hauser, a pupil of Mayseder. These lessons lasted one month. About this time Ernst came to Vienna and his playing caused a furor of excitement. The little Joachim heard him and was stimulated to greater effort. To Bohm Joachim owes a great love for and broad training in quartette literature. Bohm was one of the greatest quartette players of his day. He was like most German professors, a hard task master. Sometimes his pupil displeased him, and he would shout out, “Verflixter Bub, wirst gleich ordentlich geigen!” Herr Bohm’s wife was an irascible lady, and often roundly scored the boy for his seeming negligence. All this did the boy good. In a short time he played the Rondo from the E major concerto by Vieuxtemps and the Othello Fantasie by Ernst, at the Conservatory.
Great artists came to Vienna to concertize, and Joachim had the opportunity to hear them play. Among them were Ernst, De Beriot and Vieuxtemps, Mendelssohn, Klara Wieck, Liszt and others. For Schubert and Beethoven Joachim had great reverence. Meister Bohm allowed his pupil to come to those wonderful Quartette-Evenings at his home, and the boy learned to love Beethoven’s quartettes with all the intensity of his nature.
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In 1843 he found an opportunity to go to Leipsic, the musical center of Germany. Here he met Mendelssohn, and they played together the Kreutzer Sonata of Beethoven. This was the beginning of a broader life. Mendelssohn loved the boy from the first. Moritz Hauptmann was then the cantor in the famous St. Thomas School and a teacher in the Leipsic Conservatory. Hauptmann taught him harmony and counterpoint. Bohm had given him a fine technical foundation. It was thought that David, a powerful influence at the Leipsic school, could aid the boy. They worked upon the Spohr concertos, Bach Airs and the Beethoven and Mendelssohn Concertos. These works constituted the boy’s repertoire. Ferdinand David was a great violinist. He interpreted Bach well, and he revised and fingered the most classical compositions of the day. He was a friend of Mendelsson and Schumann. His influence was powerful. He could not bearn to hear his young pupil play upon an inferior violin. He often said: “A real artist should play only the best!” He objected to the frequent use of the rubato, and the use of the spring-bow in classical compositions.
The first great concert at which the boy played in Leipsic was in 1843, when Pauline Viardot Garcia appeared at the Gewandhaus. Mendelsson played the variations for two pianos by Schumann, with Clara Schumann, and Joachim played with Mendelssohn an Adagio and Rondo by de Beriot. The boy’s success was assured. Not long after this he played the Othello Fantasie with Mendelssohn as an accompanist, in the Gewandhaus. His success the first year in Leipsic was so great that Hauptmann wrote to Franz Hauser: “Joachim from Vienna, who has learned so rapidly, is here. He has much talent, has studied with Bohm, plays perhaps an hour daily, and has played the Spohr Gesangscene recently with David in the Gewandhaus; so beautiful was his tone that Spohr himself would have been filled with joy.”
We next hear of Joachim in London, where, in 1844, he played with Mendelssohn at the Drury Lane Theater the Othello Fantasie by Ernst. Mendelssohn called him “My Hungarian boy,” and showed a wonderful interest in him. This trip was followed by a concert tour in which he appeared on programs with Lablache, Thalberg, Sivori and others.
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London rang with his praises when in 1844 he played under Mendelssohn’s direction, for the first time, Beethoven’s Concerto. Mendelssohn wrote immediately to Leipsic of his wonderful success.
From that time Joachim has made annual tours to England, where he is universally beloved. The London public claim him for the Crystal Palace Concerts and the Popular Concerts. Provincial towns compel him to spend several months of the year in a concert tour, and Joachim may well say that England is almost as dear as Germany to him.
On Joachim’s return to Germany he was placed in the care of the captain of a vessel bound for Hamburg. Somewhat curious in disposition, he one day opened the door of a cabin and there found a passenger who had cut his own throat and had just expired. Imagine the effect upon a high-strung, thirteen-year-old boy!
In the winter of 1844-5 Joachim played at a concert the remarkable concertante for four violins by Maurer. Ernst, Bazzini and David played with him. When it came time for Joachim to play his cadenza, so well did he play that Ernst shouted aloud, “Bravo!”
Shortly after this time Spohr came to Leipsic and his visit made a lasting impression upon the boy. Schumann having heard Joachim play the Kreutzer Sonata with Mendelssohn was filled with joy, and from that time the boy was a frequent visitor at the Schumann’s. Mendelssohn took great interest in Joachim’s work in composition. An interesting little story is told concerning this. Mendelssohn went away on a journey, and on his return Joachim brought him two Sonatas for violin and piano, which he had composed during Mendelssohn’s absence. The great composer said, “You write a very good hand!” Upon this Joachim remarked that the copyist had written the notes. “Simpleton,” replied Mendelssohn, “that makes no difference. It has been naturally your composition.”
Many tales are told of Liszt’s wonderful popularity in Leipsic. Mendelssohn once sent the boy Joachim to take his greetings to the great pianist. The boy he was fascinated by him. Not long after Joachim played the Mendelssohn concerto to him, and Liszt accompanied to him upon a grand piano. To the astonishment of the boy the pianist played the finale with a lighted
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cigar between the first and middle fingers of his right hand.
In 1847 Joachim again went to London, where the “Elijah” was to be performed under Mendelssohn’s direction. In November of the same year Mendelssohn closed his eyes forever. The loss to Joachim was very great, for the boy had won a place much through the influence of his great friend.
Of Joachim’s entrance to the Gewandhaus orchestra and his subsequent engagement as a teacher in the Leipsic Conservatory, there is not much to say. He cared no more for Leipsic after the death of Mendelssohn, and when the opportunity came to him to go to Weimar he went willingly.
Liszt was in the zenith of his power there. Hauptmann wrote to Spohr in Paris: “Beloved Herr Kapellmeister—We have lost Joachim, our accomplished violinist and beloved man. So through and through a musical person as he we shall not be able to obtain.”
What a wonderful old town Weimar is! It seems as if the spirit of Sebastian Bach hovers there still, where he labored so long as organist and choir master. Hummel, too, and Goethe live in the very air of the place. And Liszt! There he stood for a new epoch in music. The Wagner influence was growing. Weimar was alert, positive and negative, ready and unready for the musical upheaval.
Raff was Liszt’s secretary, and he, von Bulow, a student of Liszt, and Joachim, formed a great friendship: Joachim played publicly the Kreutzer Sonata with von Bulow, and the latter’s mother wrote to her daughter: “Hans played the great Beethoven Sonata with Joachim, both very wonderfully. Such an interpretation as theirs cannot easily be found. Joachim is a pleasant man of attractive appearance. Hans loves him very much.”
Shortly after that Joachim went to England, and while there wrote to Liszt again and again, thanking him for his friendship and encouragement. There is no question but that the young concert meister, for so he now was in Weimar, valued Liszt and felt for him a sincere regard. Among his friends in Weimar may be mentioned Hermann Grimm and the von Arnims. At the house of the von Arnims there were many evenings of chamber music in which Liszt, von Bulow and
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Joachim often participated. There came a time when the young Joachim felt the growing power of the Liszt-Wagner cult. True to Schumann and Mendelssohn he felt that he must stand for what seemed to him the real. He was honest. He did not break suddenly away. It was a sad time for him. Liszt knew that Joachim did not love his music. In his characteristic way he said to him: “Dear friend, I see already that my compositions do not please you.”
Liszt, magnanimous to a great degree, wrote to Stern in Berlin: “I profess great admiration for Joachim’s talent. He is an artist hors ligne, of great ambition and a glorious reputation. He has a nature altogether loyal, a distinguished spirit and a character sweet and of singular charm in its rectitude and seriousness.” He goes on to urge Stern to engage Joachim for a Berlin concert. That concert was Joachim’s first in the capital. He played the Beethoven Concerto with immense success. The National Zeitung said: “We must not let this violinist leave our city; we must retain him at any price.”
He was then twenty-two years of age. He now left Weimar, but it has never forgotten him. Von Bulow’s farewell letter to him was such a one as a great musician may write to another, though they may have had diverging lines of thought.
The year 1851 finds Joachim in Hannover, where he took the place of Hellmesberger as Concert meister.
The friendship between Schumann and Joachim continued. Often the composer wrote from Dusseldorf to Joachim to come to him and not forget his violin and the Beethoven Concerto.
Joachim’s Overture to Hamlet was first played in Hannover. Both Liszt and Schumann wrote praises of it.
It is strange, indeed, that Remenyi (then very popular) and Joachim, together with Liszt, should have held so high a place at the same time, and all Hungarians by birth.
Dr. Kohut says the Hungarians are among the most musical people in the world. There is not much that is especially eventful in Joachim’s life in Hannover. His relations with his patron, King George, were very cordial. He was allowed frequent concert journeys, and, during this time, was in Russia, France, Austria, Hungary, Holland, Sweden and Italy, making a great reputa-
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tion as a quartette player as well as a soloist. As for England, he rarely missed a yearly visit. In 1868 Joachim came to the Royal High School in Berlin as director. There he showed his wonderful executive power and ability to organize and control. He had the advantage of excellent associates, Waldemar, Bargiel, Ernst, Rudorf and Dr. Spitta. He organized the famous Joachim quartette, consisting of de Ahna, Hausmann and Wirth. He has concertized, taught and directed orchestras. He has lived quietly and as becomes a sane man who makes no pretensions to extraordinary genius. Among the violin teachers at the Royal High School may be mentioned Heinrich Jacobson, Johan Kruse and Emanuel Wirth, Robert Hausmann, the cellist, and Heinrich Barth, pianist, owe much to him. He has inspired all who have been associated with him. His pupils are in Austria, England, Russia, Sweden, Denmark, Holland and America. If you asked him what composers he loved best he would say: Bach, Bargiel, Beethoven, Brahms, Cherubini, Ernst, Henselt, Mendelssohn, Mozart, Pallestrina [sic], Spohr, Schubert, Schumann and Weber. The members of his Quartettes have traveled all over Europe since 1870. At every Beethoven Fest Bohm looks for them. The Crystal Palace Concerts are not complete without them. Italy, Austria and many other countries have them yearly. The Quartette has had some changes. At the death of de Ahna Professor Johann Kruse became second violinist. Three years ago he went to London to assist at the Popular Concerts and to teach there. His place was taken by Carl Halir. Among the celebrated pupils of Joachim may be mentioned Kark, Courvoirsier [sic], Karl Halir (in Berlin), Gustav Hollaender, at the head of the Stern Conservatory, Berlin; Henrich Jacobson, the teacher of Maude Powell and Lilian Shattuck; Johan Kruse, formerly- a distinguished teacher at the Royal High School ; Heinrich Petre, the eminent Dresden teacher; Professor Hubay, Budapest; Paul Listemann, Chicago; Carl Markees, Berlin; Marsick, the eminent Paris teacher; Professor Nachez, London; Theodore Spiering, Chicago. His greatest lady pupils have been Marie Soldat-Roger, Gabrielle Wietrowitz, Leonora Jackson, Geraldine Morgan, Nora Clentsch, Maude Powell and Dora Becker.
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Professor Joachim has thirteen degrees and marks of distinction. Cambridge University has given him a degree, and I suppose Harvard would have imitated Cambridge if the artist had ever visited America. I do not claim that Joseph Joachim is the greatest living violinist. That were hazardous. He is the greatest living exponent of the severely classical school. He does not live a narrow life musically. He plays only what is great to him. He has played with Lady Halle in England. He has met great artists of all schools. His pupils have never been disloyal to him, although some have studied later with Marsick, Ysaye and others. For Leopold Auer in Russia he has had a sincere respect. Other violinists have not found him cold and pedantic. He has won their respect. There are comments and criticisms which might be made upon the Joachim school. This is not the place for such criticisms. I have found no freer system of bowing, no more beautiful and sincere veneration for the classics, no higher ideals anywhere in the world than in that center of the violin world, Berlin. At the same time it takes a brave heart, a strong body and an elastic temperament to study and wait for the time when you, too, shall sit at the feet of Joachim and reap the reward of your efforts to become one of his pupils.
Dwight’s Journal of Music, vol. 6, no. 25 (Boston, March 24 1855), 196-197.
It seems likely that this article is by Alexander Wheelock Thayer, the renowned Beethoven biographer, who was a regular Berlin correspondent for Dwight’s, and who came to know Joachim and the Arnims at that time.
Adolph von Menzel Joseph Joachim and Clara Schumann in the Singakademie, Berlin December 20, 1854
Diary Abroad.—No. 12.
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BERLIN. Feb. 5. — […]
“Im Saale der Sing-Akademie, Soirée von Clara Schumann und Joseph Joachim.”
I was at my thankless (almost hopeless, alas!) task, in the Royal Library, when a young man came in, somewhat above middle size, strongly built, face rather thin, though the leading features, nose, mouth, chin, are large, well-formed and noble; the forehead broad, but apparently not high, owing to the immense mass of black hair, which grows down low upon it; the eyes not very large and somewhat injured in their expression by near-sightedness, As he spoke with the Professor, the whisper passed round, “Joachim, Joachim!” In the afternoon I went to a distant part of the city to deliver a letter, and there upon the writing table were lying the original autograph scores of several of Beethoven’s works, among them that Quartet which contains the movement over which, in Beethoven’s own hand (in German), stands “Song of thanksgiving offered to the Deity by a convalescent, in the Lydian Mode.” While looking at this, Joachim entered. Of this unexpected interview I have nothing to relate, save that the love and reverence for the great master, which he exhibited, wrought upon me somewhat as Jenny Lind’s reverence for her Art seems to have operated upon so many among us, who generally think more of music than of executants.
Of the three concerts given by the two artists together I heard two. The programmes were: for Dec. 16th—
At the first of these two concerts I had an excellent seat on the centre passage-way, and not far from the stage, and it was truly pleasant to the eye for once to see the Sing-Akademie’s hall full, the auditorium having no seat unfilled, and the eighty voices (about) of the Stern Society, with twenty or thirty auditors, filling the stage so far as to prevent a sense of emptiness. For a concert of this kind I know no hall finer. The audience, I saw at a glance, was of the chosen people of Berlin, musically speaking—not a few of them, also, biblically speaking— men and women to whom the styles and excellences of every great pianist and violinist for thirty years back were perfectly familiar. For novices, or second-rate performers, what an ordeal to pass! Sh! there they come. The first appearance of a virtuoso—I mean the manner in which he or she comes forward to the task—goes no small way with me in my feeling toward them. I could ask nothing better here. It was just as it should be. Clara Schumann and Joachim came forward together from behind the choir as calmly as if in their own room—as if every one knew them and they knew every one. There was no bowing and scraping, and fidgeting and fussing, and simpering and smirking, until every person of common sense was almost “sick unto death.” They came forward to the piano-forte, when she quietly took her seat, and he just as quietly took one of the unoccupied chairs near. When she finished her Sonata, she quietly sat down by him, and there they sat and listened, both quietly, to the Lieder by the choir. This air of quiet and repose was so refreshing! Then the audience sat and chatted a few minutes, and so did they; and then he rose up to give us the Prelude and Fugue for the violin alone. Well, he played it. There was no flourish about it, he laid his violin lovingly to his cheek, and his instrument sang old Bach’s music so clearly, distinctly, powerfully, gently, and with such perfect ease, that one felt as if that was no very difficult thing to do! You see in Joachim’s entire personal appearance that he thinks not of showing what he can do; he loves Bach and enters into the very soul of his music, and means that his hearers shall also. I do not believe that there is the slightest difference between his playing that piece when alone and here before the public—unless be happens to be more in the Bach mood, in one case than in the other. But to think of playing a regular fugue on the violin! When it was finished he sat down again by Frau Schumann and chatted away; he had done nothing extraordinary. Her appearance pleased me as much as his. I know not how, but somehow I had expected to see a woman at least of middle age, perhaps a little grey ready (think how many years we have been reading about Clara Wieck and Clara Schumann!) of course rather muscular, else whence the power for which she is so renowned ?—and could hardly believe my eyes when Joachim first came in with—as Mrs. —— always says—”the dearest little woman.” In her whole appearance is something most winning, and were she not the great artist she is, she could win all suffrages. The common medallion profile of her (with her husband) is excellent, though her face is now thinner than when it was taken, and it does not—cannot of course—do justice to her large, full, splendid dark eyes. At the second concert I had a seat on the stage hard by the piano-forte, and the impression made upon me by both artists was but strengthened. Each has so completely overcome all the technical difficulties of his or
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her instrument, that you forget totally that virtuosos are before you—instead of thinking of them, you commune with Bach and Beethoven—you learn to appreciate Bach—his thoughts become yours, and a pure musical enjoyment is the result, instead of stupid wonder at “How can they do it?”
You never heard such a tone! One violinist of great display excels in imitating a flute; another can transform (in the “Carnival of Venice,” which Joachim did not play) his instrument into a hurdy-gurdy, and into a triangle and cymbals, for aught I know—Joachim always plays the violin—and that too, I guess, in passages in which our hurdy-gurdy friend would be right glad to do the same. One, who shall be nameless, rather prides himself upon being able to sing in falsetto just like his antique and venerable grandmother. His friends, though, consider Salvi’s or Perelli’s tenor as of much more value. I suppose the principal characteristics of Joachim’s playing may be summed up in—extraordinary purity and fullness of tone, the most perfect intonation, an un-rivalled (by any living violinist) mastery of all and singular, the difficulties of his instrument and a complete understanding of and sympathy with his author, be he Bach, Beethoven, Spohr, Paganini, Mendelssohn or David.
I do not suppose we shall ever hear him in America. He does not like the concert room. I am not aware that during my three winters in Germany he has been away from his post except by a special invitation to play for the Gustav Adolph Verein in Hamburg and for Clara Schumann and her sick husband here. I doubt whether he would make out well with our public. He would play no clap-trap; would cut no violin capers, which would make the angelic Cecilia with a fiddle (of Raphael) weep. He would not give the “Carnival” with variations, and then play to the encore Yankee Doodle bedevilled. He is an earnest, sincere, noble artist, in whom is no humbug. Would though, that that increasing class of true musical hearts and souls in Boston and New York could have Clara Schumann and Joseph Joachim with them one winter! I declare I cannot forget the simple, unaffected ease of their appearance before that audience; how each sat down with the audience to listen to the other, and how they seemed to enjoy their music, as if it was all new. But then their music was music. So the other night magnificent JOHANNA WAGNER sang in the same place for HANS VON BULOW, and when she had sung stepped down to some friends in the audience; sat with them until her turn came again, and then stepped back and sung—O how gloriously!
It will be seen that several pieces by Robert Schumann were given. The more ambitious ones did not take; those of a simpler and gentler character pleased much. I have my doubts in relation to him. Some of the pillars of the musical world here seem to think that Joachim is injuring himself by the amount of study he bestows upon the works of Schumann and the school to which he belongs.
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N. B. Since the above was written I have had the pleasure of an interview with an intimate friend of Joachim, and all hope of our ever hearing him in America has vanished. There is no longer any special satisfaction to him in his violin. All that has been done with the instrument he has done. Every difficulty he has conquered. All that has been written for the instrument he knows, and his thoughts now turn only to the grand orchestra. He has a positive dislike to playing in public, and I was right as to his recent appearances being merely for a charitable and friendly purpose. He is now Royal Concert-master In Hanover, and lives much as Haydn did with Esterhazy. When he wishes to try one of his orchestral compositions, a splendid orchestra is at his disposal; be cares nothing for money and his salary is sufficient for his wants. His ambition now lies only in the new path of composer, and I cherish strong hopes that Joachim, who has so captivated me, may prove an exception to the general rule that violinists remain violinists.
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“Total forgetfulness of self will alone develop that which is most desirable in ourselves, either as Artist or Man; and by that humility and forgetfulness will many a feeble man leave a deeper mark on his time than the egotist or mightier power.” — Crayon
RWE: This quote is from an article entitled “Beauty and its Enemies” in the March 14, 1855 issue of The Crayon, (New York) vol. 1, no. 11, p. 161:
“The instant that pride or a desire for self-display enters into the composition of any work of Art, the perception of the Beautiful becomes clouded, and, in all things, we mingle our own imperfections and weaknesses with the purity and beauty of Nature. Perfect humility before nature will alone lead us to those perpetually opening mazes of new beauties and wonders which always exist for the Artist. Total forgetfulness of self will alone develop that which is most desirable in ourselves, either as Artist or Man; and by that humility and forgetfulness will many a feeble man leave a deeper mark on his time than the egotist of mightier power. Pride is indeed Beauty’s worst enemy, and more dangerous from being often her child; and from the very gift which should beget thankfulness and humility, arise arrogance and inordinate self-esteem.
It one of the problems for the moralist to study out—for us we have only to show to those who are, or would be, seekers of Beauty either as manifest in themselves—the noblest form of artistic action—or as shown in the works of creation, that the most extreme humility will develop in them the highest talent, while its opposite will chain them to a circle perpetually growing less. All that gives token of vanity in Art disfigures and weakens. All undue love of execution or of manifestations of mere power, or of any quality in fact, the root of whose preference lies in the fact of its belonging to one’s self, strikes at the root of the Artist’s greatness. There is a working out of one’s own mind in Art which is glorious; but this is unconscious always, and shown by necessity, because some rare faculty had been given, or some peculiarity of temperament bestowed, by which the conceptions of the Artist become tinged, as though seen through a beautifully colored glass, giving a sweeter harmony than we ourselves see; but this no man can render who does not equally forget himself, and represent Nature as he sees it entirely. The intrusion of self for Pride’s sake brings only deformity and darkness.
A less dangerous enemy is Sensuality, less dangerous, because more readily understood, and because it more rarely befalls great minds. While Pride stiffens and congeals the soul of the Artist, Sensuality clouds and chokes it; and he who is content to follow his sensual perceptions delighting in them for their own sake, stands ever in danger of having all that is noble buried by the material elements of his Art. Color, for instance, noble and essential in its place, becomes base and degrading, when cared for for itself alone.”
Das Hinscheiden Joseph Joachims bedeutet für die “Königl. akademische Hochschule für Musik” zu Berlin=Charlottenburg einen unersetzlichen Verlust. In meinem Abriß der Geschichte dieser Hochschule (“Neue Musik=Zeitung”, 16. August 1906) bemerkte ich bereits, daß sie sich fast ganz mit der Biographie Joachims decke. Dem großen Meister, der seit ihrer Begründung an der Spitze der Hochschule stand, verdankt sie einzig und allein ihren Weltruf, ihren Rang in der Kunstgeschichte. Wohl finden sich in der langen Liste der Lehrer seit Bestehens der Anstalt noch manche glänzende Namen (z. B. Kiel, Spitta), aber kein einziger dessen Nennung eine solche faszinierende Wirkung, einen solchen Enthusiasmus erregte wie der Joseph Joachims! Wagner und Liszt waren die Schöpfer des künstlerischen, stilgemäßen Vortrages in der Musik, Bülow und Joachim ihre Apostel. Anton Rubinstein, der gleichfalls zu den Unersetzlichen gehört, wirkte mehr durch sein unvergleichliches Temperament, seine durch augenblickliche Inspiration beeinflußte Offenbarung, Bülow und Joachim durch ihre immer abgeklärten, der geringsten Effekthascherei abholden, nur dem Dienste des Höchsten geweihten Auslegungen. Das erhellt schon aus ihrem Repertoire, das nur aus den Werken der allerersten Meister bestand. Obgleich Joachim mit seinem Freunde Brahms die bekannte eigentümliche Erklärung gegen die “neudeutsche Kunstrichtung” erlassen und unterzeichnet hatte, kann man es doch als sicher hinstellen, daß er hauptsächlich durch seinen intimen Verkehr mit Liszt während seines Weimarer Aufenthaltes (als Konzertmeister des Hoftheaters unter Liszts Direktion) und durch die Freundschaft mit Bülow als Vortragskünstler zu einem unsterblichen Hohenpriester der Kunst sich entwickelte. Die Schriften Bülows sind voll von Lobeshymnen auf Joachim. So schreibt er z. B. (“Ausgewählte Schritte”, Breitkopf & Härtel, S. 79): “Wenn Liszt einem ihn besuchenden Fremden einmal einen recht exquisiten Genug erschaffen wollte, so spielte er ihm mit seinem
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Landsmann Joseph Joachim und dem Violoncellisten Coßmann das Trio von Volkmann vor.” Das muß in der Tat ein “exquisiter Genuß” gewesen sein: das bedeutendste Werk eines bedeutenden Meisters von den bedeutendsten Vertretern ihrer respektiven Instrumente vorgetragen! — Richard Wagner schreibt in seine Abhandlung “Über das Dirigieren” (am Schluß): “Eine solche Schule (die Kgl. Hochschule zu Berlin) ohne Herrn Joachim zu begründen wo dieser zu gewinnen war, hätte jedenfalls als bedenklicher Fehler erscheinen müssen. Was mich für diesen hoffnungsvoll einnimmt, ist, daß allem nach, was ich über sein Spiel erfahren habe, dieser Virtuos genau den Vortrag kennt und selbst ausübt, welchen ich für unsere große Musik fordere.” — Auch Joseph Joachim war eine von den Erscheinungen, welche sich, wie Hans von Bronsart bei Bülows Scheiden aus Hannover so richtig bemerkte, wenn überhaupt, kaum alle Jahrhundert einmal wiederholen. — Die Berliner Kgl. Hochschule hat jetzt die schwerste Krisis seit ihrem fast vierzigjährigen Bestehen durchzumachen. Zurzeit ist ihr leuchtendster Stern Max Bruch (sein erstes Violin=Konzert in g moll ist Joachim gewidmet). Ersetzt kann Joachim nicht werden, denn einen Ersatz für ein Genie gibt es nicht, aber einen Nachfolger als erster Lehrer der Ausbildungsklasse wird die Hochschule ihm geben. Wen wird die Wahl treffen? Ysaye, Kreisler, Hermann, Marteau, Burmeister?
Arthur Laser (Berlin)
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Joachim als Lehrer
Joseph Joachim ist tot, und allerorten, wo nur Schreibfedern in Bewegung sind, beeilt man sich, ihn auch ordnungsgemäß beizusetzen. Wir werden belehrt, daß Joachim “der letzte Klassiker” war, ein fossiler Rest aus vergangenen Epochen; seine ablehnende Haltung gegenüber der Aura Wagner=Liszt und deren Deszendenz gibt Veranlaßung zu Betrachtungen, “wie wir’s so herrlich weit gebracht”; man anerkennt das Außerordentliche, ja Einzige einer Persönlichkeit, die auf das erfolgreichste, glänzendste Virtuosentum die Krone einer umfassenden, weitausschauenden allgemeinen Bildung zu setzen vermochte, und vergißt nicht zu bemerken, daß die Tage seines Virtuosenglanzes längst vorüber, seine Virtuosität überhaupt hundertfach überboten, seine organisatorische Befähigung beschränkt, seine Erfolge als Komponist und Dirigent nur vorübergehend gewesen seien — und was alles noch zum notwendigen Requisit einer regelrechten Einrangieren und Einregistrierung gehört, so daß der Verstorbene nunmehr fertigmumifiziert in seinem Fache untergebracht ist und in dem Gange der Musikgeschichte, wie unsere Tagesschreiber ihn dem lieben Gott diktieren, keinerlei Störung mehr verursachen kann.
Ueber all diesen so wahren und richtigen Bemerkungen wird nur meistens eine Kleinigkeit vergessen — und merkwürdigerweise ist es gerade diese Kleinigkeit, die Joachims Gestalt aus der Reihe derer, denen die Nachwelt keine Kränze flicht, hinausrückt in die Linie der Großen und Unvergänglichen unserer Zeit. So viele vom Tageslärm verstumpfte Sinne, auch in der nächsten Nähe des Meisters, haben es ganz übersehen, daß er ein Erzieher war, nicht mit Wort und Willen, sondern eine der ganz seltenen Individualitäten, die durch ihr persönliches, nur auf die nächsten Ziele gerichtetes Wirken, durch ihre Art zu schaffen, durch ihr Denken und Fühlen, kurz durch ihr Wirkung ausüben. Wie anders wäre es sonst zu erklären, daß er, der Virtuose, der nie anderen als Geigenunterricht erteilt hat, seine geistigen Schüler in allen Schichten unserer heutigen Musikergeneration besitzt? Daß es Tausende von Künstlern, vom Sänger und Virtuosen jeder Gattung, Dirigenten, Wissenschaftler bis zum Orchestermusiker gibt, die mit vollem Recht und tiefinnerer Ueberzeugung es aussprechen, daß sie das Beste ihrer Kunst, ihres künstlerischen Ichs Joseph Joachim verdanken? — Das ist mehr, als es ein Virtuose, und sei er der größte der Welt, vermag; mehr auch als der erfahrenste, gewissenhafteste Pädagog mit allem Fleiß zustande bringt — das ist lebendig wirkende Persönlichkeit, unter deren Strahlen alles verschwindet, was zeitlich und vergänglich an Meister Joachim war, die ihn in die Zahl derer einreiht, die nicht vergessen werden können, weil ihr Sein und Wirken fortlebt in denen, die davon berührt wurden.
Es liegt nahe, Joachim mit seinem einmaligen Freunde und späteren Antipoden Liszt zu vergleichen — eine in mancher Hinsicht lehrreiche und interessante Parallele. Aber mir scheint, dazu ist die Zeit noch nicht gekommen. Im allzuschnell fertigen Urteil würde man nicht umhin können, dem Einen oder dem Anderen unrecht zu tun. Daß Joachims Wirken ein stilleres, weniger von äußerem Glanz umstrahltes war, beweist nichts gegen dessen Tiefe und Dauerhaftigkeit. Wer das Glück gehabt hat, dem Meister jahrelang in seiner Arbeit als Lehrer sowie als ausübendem Künstler in Konzert= und Kammermusik, als Leiter der Hochschule und des Orchesters in Proben und Aufführungen nahe zu sein, für den bedarf es nicht vieler Worte, um zu verstehen, welcher Art die Wirkung war, die er ausübte. Gewiß war sein Streben mehr auf Erhaltung und Ausbau eines festen Besitzstandes, denn auf Eroberung neuer, unbekannter Gebiete gerichtet; aber wenn man unter “konservativ” das starre Festhalten an ererbten Traditionen, das Arbeiten nach unbeweglichen Formeln und Dogmen versteht, so war alles andere als konservativ. Wenn er seinen Beethoven spielte, so konnte auch der gründlichste Kenner seines Spieles nicht im voraus sagen, wie er dies und jenes machen würde; im Augenblick entstand alles neu in seiner selbstschaffenden Phantasie, frisch wie eine Improvisation, modern wie eine ebengeschriebene Komposition trat es ans Tageslicht. Es gab keine noch so abgebrauchte Floskel, keine ehrwürdig=stereotype Wendung, die nicht unter seiner Hand junges Leben gewann, so daß er sie im Momente neu gefunden zu haben schien. Was er spielte, schuf er aufs neue aus sich heraus; hierin und nicht in irgendwelchen technischen Dingen liegt der himmelweite Unterschied zwischen Joachim und allen übrigen Virtuosen.
So war denn auch nicht die Virtuosität, sondern das Musizieren der Kern seines Spieles, und daher kam er — besonders in den letzten Jahren — ganz von selbst dazu, den Schwerpunkt seiner Künstlerschaft in die Kammermusik, in sein unerreichtes und unerreichbares Quartettspiel zu verlegen. Insbesondere sind wohl die Proben seiner Quartettabende, die vormittags in ganz intimem Kreise in der Hochschule stattfanden, allen unvergeßlich, die jemals daran teilgenommen haben. Es waren weihevoll feierliche und doch trauliche Stunden, wie man sie unter Menschen erlebt, die sich durch
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ein gemeinsames geistiges Band verbunden wissen. Da gab es keinen Beifallslaut, kein geräuschvolles Versammeln und Auseinandergehen, wie sonst in Konzerten. Es war ein Sprechen von Mensch zu Mensch, ein unmittelbares Mitteilen höchster Kunst, höchster Lebenserfahrung, wobei man die Grenzlinien nicht mehr empfand, die Kunst und lebendige Sprache von einander trennen. Hier war sein Bayreuth, hier geschahen seine größten Taten; hier lehrte er uns den alten Beethoven und den jungen Brahms kennen und lieben. Aber über solche Einzeltaten hinaus gab er uns das, was unverlierbar ist: das feste Bewusstsein von der Wahrheit und Würde der Kunst. Das prägte sich den jungen Seelen unverwischbar ein, wenn sie den Altmeister in der schlichten Größe seines Wesens sahen und hörten; so lernten sie liebend verehren, lernten an der Hand dieses getreuen Eckart Ehrfurcht empfinden vor allen guten Geistern unserer Kunst.
Nur einmal trat der Bund, der sich bei aller Verschiedenheit der Richtungen und Meinungen wie eine Familie um Joachim scharte, auch machtvoll imponierend an die Oeffentlichkeit: es war bei Joachims sechzigjährigem Künstlerjubiläum im Jahre 1898. Hier hatte sich die Jüngerschaft des Altmeisters aus aller Herren Ländern ein Stelldichein gegeben, ein Orchester war gebildet, in dem allein 120 Streicher — lauter Konzertmeister! — beisammen saßen. Und als dann in der Mitte des Festprogramms der Meister selbst auf das stürmische Drängen seiner Getreuen die Geige ergreifen und als improvisierte Nummer noch einmal das Werk spielen mußte, das er und das ihn berühmt gemacht hat — Beethovens Violinkonzert —, da ging wohl durch die ganze Masse der Ausführenden und Zuhörenden ein Hauch von dem Bewusstsein, daß sie alle sich eins fühlten, Glieder einer Familie durch den Geist dieses Mannes, dessen ganzes Wesen eine Verkörperung, eine volltönende Antwort war auf Schillers Mahnwort: Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben; bewahret sie! —
Am offenen Sarge ist nicht der Platz, das hervorzuheben, was ihm fehlte, die Dinge aufzuzählen, in denen er irrte. Sicherlich hat es größere Organisatoren, bedeutendere Dirigenten gegeben als ihn; sicherlich unterlag in seinen Anschauungen und Urteilen auch er großen Irrtümern. Aber selbst in seinen Irrtümern und Fehlern war er er selbst. Er hätte nicht anders gekonnt, selbst wenn er gewollt hätte. Und das Größte, was er wirkte, lag nicht in seinen Handlungen, sondern in seinem Sein. Er lebte uns das ideale Bild des reinsten Künstlertums vor, er war in allen Regungen seines Ichs eins mit sich selbst, ein großer Künstler und ein großer Mensch. Und so behält denn jenes Wort zuletzt doch recht, das ihn einen “Klassiker” nennt; aber der Stern seines Lebens und unser aller Hoffnung ist es, daß er nicht der letzte war.
So bleibt uns sein Bild: der mächtige, ehrfurchtgebietende Künstlerkopf mit dem Blicke unbeschreiblicher Güte für immer ins Herz eingeprägt. Mild freundlich und doch hoheitsvoll groß scheint er uns mit Schumanns Worten zuzurufen: “Jünglinge, ihr habt einen langen, schweren Gang vor euch. Es schwebt eine seltsame Röte am Himmel, ob Abend= oder Morgenröte, weiß ich nicht. Schafft fürs Licht!”
Sandys, John Edwin. Orationes Et Epistolae Cantabrigienses. London: Macmillan, 1910, 3-4.
J. E. Sandys: Oration at Cambridge University Upon the Awarding of the Mus. Doc. to Joseph Joachim, March 8, 1877
QUAE abhinc annos triginta in hac ipsa curia, coram Alberto Principe Cancellario nostro admodum deflendo, coram ipsa Regina nemini nostrum non dilecta, hunc, vixdum e pueris egressum, eximios cantus fidibus modulantem audivit; eadem Academia virum, per omnem Europam inter principes totius artis musicae iam diu numeratum, hodie reducem salvere iubet. Hodie nobis redditus est Orpheus, —utinam ipsa etiam adesset Eurydice; [1] nunc iterum, ut poëtae verbis utar quem Cremonae vicina genuit Mantus, Academi in silvis Orpheus
‘obloquitur numeris septem discrimina vocum
iamque eadem digitis, iam pectine pulsat eburno.’ [2]
Quid dicam de illis qui inter fautores tanti ingenii olim exstiterunt, de viris sempiternae memoriae Mendelssohnio et Schumanno? Nobis autem tamquam triplici vinculo hospitii coniunctus est Regiae Academiae Artium apud Berolinenses Professor, trium deinceps Professorum Cantabrigiensium amicus, primum Thomae Attwood Walmisley, deinde Wilelmi Sterndale Bennett, denique illius qui nuper horum sacrorum antistes a vobis est creatus,
Tantis igitur gloriatur praeceptoribus ars illa, quae in solitudine consolatur, in turba delectat vitaeque communis societatem iucundiorem reddit; quae fessos recreat, aegrotantibus, si non ipsam dare salutem (sicut olim insanienti Hebraeorum regi), auxilium tamen aliquatenus ferre hodie conatur; quae ipsum Dei cultum adiuvat, et intimos animi affectus exprimit, ipsa intima numerorum cantuumque nixa scientia. Quid autem si ars tanta Musarum nomine vere digna, in hac etiam Musarum domo quasi in ordinem redacta atque via quadam et ratione alumnis nostris tradita, inter severiora nostra studia sedem suam aliquando vindicabit? Quid si, inter tot ‘tripodas, praemia fortium,’ novam quandam laureolam Apollini Musagetae dedicare volueritis? Interim huic Apollinis ministro quem ipsum prope appellaverim Arcitenentem, huic interpreti certe divinorum in arte sua virorum Sebastiani Bach et Ludovici Beethoven; qui magnus ipse vates magnorum vatum memoriam non sinit interire; [4] hanc lauream nostram Apollinarem, hunc titulum Doctoris in Musica, donare licet: qui honos numquam antehac ab ulla Academia Britannica habitus est alienigenae, uno illo excepto, qui nascentis mundi primordia immortali cantu consociavit, Iosepho Haydn. [5]
At enim Λίνον μὲν ἐπ᾽ εὐτυχεῖ μολπᾷ Φοῖβος ἰαχεῖ, τὸν κάλλειφθιτόν
κιθάραν ἐλαύνων πλήκτρῳ χρυσέῳ. [6]
Gravamur hodie abesse popularem huius viri, alterum Musarum Teutonicarum decus, virum in difficillimo musicae genere facillimum, Iohannem Brahms. Quamquam autem ipse fato iniquo procul retentus est, carmen illius egregium quod ‘fatorum’ nuncupatur vesperi audietis; audietis etiam novum opus, quo non modo ceteros omnes sed se ipsum superasse dicitur. Post tot triumphos nemo negabit tanto viro consentaneam esse requiem. Ceterum quo maiore animi aegritudine illum absentem desideramus, eo elatiore gaudio praesentem salutamus Iosephum Ioachim.
[3] “Then the herald drew near, leading the good minstrel, whom the Muse loved above all other men, and gave him both good and evil; of his sight she deprived him, but gave him the gift of sweet song.” Homer, Od. Viii 61.
[4] Overture on the death of the patriot-poet Heinrich von Kleist, composed for this occasion.
…Joachim hatte mir gegenüber einmal die Aeusserung getan: “Auch in der Zeit meiner höchsten Schwärmeri für Liszt habe ich ihn niemals so spielen hören, dass nicht im geheimsten Winkel meines Inneren die Stimme der Gewissens Einspruch dagegen erhoben hätte.”
Als ich Joachim später einmal daran erinnerte, behauptete er: “das kann ich nicht gesagt haben, denn ich weiss Z. B. dass Liszt einmal mit Cossmann und mir zusammen das B-dur-Trio von Beethoven so herrlich gespielt hat, wie ich er nur jemals in meinem Leben gehört habe. Freilich, da musizierten wir drei ganz allein miteinander. Sobald nur irgendeine Dame auftauchte war es natuurlich aus mit dem Künstlerischen Ernst, und die Schauspielerei begann.” Trotz dieses seines Einwände blieb für mich die Tatsache bestehen, dass er jene Aeusserung getan hatte, und wann die Ausnahme mit dem B-dur-Trio wirklich stattgefunden hat, woran ich nicht zweifeln darf, so wurde sie ja nur die Regel bestätigen. Gewiss ist er verständlich, dass Liszt mit seinem schlechthin unvergleichlichen Klaviergenie, seinem blitzartig unmittelbaren Erfassen jeder Musik den um viele Jahre juungeren Joachim einstmals ganz und gar sich hätte zu eigen machen können. Aber so nahe sich hier die Talente berührten, so grund-verschieden seien die Charaktere. Es war eine kurze Täuschung, dass beide glaubten, einander von Grund aus anzugehören; die Wege die sie ihrem innersten Wesen nach einschlagen mussten, führten sie diametral auseinander. Liszt von früh auf das Urbild eines Virtusoen im weitesten und verwegensten Sinn des Wortes, suchte und fand bei allem was er leistete, lediglich die Triumphe seines Ichs. Kein Künstlerisches Bedenken hielt ihn in seiner Jugend ab, die Musik des Don Juan zu zerpflücken, um aus den Brocken ein frivoles Effektklavierstück zusammenzubrauen, und wiederum Meyerbeer war ihm für
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solche Zwecke ebenso recht wie Mozart oder Mendelssohns Sommernachtstraum. In Berlin spielte er in einem seiner Konzerte Beethovens Cis-moll-Sonate mit so unerhörten Tempoverzerrungen, dass die Masse zwar unbändig Klatschte, alle musikalischen Leute aber empört waren. Ein paar Tage darauf trug er dieselbe Sonate einem kleinen Kreis von Musikern vor, u-zwar dieses Mal in ganz angemessenem Zeitmass. Als die Zuhörer ihre Verwunderung darüber laut werden liessen, erwiderte er ohne Scheu, dem Publikum gegenüber müsse man andere Saiten aufziehen als den Kunstgenossen, um Eindruck zu erzielen. Seinen Schülern prägte er dann in späterer Zeit die Lehre ein, erstes Gebot beim Öffentlichspielen sei, keinen Augenblick vorübergehen zu lassen, ohne irgendwie das Publikum auf sich aufmerksam zu machen. Mit anderen Worten also: zu verblüffen um jeden Preis ist die Aufgabe des Künstlers, oder auch: der Triumph der Person ist der alleinige Zweck aller Reproduktion. Nun aber vergegenwärtige man sich dem gegenüber Joachim mit all seinem Fühlen, Tun, Streben und Wirken lebenslang, das nur darauf gerichtet war, mit der einen Kraft dem Echten, Bleibenden, wahrhaft Schönen, auch im Kampf mit mächtigsten zu dienen, sener Überzeungung treu zu bleiben, auch im Kampf mit mächtisgsten und gewissenlosesten Elementen, und man wird begreifen, dass dieses Joachim, deslebenslang mit seiner Person hinter der Sache zurück, die ihm heilig war, unmöglich im Bunde mit Liszt bleiben konnte.
Schleiermacher hat bei irgendeiner Gelegenheit den Ausspruch getan: “Grosse Gaben der Geister ohne sittliche Gesinnung sind ohne Wert.” Es liegt mir gewiss fern, die gewinnenden ethischen Züge in Liszts Persönlichkeit, seine Ritterlichkeit, seine unbegrenzte Hilfsbereitschaft jeder Bedurftigkeit gegenüber irgendwie herabsetzen oder verkennen zu wollen, aber darum bleibt es doch leider wahr, dass jenes strenge Wort auf die Künstlerschaft des vielgefeierten Mannes Anwendung findet. Der jugendliche Liszt hat auf seinem Triumpfzug durch die Welt die Heute in einen Rausch taumelhaften Entzückens versetzt wie kaum je ein anderer Sterblicher. Aber bei dem Rausch des Augenblicks hatte er auch sein Bewenden [?]. Erhoben, ergriffen, getröstet, mit Frieden erfüllt, wie es die echte Kunst unserer Meister in un-
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verfälschster Wiedergabe tut, hat er die Menschen nicht. Und wie der Meister, so seine Gefolgschaft. Liszt hat eine Schule der Willkür, der Affektation, des effektvollen Pose hinterlassen, der es leider gelungen ist, Boden im Überfluss zu gewinnen. Das Rüstzeug, dessen man sich hier bedient, um aufzufallen und geistreich zu erscheinen, besteht in unmotivierten Temporückungen, in Übertreibungen der Stärkegrade nach oben und unten hin, Übertreibungen der Kontraste sowohl in dynamischer wie in rhythmischer Beziehung, ungebührlicher Anwendung der Verschiebung und ähnlichen Dingen.
Dass Liszts Vorbild und Unterweisung auf dem Gebiet der rein technischen Seite des Klavierspiels ausserordentlich fördernd sein musste, versteht sich von selbst. Um die Bildung des Anschlags scheint er sich weniger bemüht zu haben.
Liszt hat eine ausserordentliche Menge von Kompositionen niedergeschrieben. Dass es ihm — ganz abgesehen von den Bedenklichkeiten seiner Harmonik und seines Aufbauens — an eigentlicher musikal. Erfindung so gut wie ganz gefehlt hat, wird wohl heute nur von einer kleinen Minderheit bestritten werden. Wirklich erfinderisch dagegen war er auf dem Gebiet der Klavieristischen Wirkungen. Ganz ungetrübte Freude kann man an diesen Zeugnissen seines Genies in allen den Fällen haben, wo er ein fremdes, für andere Mittel erfundenes Stück ohne irgendwelche eigene Zutaten zu einem Klavierstück umschafft. Meisterwerke dieser Art sind namentlich seine Übertragungen Paganini’scher Capricen für das Klavier. Auch eine Reihe Schubert’scher Lieder gehören hier her. Es ist unverkennbar, dass Brahms in seinen Klavierkompositionen rücksichtlich des Klaviersatzes mit grossem Erfolg bei Liszt in die Lehre gegangen ist…”
Joachim once commented to me: “Even in the time of my greatest enthusiasm for Liszt, I never heard him play in such a way that, in the innermost corner of my being, the voice of conscience did not object.”
Later, when I reminded Joachim of this, he claimed: “I can’t have said that, because I know, for example, that Liszt, Cossmann and I played the B flat Major trio of Beethoven as beautifully as I have ever heard it in my life. To be sure, the three of us were making music quite alone. As soon as some woman appeared, it was naturally all over with artistic seriousness, and the theater began.” In spite of this objection, the fact remained for me that he had made that comment, and if the exception with the B flat Major trio had really taken place, which I do not doubt, then it merely served to prove the rule. It is certainly understandable that Liszt, with his incontestably incomparable genius for the piano, with his lightning-quick comprehension of every music, would have completely captivated the many-years-younger Joachim. But as proximate as their talents were, so radically different were their characters. It was a short beguilement, that both believed that they fundamentally belonged to one another; the paths that their innermost natures compelled them to take led them in diametrically opposite directions. Liszt, from early times the epitome of a virtuoso in the broadest and most audacious sense of the word, sought and found in everything that he did merely the triumph of his ego. In his youth, no artistic scruples prevented him from picking to pieces the music of Don Juan, in order to concoct a frivolous effect-piece for piano out of the shards; Meyerbeer served him in turn just as well as Mozart or Mendelssohn’s Midsummer night’s Dream. In a concert in Berlin, he played Beethoven’s C sharp minor sonata with such egregious distortions of tempo, that, while the masses indeed clapped wildly, all musical people were outraged. A few days later, he performed the same sonata for a small circle of musicians — and this time in a completely suitable tempo. When the auditors expressed their astonishment at this, he replied unabashedly that one must string the piano differently for the public than for connoisseurs, in order to make an impression. In later time, he impressed upon his students that the first commandment of playing in public was not to let an instant go by, without somehow calling the audience’s attention to oneself. In other words, the job of the artist is to astound at any cost, or also: the triumph of the person is the sole objective of all reproduction. Picture this now in comparison with Joachim, with all his lifelong feeling, doing, striving and action directed solely, with all his strength, towards remaining true to his conviction of the genuine, enduring, truthfully beautiful — even in conflict with the most powerful and unscrupulous elements — and one will realize that it was impossible for this Joachim, who throughout his life placed his person behind the matter that was holy to him, to remain united with Liszt.
Not for thine art, not for thy heaven-taught hand
Waking again into the breathing present
With tremulous bow the passion of the Past,
Stealing with mild and subtle melody
The speechless speech of soul-dissolving sound;
Not for thy gift, O great Enchanter, but
For that which makes thy gift a sacrament
To all dim hearts, and yearning hearts, and strong.
The Freeborn impulse and the child-like soul
Towards all Beauty and all form and thought:
For this we love thee — and would learn of thee
The inner worship of a listening heart
Seizing in darkest and most saddest themes
The eternal self endowing Harmonies.
— Found amongst Joachim’s uncatalogued papers in the Newberry Library, Chicago.
Likely by Alice Buckton. “Das Sonnett von Miss Buckton muß ich liegen lassen haben; sei so gut es gelegentlich mitzuschicken. Vergiß es nicht, denn ich schätze es sehr.” (Joachim to his brother Heinrich, Berlin, den 19ten August 1889. Brahms-Institut Lübeck Signatur: Joa : B1 : 540 Inv.-Nr.: 1991.2.89.15)
I first saw Joachim at a vistit Professor Macfarren and I paid to his uncle, Mr. Figdor, residing at Tulse Hill. It was a grey, warm afternoon, and I saw a tall, genial youth, who I was told was a great violin player. I had a long game of ball with him, several times resumed, on the lawn, whilst Professor Macfarren and his uncle walked up and down on the paths at the sides of the garden. There was no music, and I remember no other people.
The song ‘Kleine Blumen, kleine Blätter,’ mentioned in your article, recalls to me that Joachim said he would like to write a song for me, and I looked out several sets of words. I must have told him of my regret that I could not sing Beethoven’s song to the above words, which I was very fond of, as it was too high for me and does not lend itself favourably to transposition. I have a dim remembrance of my surprise and pleasure to see these words set by Joachim for me. The copy was inserted into Professor Macfarren’s album.
We had returned from America in 1850, and in the first days of the Crystal Palace concerts I remember our hearing Joachim play the Beethoven Concerto and his joining us afterwards. We had our (then) little girl with us, and Joachim swung her on his shoulder to take her to look at the bears, pronouncing the word as rhyming with tears, which amused us all.
In 1854 or ’55 we took a small house in a large piece of ground in Alpha Road, St. John’s Wood, and there we saw the most we ever did of Joachim, of whom I treasure a store of delightful recollections. He was fond of the place, its shrubs and trees. He loved every spring to see the lovely blossom of an old medlar tree; took the liveliest interest in all our doings, down to some pigeons in an old shed, where he would go up a ladder to see all about them. He always brought his violin, took our early dinner with us, and if Professor Macfarren was writing anything new he wished to hear it, often playing a voice or solo part from my transcription. In successive years he brought many works to us that were appearing in Germany of Bach and others, his own fine Hungarian Concerto and other things. He played them over and over again with the earnest enthusiasm we all had noted so long. Those were happy, memorable occasions. Many a book I heard of only from him, and he often noted what we were reading in English.
In my memory he stands as one of the dearest of friends, who gave me much invaluable musical advice, for which I shall remain indebted whilst I live.
— Lady Macfarren, Recollections of Dr. Joachim, The Musical Times (October 1, 1907): 662.
§
April 17 [1901]
Lunched with Felix Moscheles. He had just finished and sent off a picture which so delighted Robert Browning that the poet became its godfather and presented it with a handsome sonnet. Amongst other guests were Joachim and Herbert Gladstone. The former was in great force. It is strange to see a man who has lived to become a classic and is associated with severity and sublimity so genial and so good a story-teller. He told us how he was getting his hair cut in Kensington, and the hairdresser proposed to snip off a certain lock which the violinist always wears behind his ear. If it is not long enough to fit into that resting-place, it falls over his forehead as he bends over the fiddle and disturbs him playing. So he is careful to keep it long.
“I should have it short,” said the hairdresser.
“Oh, no,” said Joachim, alarmed.
“Oh, yes,” the barber insisted. “Have it cut off. It makes you look like a philosopher ——”
“The barber was evidently thinking of Locke,” interrupted a frivolous guest.”
“It makes you look like a philosopher,” continued Joachim, ignoring the interruption, “or one of them German fiddlers who come over.”
— Sir Henry William Lucy, The Diary of a Journalist, New York: E. P. Dutton & Co., 1922: 134.
§ Harry B Cohn, the Montreal violinist and critic, was in Berlin for several days. While here he attended a concert of the celebrated Joachim Quartet. Asked how he liked their playing, Mr. Cohn replied: “I fully realized that there is only one quartet on earth—the Kneisel Quartet, of Boston.”
— The Musical Courier, New York (5 March 1902): 35.
§ One day his friend (and the friend of Thackeray), the late Rev. W. H. Brookfield, took him to the house of the great philosopher at Chelsea [Carlyle], and introduced him as the eminent violinist, &c. Brookfield had another engagement, so he said: ‘I’ll leave you two together,’ and departed. As Carlyle was just about to take his morning ‘constitutional’ he asked Joachim to accompany him. During a very long walk in Hyde Park the Chelsea sage talked incessantly about Germany—the kings of Prussia, Moltke, Bismarck, the war &c. At last Joachim thought that he ought to say something, so he innocently asked his irascible companion: ‘Do you know Sterndale Bennett?’ ‘No,’ replied Carlyle—(pause)—’I don’t care generally for musicians. They are an empty, windbaggy sort of people.’
— The Musical Times, London 775/48 (1 September 1907): 577.
§ Mr. Ap’M. […] has been favored with an anecdote of Joseph Joachim, in Teuton:—
Der Violinvirtuose Joachim wollte in diesem Winter in Hannover das Schlittschuhlausen [sic] noch erlernen fiel dabei tüchtig hin und sein Lehrmeister, der Bahnwärter, sagte ihm: “Ja, ja so licht is dat nicht, als Viggelin speelen.”
[This winter in Hanover, the violin virtuoso Joachim wished to learn to skate, and fell down hard. His teacher, the railroad signalman, said to him: “Ja, ja. It’s not as easy as playing the fiddle.”]
— The Musical World, London(23 April 1864): 269.
§ Once at a dinner with his intimate friends, the sisters Anna and Julie von Asten, Joachim asked “Do tell me why you have no red wine on your table to-day?”
One of the hostesses replied, “My dear Joachim, you told us last time you were here that you did not like wine with your dinner, and therefore we ordered Munich beer.”
Joachim: “To-day I want some wine very much, and I think you would do well to follow my example, for depend upon it wine is much wholesomer than beer.” Naturally the ladies hastened to fulfill the wishes of their guest, and commissioned their servant to purchase wine from a neighbouring wine-merchant. With a hearty laugh Joachim stopped them, and, feeling in the breast pocket of his coat, produced the following letter, which he proceeded to read to his astonished hostesses:—
“HONOURED HERR PROFESSOR,—Having heard that you move in good society, we permit ourselves to ask if you feel disposed to recommend new customers to our firm. You could in this way with great ease considerably augment your income, for on every order you would receive a commission of 25 per cent.—Faithfully yours,
“N. N., Wholesale Wine-merchant.”
The whole manœuvre with the red wine was only in order to see how far he was qualified for such a post! Amid roars of laughter the company testified to his qualifications as a wine-agent.
— Andreas Moser (Lila Durham, trans.), Joseph Joachim: A Biography (1831-1899), London: Philip Welby, 1901: 317-318.
§ … on a misty afternoon, with a young cousin, a friend of Miss Horsley’s, [the author] went to inquire for Mrs. Horsley, the mother of the family, who was dangerously ill in her house on Campden Hill. There was a garden in front of the house, and the door opened as we came up, and then some one who had been watching from the window ran out quickly from within, passing the maid who had come to the door, and saying: “I saw you crossing the garden. Come in, come, both of you. Come quietly; my mother is very, very ill. But Joachim is here, he has come to play to her; she wanted to hear him once more….” In a dim, curtained back room looking across another garden the dying mistress of the house sat propped up with cushions in a chair. Joachim stood with his back to the window, holding his violin, and we waited in silence by the doorway while he played gravely and with exquisite beauty. The sad solemn room was full of the blessing of Bach, coming like a gospel to the sufferer in need of rest.
— Anne Thackeray Ritchie, Blackstick Papers, New York and London: G. P. Putnam’s Sons, 1908: 60-61.
§ [Felix Weingartner] described his encounter with Joseph Joachim when, in 1907, as part of the preparation for the upcoming centennial Haydn activities, they were both invited to sit on the advisory committee of the Breitkopf & Härtel complete Haydn edition. Weingartner had had little prior contact with Joachim, who was suspicious of Weingartner’s Wagnerian and Lisztian sympathies. Non the less, at the meetings Joachim (then a man of over seventy, who would die later that year) more than once took Weingartner’s hand and asked, ‘Truly, was not Haydn indeed a great man?’
— Leon Botstein, “The consequences of presumed innocence: the nineteenth-century reception of Joseph Haydn,” Haydn Studies, W. Dean Sutcliffe (ed.), Cambridge: Cambridge University Press, 1998: 6.
§ Landon Ronald, More about Melba
A few days afterwards I received an invitation to spend Sunday at Marlow, as Joachim was staying with the prima donna. I must admit they made a funny couple together. The heavy, ponderous, learned Hungarian fiddler, used to being listened to with awe and baited breath; and the vivacious, chaffing, light-hearted prima donna, throwing all seriousness to the wind, and heartily disliking hero-worship in her own home. They were in very truth the two extremes meeting, and yet Joachim’s fascination and admiration for Melba were very real and very sincere. As far as I remember there was only one other person present, Mr. Arthur Davis, a Stock Exchange magnate, a well-known “first-nighter” and patron of concerts and opera. After dinner some informal music began. Joachim played with me several of the Brahms-Joachim Hungarian dances, and played them wonderfully. Then Melba sang a Mozart aria with violin obbligato, and eventually Joachim and I played the Kreutzer Sonata of Beethoven. Just as we were about to begin the last movement, I discovered to my dismay that we had missed the last train back to town. Davis and I had to get back, so what was to be done? There was only one way—a special train! The local station-master placed every possible obstacle in the way, but eventually, on being persuaded that the matter was of vital importance to the State, the special train was duly obtained. It was composed of one saloon carriage and an engine, and when Davis was called upon to pay for it I remember him remarking that it was the greatest and cheapest concert he had ever been to in his life.
— Landon Ronald, Variations on a Personal Theme, London: Hodder and Stoughton Ltd., 1922: 62-64.
§ JJ, Tovey, and Adila Fachiri
…but the most important friend she [Adila Fachiri] made among her great-uncle’s friends was undoubtedly Donald Tovey, then in his early thirties, as tall, dominating, authoritative and knowledgeable as Joachim himself.
The young Englishman was a scholar, composer, pianist, and conductor, of equal merit. Also one of the best educators in his musical generation. Joachim said of him that he knew more about music than any man living. According to Casals, Joachim also said that he could easily talk about music with Schumann and Brahms, but not with Tovey, ‘he knows too much’.
When Adila entered the room to meet this paragon for the first time, her great-uncle said, ‘I want you to meet the greatest musician since Brahms’. Tovey was kindly, however, and respectful when Adila joined the two in the Bach Double Concerto in D minor. He was tolerant and self-restrained and interested in other people’s points of view; and he and Adila became great friends. But Adila regarded him for the rest of his life with awe. It was her own word.
When Tovey only thirteen he had played a sonata of his own with Joachim: and later in his life Casals, whose declared opinions must be respected, made the startling comment: ‘The Brahms Concerto played by Schnabel was remarkable, but Tovey’s rendering was superior to his.’
— Joseph Macleod, The Sisters d’Aranyi, Boston: Crescendo: 48-49.
§ Bernard Scholz on Joachim and King George V of Hanover
Moritz Hauptmann, together with his tiny wife, had come to Hanover at the invitation of the King; he was to be accorded special honors, and the King asked Wehner, who was a close acquaintance of Hauptmann’s, what the old man might find especially pleasing. Wehner suggested the performance of one of Hauptmann’s violin sonatas, and the King agreed. Now, he had until then no idea of the existence of these sonatas; but that did not prevent him that evening from calling out to Joachim: “Dear Joachim, please play one of Hauptmann’s beautiful sonatas that I love so much; you know, of course, the one you always have to play for me!” Joachim was livid that he should have a role in such a comedy foisted upon him; later on, I had the greatest difficulty persuading him that the King had only wanted to honor the old master and give him pleasure, and that this untruth did not harm anyone. [i]
[i] Scholz/WEISEN, p. 147. On April 1, 1860, Hauptmann wrote to Hauser: “Susette [his wife], Helene, and I spent the first fortnight of March in Hanover, by special invitation of the blind King, who for a long time has wanted to know me personally. He likes some of my compositions, which are often sung to him by his new Cathedral Choir…. Their Majesties were very gracious. One evening, Joachim and Wehner played my G minor Sonata, Op. 5, and Frau Platzhoff sang the Violin Songs. His Majesty complimented my highly on the Sonata, which he thought very poetical, and he encored the Andante; the whole Sonata was repeated at a second Soirée. They were most friendly.” [Hauptman/CANTOR II, p. 140.]
§ E. Konold, Eine kleine Erinnerung an Joachim.
Während meiner Berliner Studienzeit im Winter 1900/01 wohnte ich dem Festbankett der Neuen Bach=Gesellschaft bei, das den Abschluß des damaligen Bach=Festes in Berlin bildete. Joachim, der die Seele der Veranstaltungen gewesen war, fehlte natürlich nicht. Ich hegte den begreiflichen Wunsch, den großen Geigenkünstler auch persönlich kennen zu lernen, und mein Tischnachbar, Dr. Waldemar von Wasielewski, der Sohn des bekannten Verfassers des Buches “Die Geige und ihre Meister”, war so liebenswürdig, mich dem Meister vorzustellen. Es entspann sich ein kleines Gespräch über meine musikalischen Bestrebungen, nach dessen Verlauf mich Joachim fragte, ob ich denn nicht Lust hätte, mich ganz der Musik zu widmen. “Dazu bin ich doch wohl schon zu alt,” erwiderte ich, “auf dieser Welt wird wohl nichts daraus werden; aber wenn ich einmal in den Himmel komme, so werde ich mich bei der Abteilung für Musik melden.” Mit einem gütigen und halb wehmütigen Lächeln das ich nie vergessen werde, klopfte mir Joachim auf die Schulter und sagte: “Dann melden Sie sich bei mir; ich komme vor Ihnen hin!”
Stuttgart. E. Konold.
—Neue Musik-Zeitung, Carl Grüninger (ed.), Stuttgart-Leipzig: vol. 28, no. 23 (5 September 1907): 500.
§ William Mason, Joseph Joachim
“Leipsic, Wednesday, September 19, 1849.” Under this date I find in my diary a note to the effect that Joachim the violinist made me a friendly call at half-past ten o’clock. I had previously called on him to present a letter of introduction which I had received in Hamburg from Mortier de Fontaine.
Joachim made a marked impression upon me as being genial and unassuming in manner. He very cordially invited me to come to his room, saying, “We will play sonatas for violin and pianoforte together.” This afforded a fine opportunity to a young piano-student, and, coming as it did without solicitation or expectation, was all the more appreciated. Less than two weeks later, on September 30, I heard him play the Mendelssohn violin concerto at the first Gewandhaus concert of the season, and was enchanted with his musical interpretation of the beautiful composition.
—William Mason, Memories of a Musical Life, New York: The Century Co., 1902: 62.