Ich bewohnte in Düsseldorf ein sehr schönes Quartier am Schwanenspiegel, einem großen Teiche, der von Gartenanlagen eingefaßt ist. Ich hatte viel Gelegenheit, gute Musik zu hören und auch dabei mitzuspielen. Das rheinische Musikfest zu Pfingsten 1855 war durch den herrlichen Gesang von Jenny Lind besonders schöne ausgefallen; in den Ouvertüren und Symphonien durfte ich am ersten Cellopult neben dem großen Cellisten Davidoff mitspielen. Als ich eines Tages in meiner Wohnung das Konzert von Molique geübt hatte, trat der Wirt in meine Stube und teilte mir mit, daß ein junger Mann seit einigen Tagen in den Stuben, die den meinigen gegenüber zu ebener Erde lagen, eingezogen sei, daß er aber sofort wieder ausziehen müsse, wenn ich noch einmal Cello spielte, den seine Nerven könnten keine Musik vertragen. Der Wirt kannte den Namen dieses Herrn nicht, Frau Clara Schumann aber habe für ihn diese Wohnung gemietet, er habe einen Violinkasten bei sich, habe aber noch nie Violine gespielt, sondern schreibe den ganzen Tag Noten. Ich sagte nun dem Wirt, er möge dem Unbekannten bestellen, daß ich nur sehr selten auf dem Cello übe und es später immer nur dann tun würde, wenn er ausgegangen sei. Am folgenden Tage trat ich eine mehrwöchentliche Dienstreise nach dem Überschwemmungsgebiet an.
Ich machte diese Reise auf meinem sehr schönen Pferde, einer falben Stute, den Mantelsack hinter den Sattel geschnallt. Nach meiner Rückkehr hatte ich den unbekannten Herrn in meinem Hause ganz vergessen, und so war ich sehr erstaunt, als es früh morgens während meines Frühstücks an meine Tür klopfte und auf mein “Herein” ein junger Mann in meine Stube trat mit den Worten: “Ich komme, Ihnen zu danken, daß Sie nicht mehr Cello gespielt haben, und um Sie aufzufordern, mit mir zusammen zu musizieren.” Trotz meiner Bitte, er möge Platz nehmen und mir seinen Namen nennen, und trotz meiner Erklärung, daß ich gar keinen Dank verdient habe, blieb er, sichtlich verlegen, immer nur bei seinem Vorschlage, ohne seinen Namen zu nennen, und meinte, er könne mit mir sehr gut ein Streichquartett verabreden, da er noch zwei tüchtige Kräfte für die zweite Violine und die Bratsche zur Verfügung habe.
Als er nun endlich auf meine wiederholte Bitte sagte, er heiße Joachim, mußte ich ihm voller Staunen erklären, daß ich nicht im stande sei, mit einem so berühmten Manne Quartett zu spielen; den schon acht Jahre vorher hatte mir Felix Mendelssohn erzählt, daß er nie einem tüchtigeren Geiger begegnet sei als dem damals fünfzehnjährigen Joachim, welcher geradezu ein Phänomen sei.
Zaghaft ging ich aber doch auf seinen Vorschlag ein, da ich ja seit dem Jahre 1837 nichts Lieberes und Schöneres kannte, als im Streichquartett mitzuspielen, auch besaß ich ja sämtliche Quartette der berühmtesten Komponisten. So wurde denn meine Stube schon an demselben Nachmittag der Hörsaal des herrlichen Joachimschen Spieles, und der Dritte und Vierte im Bunde waren die Schüler Joachims, welche ihm nach Düsseldorf nachgereist waren, die später auch rühmlichst bekannt gewordenen Musiker Bargher [Carl Louis Bargheer *1831-†1902] und [Valdemar] Tofte [*1832-†1907]. Ich sagte eben, daß meine Stube zum Hörsaal geworden sei, und wahrlich, wenn auch in derselben nur wir vier Spieler waren, so waren doch die ganzen Ufer des Schwanenteiches mit Hunderten von Menschen besetzt, welche auf unser Spiel lauschten, den wir spielten bei offenen Fenstern, und die Wasserfläche trug die Töne klar und deutlich hinüber. Nur zwei Zuhörer fanden sich später in meiner Wohnung ein, es waren Clara Schumann, die mit ihrem schwerkranken Manne nahe bei mir wohnte, und der damals 22jährige Brahms.
Wir spielten hauptsächlich Haydn, Mozart und Beethoven, mindestens drei Quartette, oft auch vier an einem Abend. Brahms setzte sich immer in die Ecke meines Sofas, mit der Hand vor den Augen, und man konnte ihm anmerken, obwohl er kein Wort sprach, daß er von dem Zauber dieser, von ihm damals noch wenig gekannten Musik tief ergriffen war. Als wir einmal das vierte Quartett spielten, und zwar eines von Mozart und mitten in dem herrlichen Adagio waren, erhob sich plötzlich Brahms, ging mit schweren Schritten zur Tür hinaus und warf sie dann sehr laut hinter sich zu. Wir waren über diese Störung höchst ärgerlich. Am anderen Tage kam aber Joachim, um mir zu melden, daß Brahms tausendmal um Entschuldigung für sein Benehmen bitte, er habe das Zimmer schnell verlassen müssen, denn es sei ihm zu Mute gewesen wie einem Seekranken, und er sei so voll von Musik gewesen, daß er keinen Ton mehr weiter habe hören dürfen.
Es wurde nun verabredet, daß wir wöchentlich zweimal spielten und zwar jeden Mittwoch bei mir Streichquartett (manchmal auch Quintett) und jeden Sonnabend bei Clara Schumann Klaviertrios und –Quartetts. Dies Vergnügen dauerte einige Monate hindurch. Es war eine herrliche Zeit für mich, denn abgesehen von der Gewalt, welche Joachim durch sein Spiel auf die Seele übte, lernte ich ihn in seiner ganzen Liebenswürdigkeit genau kennen. Meine Freundschaft mit ihm hat denn auch seitdem 48 Jahre hindurch unverändert fortbestanden, und unsere Lebenswege haben sich oft berührt.
Sehr schön war es, daß Joachim auch im folgenden Sommer 1856 seinen ganzen Urlaub von Hannover her in Düsseldorf verlebte, wieder mit mir Stube an Stube wohnte, auch Brahms hinkam, und daß das Quartettvergnügen vom Jahre vorher ebenso eifrig fortgesetzt wurde.
Als mein Freund Keudell bei mir zu Besuch war, und wir gerade am offenen Parterrefenster beim ersten Frühstück saßen, ging Joachim an unserem Fenster vorbei. Kaum hatte ich ihn Keudell gezeigt, als dieser sofort zum Fenster hinaussprang und Joachim umarmte und küßte. Verwundert fragte ich Keudell, wie er zu einer so freundschaftlichen Begrüßung Joachims gekommen sei, da er ihn doch nur einmal vor vielen Jahren bei Felix Mendelssohn getroffen habe. “Ach”, entgegnete Keudell, “ich liebe Joachim viel zu sehr, und unter den sich kennenden Musikern ist das Küssen althergebracht.”
Joachim liebte mein schönes Reitpferd ganz besonders und wünschte sehnlichst, einmal darauf reiten zu können. All mein Abraten dahin, daß das Pferd viel zu kitzlich und schwer zu reiten sei, half nichts, und Joachim bestieg auf der offenen Reitbahn neben meiner Wohnung die falbe Stute; er kniff sie aber, sichtlich um recht fest zu sitzen, viel zu stark mit seinen Schenkeln, und so fiel das Pferd zuerst in Trab, dann in Galopp und endlich in die schärfste Gangart, wo denn Joachim auf dem Pferdehals lag, um sich festzuhalten. Er fiel natürlich herunter! Voll Schreckens hob ich ihn auf und ließ ihn auch nicht wieder aufsteigen, obwohl er das, mutig genug, sofort wollte.
An den musikalischen Abenden in Schumanns Wohnung setzte sich fast immer Brahms und nicht Frau Schumann ans Klavier. Auf meine Bitte, daß sie, die große Meisterin, doch Brahms manchmal ablösen möge, erwiderte sie mir: “Ich spiele nicht gern, wenn Brahms dabei ist, denn seine Kritik ist zu scharf, und er hat leider immer Recht!” Wohl erinnerlich ist mir auch, daß Frau Schumann mir in Gegenwart von Brahms und in vollem Enthusiasmus für ihn mitteilte, daß ihr Mann oft den jungen Brahms als den zweiten Beethoven bezeichnet habe; sie lachte herzlich, als ich ihr darauf sagte, sie möge doch den jungen Mann (Brahms) nicht so fürchterlich verwöhnen. Wer von uns allen konnte damals die einstige Größe von Brahms ahnen? Das Ehepaar Schumann hat es getan!
Die Trauer der armen Frau Schumann um ihren schwerkranken Mann war jammervoll mit zu erleben. Bald wurde denn auch Schumann in die Anstalt für Gemütskranke nach Endenich bei Bonn gebracht, wo er gestorben ist. Er hat, wie mir von zuverlässiger Seite mitgeteilt wurde, schon vor Ausbruch seiner Krankheit großen Seelenschmerz darüber empfunden, daß seine Kompositionen so wenig verstanden und gewürdigt wurden, und ich selbst bin Zeuge davon, wie langsam sich die Erkenntnis seiner herrlichen Schöpfungen Bahn gebrochen hat. Wie ist es doch auch mit dem Verständnis der Kompositionen Johann Seb. Bachs ebenso langsam gegangen; gehörte nicht der ganze Fleiß der Freunde Bachs, wie namentlich Felix Mendelssohns und des Geheimrats v. Winterfeldt dazu, um die Zahl der Verehrer Bachs von ganz wenige bis zu Tausenden und Abertausenden zu vermehren? Ich selbst habe vieler Jahre bedurft, um mir innerliche Freude an Bachscher Musik zu erwerben, obwohl ich doch schon am Ende der dreißiger Jahre in dem kleinen Chore, welchen Winterfeldt sich in seinem Berliner Hause gebildet hatte, als Altist mitwirken durfte.
Eine große Freude wurde mir, als mir Joachim später die Photographie schenkte, auf welcher er und Brahms als junge Männer in der Düsseldorfer Zeit abgebildet sind: Brahms sitzend und Joachim neben ihm stehend, beide noch ganz bartlos. Als Brahms nicht lange vor seinem Tode einer Einladung nach Merseburg gefolgt war und in einem Konzert in dem akustisch vorzüglichen Saal des Gartenpavillons herrlich gespielt hatte, schickte er mir von Wien aus seine große Photographie und hatte an die Ecke desselben sein kleines Porträt aus der Düsseldorfer Zeit geklebt mit der Unterschrift: “Johannes Brahms, Düsseldorf, Wien, Merseburg. Mit verbindlichstem Dank für Ihre Liebenswürdigkeit, die auf das beste erfreut hat Ihren ergebensten alt-jungen Düsseldorfer.”
Auch Joachim hat wiederholdt in dem oben genannten Saale gespielt und seine Freude über die schöne Akustik desselben ausgesprochen. Bei den Gewandhauskonzerten in Leipzig traf ich mit Joachim öfter zusammen, und es wird mir unvergeßlich bleiben, als er mir dort mitteilte, daß er stets, wenn er öffentlich auftreten müsse, eine große Ängstlichkeit im Herzen trage, ob ihm auch sein Spiel gelingen werde. An einem Abende war er nun besonders befangen, weil seine Tochter Marie zum ersten Male im Gewandhaus sang. Ja, der erste Geiger des Gewandhaus-Orchesters sagte mir in einer Pause, daß er große Besorgnis habe, ob Joachim mit seinem Spiel zu Ende kommen würde, denn er, der neben Joachim gesessen, habe das ängstliche Zittern der rechten Bogenhand beobachtet. Ich konnte im Gespräch mit Joachim nicht begreifen, wie ihn, den großen und an das öffentliche Spielen so gewöhnten Künstler, Bangigkeit erfassen könne, und äußerte daß ich nun darüber getröstet sei, daß auch ich armseliger Dilettant stets eine große Herzensangst verspüre, wenn ich irgend vor vielen Zuhörern spielen solle. Joachim umarmte mich herzlich, als ich nun den Grund dadurch erklärte, daß man Furcht im Herzen trage, man könne irgend etwas an der heiligen Frau Musika verfehlen und sundigen.
Auch nach der Düsseldorfer Zeit, namentlich in Danzig und Merseburg, habe ich mit Joachim Quartett spielen können. Und wie herrlich waren die musikalischen Matinees, welche er in seinem Berliner Hause in der Beethovenstraße veranstaltete, und zu welchen er mich einlud. Am häufigsten aber begegnete ich ihm in der neuesten Zeit, seitdem er dasselbe Haus mit meinem Freunde Keudell in der Bendelerstraße 17 bewohnt. Dort gab Keudell eine Abendgesellschaft, zu welcher er nur die auserlesensten Künstler eingeladen hatte, welche Mitglieder der Kommission sind, die die Gelder aus dem Kunstfonds des Kultusministeriums zu verteilen hat. Keudell ist stellvertretender Vorsitzender dieser Kommission, und es waren erschienen die Maler Gebhart, Knaus, Graf Harrach, Carl Becker, die Bildhauer Schaper, Calandrelli, der Architekt Schwechten und viele andere. Dort erfreute nun Joachim mit dem ausgezeichneten Cellisten Robert v. Mendelssohn und Frau v. Keudell die ganze Gesellschaft mit den herrlichsten Vorträgen.
Große Mühe habe ich mir gegeben, das von mir hoch verehrte, so überaus glückliche Ehepaar Joachim, das leider seit vielen Jahren voneinander getrennt lebte, wieder zu vereinigen. Leider sind meine Bemühungen vergeblich gewesen! Mehrere Briefe habe ich von Frau Joachim und noch dazu zwei sehr lange aus Amerika erhalten, und wie viel tiefgehende Gespräche habe ich mit Herrn Joachim darüber geführt. Es war eine Tragik ohnegleichen, wie lieb sich beide noch gegenseitig hatten und wie doch eine Wiedervereinigung nicht zu stande zu bringen war!
Das sechzigjährige Künstlerjubiläum Joachims habe ich am 22. April 1899 mitgefeiert und zwar von 11 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachts! Kaum je ist ein Künstler mit so viel Ehren überschüttet worden, wie Joachim an jenem Tage. Von einem Orchester aus über 160 Musikern, die alle Joachims Schüler gewesen und von weit und breit nach Berlin gekommen waren, wurden die herrlichsten Musikstücke in einer Art ausgeführt, wie ich sie so vollkommen noch nie gehört habe. Eine besondere Freude hatte ich aber, daß ich an jenem Ehrentage am Mittagessen im engsten Familienkreise an Joachims Seite teilnehmen durfte. Die Gratulationsbriefe und Telegramme lagen in hohen Haufen da, und die Wohnung war über und über mit den schönsten Blumengeschenken geschmückt. Selten ist es wohl auch, daß bei Lebzeiten eines großen Mannes schon seine Lebensgeschichte veröffentlicht wird; Joachims Lebensgeschichte von Moser ist dabei so schön geschrieben, daß sie für jeden, namentlich für jeden Musiker höchst lesenswert ist.
Wie vielen großen Musikern bin ich in meinem langen Leben begegnet und habe sie persönlich kennen gelernt, aber keiner reicht meines Erachtens an die Höhe Joachims heran. Von Violinisten nenne ich nur, abgesehen von vielen tüchtigen Dilettanten, Wuerst, mit dem ich in meiner Jugend viel musiziert, die beiden alles bezaubernden Schwestern Millanollo, ferner Laub, Wilhelmi, Rebiczek etc.; von Cellospielern hört ich oft und lernte sie kennen: Servais, Franchomme, de Swert, Popper, Goldermann, Hausmann; von Klavierspielern: Liszt, der ja in den vierziger Jahren die musikalische Welt Berlins in fieberhafte Aufregung versetzte, Thalberg, Rosenthal, v. Pachmann, d’Albert, der uns oft in Merseburg besuchte und erfreute, und neuerdings noch den wunderbar begabten Hofmann, der in Merseburg erst seinen zwanzigsten Geburtstag feierte. Von bedeutenden Dilettanten auf dem Klavier nenne ich nur die mir eng befreundeten v. Keudell und seine Frau, den Oberregierungsrat Pogge und Fräulein Lulu Schulz in Merseburg. Große Sänger und Sängerinnen habe ich in zahlloser Menge gehört und kennen gelernt — aber Joachim und seine Frau haben immer in meinen Ohren und in meinem Herzen obenan gestanden.
Ernst Denhof: From “Joseph Joachim Centenary. Personal Recollections” (1931)
[…]
A Tribute to the Master
The Joachim Quartet played again in my concerts the following year (1904.) In London great preparations had been made to celebrate the 60th anniversary of Joachim’s first appearance at a Philharmonic concert in London in May 1844. (Mr Fuller Maitland in “Masters of German Music” states that Joachim first appeared at a benefit concert for the librettist, Alfred Bunn, on March 18 of that year.) During all those years he had been a frequent visitor to Edinburgh, being connected with the Philosophical Institution, of which he was made an honorary member in 1889, and was, of course, very well known. When the date was fixed for the appearance of the Quartet, a committee was formed, with Professor Niecks as chairman, for the purpose of making a suitable gesture in the Scottish Capital. Dr Joachim was to be presented with an illuminated address, and a silver laurel wreath. More than 200 invitations were issued in musical circles for the afternoon of the day of the concert, in the large hall of the N.B. Station Hotel. Professor Niecks welcomed the four artists on behalf of those present, and in presenting the address containing some 150 signatures, paid warm tribute to Dr Joachim’s great qualities as an artist and as a man. My wife then presented the laurel wreath. Dr Joachim expressed his thanks in a few words, alluding to his visits to Edinburgh, and “his great appreciation of this address from the capital of a country which had given to the world many warm strains of music in immortal melodies which would live in the heart of the musical world long after more elaborate works had ceased to find an echo.”
An Interesting Incident
That evening the Quartet again played two string quartets by Beethoven (Op. 18, No. 1, F. major, and Op. 131, C sharp minor) and I played with Dr Joachim alone the Sonata, Op. 96, G major, and in this connection there was a small incident which may not be devoid of interest to amateurs and professionals alike. As is well known, the principal subject in the first movement of this work begins on the third beat with a short trill, for which Beethoven marked no final turn. As, however, he generally wrote very exactly, especially in his later works, to which this sonata belongs, it is evident that he did not want a final turn. Both ways, with and without final turn, have their advocates, and as the passage is repeated 27 times, it is necessary that both players be agreed upon the point beforehand. In my experience the majority of professionals play it without — as I did myself. Indeed, at the start of the rehearsal, also Dr Joachim said, “Of course, without the final turn,” and so the rehearsal proceeded normally. To my great surprise, however, at the end of the development before the re-entrance of the theme where the trill occurs four times, without the notes e, d, b, which follow in other instances, Dr Joachim interrupted, and after a moment’s thought, remarked, “I almost think a final turn should be made at this place!” It would be risky to attribute this opinion to the result of deep thought or a passing whim. I had played the sonata several times before, also with Lady Hallé, but always, logically, without the final turn throughout. I can only imagine that Dr Joachim took the view that at the place in question as the trill is only fragmentary and a kind of introduction to the full theme, it would indeed be better with the final turn. Nevertheless, I am not convinced that Dr Joachim always played it with the note of complement. The fact remains that Beethoven did not mark it in any instance.
The “Human Heart”
Despite the occasion and the great success of the afternoon reception, the concert in the evening was not so well attended as previously. The ways of the public are sometimes incalculable, and it was extremely painful to me to have to present Dr Joachim with a hall only two-thirds filled. The incident, however, afforded me a glimpse of “the man” Joachim, to whom Professor Niecks had referred and of proving that he, like Liszt and Brahms, had not only genius, but a human heart. When I handed him his cheque after the concert he declined to accept the agreed sum, saying in a friendly way, “No, you cannot possibly cover expenses for this concert; we do not want you to lose, and so we have decided to meet you by accepting a smaller fee,” and in naming the sum he went so far as to say that he would be content with less still but for their own expenses. As it was they made a considerable reduction, and I make a point of mentioning the fact because in the many years of my association with artists it was the first time that any of them, realising the position, though I had not betrayed it, had offered to accept less than our arrangement, of their own accord. True, many of them treated me as a colleague in the making of terms, knowing my enterprise to be purely artistic, but once an agreement had been reached, it was strictly adhered to.
After this concert I was Dr Joachim’s guest at dinner, at which were also Halir, Wirth, and Hausmann; also Professor Niecks, whom Joachim and I both knew intimately. “En petit commité,” we passed a most pleasant evening, separating only after midnight. It was Dr Joachim’s last evening in Edinburgh. He left the next morning never to return. Three years later, on August 15, 1907, the musical world was shocked with the announcement of his death, and the loss of one of the greatest violinists that ever lived.
Isador Troostwyk, “Reminiscences of the Great Joachim by One of His Pupils,” Musical America (February 5, 1916), p. 23
Reminiscences of the Great Joachim by One of His Pupils
Isador Troostwyk
Prof. Isador Troostwyk, of the Yale School of Music Spent Three Years of Study with the Master in Berlin—Dramatic Episode in Which Joachim and Wieniawski Both Figured—Joachim’s Kindness, Strictness and Sense of Humor—”Bowing the Soul of Violin Playing”
THE death of Josef Joachim,” said Prof. Isador Troostwyk, head of the violin department of the Yale School of Music at Yale University, “brought to my memory the picture of my beloved teacher as, with Henri Wieniawski, his great contemporary, he stood on the stage of Kroll’s Theater in Berlin one afternoon nearly thirty years ago.
“It was in February, 1879, and I had then been studying with him about a year. Wieniawski was announced to give a concert at Kroll’s Theater and Joachim had invited all his pupils to attend. Wieniawski, who was already suffering with the dreadful disease, asthma, from which, strangely enough, Joachim died, was to play the Mendelssohn Concerto. As he had not played in Berlin for several years, the house was packed to its utmost capacity.
“After the orchestra played the few opening bars of the Concerto, Wieniawski commenced the lovely theme of the first movement, when suddenly in the middle of the cadenza he was seen to throw up his arms and motion that he was unable to continue playing. Great consternation prevailed, but after a short interval, a chair was brought to him and he resumed playing in a sitting position. Again he broke down, this time so completely that he was carried from the platform.
“Joachim at once went to Wieniawski and volunteered to substitute for him. The offer was gladly accepted and, dressed in his walking suit, with Wieniawski’s violin under his arm, Joachim went upon the stage and played the ‘Chaconne’ by Bach in such an inspiring way as to arouse the audience to the highest pitch of enthusiasm. With the orchestra sounding fanfares and the wild cheering of Berlin’s music lovers the climax was reached when Wieniawski, who had revived, wishing to show his appreciation, led Joachim upon the stage and embraced him heartily. The event was all the more important, as, at that time, Wieniawski and Joachim, who had been lifelong friends, were not on good terms. Needless to say, it healed the breach.
Kind, but Strict
“That is only one of the many instances,” continued Professor Troostwyk, “of Joachim’s kindness to his fellow artists and his pupils, and in the three years I studied with him I found him always the same generous master. I was not sixteen, the required age, when I took the examinations at the Royal High School of Music at Berlin, of which he was director, but through him I was granted special privileges and allowed to enter. ‘You have not a good violin, my little Hollander,’ said Herr Joachim to me after a few lessons. ‘I will lend you one.’ And, at my next lesson, to my great astonishment and delight he appeared with a splendid Guarnerius from his world-famous collection of violins. During my three years at the school I had this beautiful instrument to use, even taking it home to Holland with me on my annual vacations from July to September.
“But, though kind, the great master was also most severe and strict, and could be extremely sarcastic. In fact few of his pupils escaped the biting edge of his keen and witty tongue. To the diligent ones he was always obliging and encouraging, and marvelously patient for one nervously constituted. He was merciless where bowing was concerned and his desire to impart the secret of his genius with the bow made him indefatigable in his effort to make his pupils worthy of their teacher.
“‘Remember, my little Hollander,’ he would say to me, patting me on the shoulder, ‘der Bogenstrich ist die Seele von Violinspielen.’ (Bowing is the soul of violin playing.) It is said his teaching may be recognized everywhere by the bowing of his pupils.
“Joachim was to me the veritable grand old man. He was then in his prime, a tall, splendidly formed man, with white hair and beard and kind brown eyes peering through large glasses. When playing, however, off would come his glasses, though he was extremely nearsighted. As I remember, he was very careful and conventional as to his dress, with the exception of his large black hat, which set carelessly on his white hair and gave a picturesque touch to his imposing figure. He was charming to meet socially and a brilliant conversationalist, and when he appeared at our club, which met every Saturday night, we were sure of a delightful evening. He had always a droll tale to tell, often at his own expense, but more often at the expense of his pupils.
Hatred for Wagner
“The hatred of Joachim for Wagner and his music was one of his characteristics and, like all his pupils, I soon learned that the name of the great German composer was taboo with my teacher. He never allowed his pupils to play his music and when Wagner came to Berlin in ‘79, the great violinist did not attend. His pupils were also advised to stay away, but, like the others, I risked his wrath and was present at the concert.
“During my three years under Joachim in Berlin, many of the world’s famous musicians visited that city. Max Bruch was associated with the school and other members of the Berlin musical coterie were Hans von Bülow, Brahms and Franz Liszt, with Sarasate a frequent visitor. It was a very painful period for Joachim, as during that time he separated from his wife, Amalia Weiss, the contralto, from whom he was afterward divorced. It was said he felt the separation keenly and I remember distinctly his fits of depression. Mme. Joachim, whom I met once, was a woman of great personal charm and very kind to her husband’s pupils.
“Joachim’s sense of humor was one of his marked characteristics and I remember well with what gusto he told me the following story: He was on a concert tour in Holland and spent several days in Amsterdam. It was a particularly severe winter and the grachts (canals) were covered with a thick ice crust. Everybody was enjoying the skating and the baanvegers (sweepers) had a busy time keeping the grachts clean. Having taken up his abode at the Amstel hotel, which is located on the principal gracht, the Amstel, Joachim could watch from his window the merry crowd of skaters. His interest grew until he, too, felt a desire to skate, though he had never before indulged in this sport.
“However, it looked so easy that he secured a pair of skates and boldly struck out. The result was as painful as it was surprising; but Joachim picked himself up, and, nothing daunted, dashed off again, with precisely the same result and added pain. For nearly an hour the great violinist whirled wildly about on his new skates, the baanveger, who had heard him play at a concert the evening before, watching him from the bank. Finally Joachim landed in a most undignified heap, almost at the feet of the sweeper. ‘Ah, Mynheer!’ quoth that functionary, ‘you see skating is not as easy as fiddling!’”
Thanks to Jenny Elowitch for calling my attention to this article.
Ernst Rabich, Haus und Kirchenmusik, vol. 1, no. 1 (January 1, 1897), p. 15.
Aus Robert Schumann’s letzten Tagen
Aus Robert Schumanns letzten Tagen veröffentlicht Ed. Hanslick in der “N. Fr. Pr.” bisher noch ungedruckte Briefe des geistig erkrankten Komponisten. Sie sind an Brahms und Joachim gerichtet und Hanslick leitet diese Veröffentlichung folgendermassen ein: “Brahms hatte auf die Nachricht von Schumanns Erkrankung sofort seinen Wohnsitz in Düsseldorf genommen, um in dieser schweren Prüfungszeit Frau Clara und ihren Kindern trost- und hilfreich zur Seite zu stehen. Schumann hatte zuerst an dem jungen Brahms das grosse Talent erkannt und anerkannt — jetzt bekam die Familie Gelegenheit, sein Herz kennen zu lernen. Brahms war der häufigste und willkommenste Besucher in Endenich; er kam wöchentlich ein-, auch zweimal zu dem Kranken, der mit zärtlicher Liebe an ihm hing. Sein Erscheinen wirkte offenbar freundlich beruhigend auf Schumann, mit dem er von dessen Angehörigen und über Musik sprach, auch vierhändig spielte. Sonst gestattete der Arzt nur sehr selten nahen Freunden den Zutritt zu Schumann, dem jede Aufregung sorgsam fernzuhalten war. Clara selbst durfte ihn erst ganz kurz vor seinem Tode sehen, als er nicht mehr sprechen konnte. Joachim schreibt mir bei Übersendung des letzten Schumannbriefes: “Ich habe Schumann dreimal in Endenich besucht; das erste Mal hatte ich trostreiche Eindrücke, es war ganz sein freundlicher Blick, das liebreiche, tieftreue Auge, wie es uns auch aus so vielen seiner Notenreihen, von schönen Welten träumend, entgegenleuchtet. Er sprach viel und hastig, freilich, frug nach Freunden und musikalischen Vorgängen und zeigte mir alphabetische Register von Städtenamen, die er emsig zusammengestellt. Als ich fort wollte, nahm er mich noch geheimnisvoll in eine Ecke (obwohl wir unbeachtet waren) und sagte, dass er sich von da wegsehne; er müsse von Endenich weg, denn die Leute verständen ihn gar nicht, was er bedeute und wolle. Es schnitt mir ins Herz! Zum Abschiede begleitete er mich noch ein Stück auf die Chausee und umarmte mich dann. (Ein Wärter war in der Ferne gefolgt.) Die beiden weiteren Male schwand leider jeder Hoffnungsschimmer; zusehends hatte er auch körperlich wie geistig abgenommen.”
Ethel Smyth, Impressions that Remained, New York: Alfred A. Knopf, 1946, p. 251; p. 354.
From Ethel Smyth: Impressions that Remained
Ethel Smyth
f the Joachims I saw a good deal. She was the finest contralto I ever heard, and until she got too fat, the Orpheus of one’s dreams. Joachim according to all English people was of course perfection, but I saw him in another setting and never wholly liked him — perhaps among other reasons because trouble was even then brewing in his house and all my sympathies were with the wife, who, though socially far less than satisfactory than her husband, was a warm, living human being. I wished she would not crawl under the supper table in a fit of New Year jollity, armed with a hat-pin, but why did Joachim allow it, I ask myself. Why did he sit there serenely at the head of the table looking like a planed-down Jupiter and utter no remonstrance? In a certain letter Rubinstein’s answer to this riddle may be found, though obviously grotesque, it proves that I was not the only Joachim-heretic in the world. That evening Joachim told me he had just heard Melba, and raved about her; “How can one speak of coldness,” he asked, “in connection with such phrasing?” Perhaps he knew that the same accusation was often levelled against himself, and in both cases it is obvious what people meant — the “coldness,” compared to Renaissance work, of the Delphic Character, which is not to everyone’s taste.
Elisabeth (Lisl) von Herzogenberg to Ethel Smyth
Leipzig, November 5, 1882
… And this man [Anton Rubinstein] maintains in his blind madness the German “inwardness” (Innerlichkeit) means nothing, or rather is another word for impotence, whereby of course he is thinking of Brahms! He said some nice things about the ugly Joachim affair, and thinks he started the whole business in order to marry an English Lady Somebody! “If that is so,” he added grimly, “then I have no use for his Beethoven Concerto and his inwardness and all the rest of it!” Though this is nonsense from the point of view of art, humanly speaking it was warm and sympathetic, and I was glad to hear the frivolous R. talking in that style.
I have not told you, I think, that Frau Joachim has been here and that I visited her in her hotel. I considered it my duty, though it wasn’t easy, for I dreaded what the impression might be. But it was good beyond all expectation; she threw her arms round my neck, sobbing, and was so simple — merely the mother, the lioness robbed of her cubs — that I was deeply touched. Still I cannot get rid of the feeling that she has let herself drift in the direction of cheap, trivial, sentimental yearnings, and gazed forth right and left with moderate lust of conquest; not with any evil intention, but after the fashion of people whose souls are poorly furnished. Things are different now; I think sorrow has ripened and ennobled her, and that took hold of me. Her despair when she speaks about the children (they have taken the daughters to England) is so touching. Imagine! not a soul, except Frau O. and myself went to see her, and in Berlin everyone cuts her — so cowardly and evil is the world! And the worst of all are the virtuous women, who make me perfectly furious. [1]
[1] Later, when Herzogenberg accepted a post offered him by Joachim at the Hochschule, Lisl did not call on Frau Joachim, who was still living in Berlin. [Original footnote.]
Hans Küntzel, Brahms in Göttingen, Göttingen: Edition Herodot, 1985, pp. 96-98.
Agathe von Siebold: Göttingen, Summer of 1857
(from Allerlei aus meinem Leben)
Agathe von Siebold
(*1835 — †1909)
in wunderschönes Jahr war dann für mich das Jahr 1857, wo im Sommersemester Joseph Joachim sich Studierens halber in Göttingen aufhielt. Gekannt hatte ich den großen Künstler schon früher, aber näher bekannt und befreundet wurden wir erst durch meinen Freund und Lehrer Julius Otto Grimm, den mit Joachim eine enge Freundschaft verband. Es war ein ganz herrlicher Sommer, den ich da verlebte. Täglich die herrlichste Musik oder schöne Ausflüge in die Wälder. Joachim hatte auch verschiedene Schüler für die Zeit seines Göttinger Aufenthaltes nach sich gezogen, die des Meisters Unterricht hier genießen wollten: Adolf Bargheer, nachmals Musikdirektor in Basel, Friedemann Bach, ein Nachkomme des großen Sebastian, Herner, der erst Orchestermitglied in Hannover, dann Musikdirektor und Kapellmeister dort wurde. Dieser Herner war ein äußerst begabter Mensch, ein musikalisches Genie. Fast auf allen Instrumenten vermochte er zu spielen, wenn auch die Geige sein Hauptinstrument war. Auf dem Cello war er sehr tüchtig, und dieses Instrument spielte er auch in den häufig stattfindenden Kammermusik-Zusammenkünften, wo Joachim selbstverständlich an der ersten Geige saß, Bach an der zweiten, während Adolf Bargheer Bratsche spielte. Es gesellte sich dann später noch Carl Bargheer, der ältere Bruder von Adolf hinzu, Geiger und Kapellmeister in Detmold. Gott, war das schön! Ich lebte wie in einem Meer von Glück und Entzücken. Immer, alle Tage, die wunderbare Musik und das fröhliche Zusammensein im Grimmschen, in unserem, im Dirichletschen Hause. Auch ich fand Beachtung mit meinem Gesang und Joachims damalige Lieblingsstücke, den Liederkreis an die ferne Geliebte von Beethoven, und die wunderbar schönen schottischen Lieder mit Cello und Geige und Klavierbegleitung von Beethoven sangen wir wochenlang alle und alle Tage. Als mein Lehrer J. O. Grimm einmal ein paar Wochen verreisen mußte, da bat er Joachim, mit mir indessen Musik zu treiben, und da kam der große Künstler fast alle Tage und ließ mich seine und meine Lieblingslieder singen. Auch tat er mir einmal die Ehre an und spielte die G-dur Geigensonate von Mozart mit mir und war dabei so schön geduldig, wenn ich in meiner Weise stümperte oder Taktfehler in der letzten Variation machte. Dann hielt er nachher wohl seine Hand geöffnet hin und sagte: “Ich bitte mir von Ihnen so und so viel Achtel (oder Viertel oder Sechzehntel) aus, um die Sie mich betrogen haben.” Meine Stimme hatte er gern und verglich den klaren, hohen Sopran wohl mit einer Amati-Geige. Ich erinnere mich noch ganz genau des Abends, wo ich ihm zuerst, und was ich ihm vorsang. Das war bei Dirichlets, der Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy. Frau Rebekka hatte mir aus Berlin von Frau Fanny Mendelssohn eine Arie von dem alten italienischen Meister Porpora mitgebracht, die Joachim nicht kannte. Dieselbe hatte ich bei Grimm einstudiert und trug sie nun vor, und außerdem eine Arie von Händel aus dem Josua: “O, hätt’ ich Jubals Harf etc.” Ich glaube, ich zog mich damals ganz anständig aus der Affäre, denn Joachim war sehr freundlich, und von der Zeit an durfte ich immer mit musizieren. Dann erinnere ich mich auch noch meines Geburtstages, des 5. Juli, wo ich 22 Jahr alt wurde. Grimm gab an dem Tage, ein Sonntag war’s, eine seiner Matinéen im Ritmüllerschen Saal. Joachim spielte, und ich sang die Haydn’sche Schöpfungsarie “Nun beut die Flur.” Dies Mal machte ich es wirklich gut, denn sowohl Joachim wie auch Julius Hey, der nachherige Gesangsprofessor, sagten mir viel Erfreuliches.
Wunderherrlich, voll Schönheit und Poesie, waren auch die gemeinsame Ausflüge. Oft lagen wir im Wald oder am Waldrand im Schatten und lasen uns schöne Sachen vor: z.B. Brentanosche Novellen “Die mehreren Wehmüller,” Indische Sagen, übersetzt von Holzmann u.s.w., und die Romantik dieser Werke paßte so ganz und gar, so harmonisch zu der ganze Poesie unseres Daseins. Es war eine so herrliche und reiche Zeit, wie ich sie vorher nie gekostet hatte, und tief ist sie in mein Gedächtnis eingegeraben. Auch sie mußte ein Ende nehmen. Ich mußte mit der Mutter auf Reisen gehen. So schön die Aussicht gewesen wäre, ins Fichtelgebirge, dann nach München und nach Berchtesgaden zu gehen, jetzt freute ich mich kein bißchen darauf, reiste sogar sehr ungern ab, denn Joachim und die anderen lieben Musikanten blieben noch in Göttingen, und ich mußte scheiden.
Henry J. Wood, My Life of Music, London: Victor Gollancz Ltd. 1938, pp. 183-185.
JOACHIM (1904)
Henry Wood ca. 1906
The outstanding event of the 1904 season was the diamond jubilee of Joseph Joachim. A wonderful reception was given for him in Queen’s Hall on Monday, May 16. The president was Arthur James Balfour whom, for the first time, I had the honour of meeting. On the programme appeared a delightful poem by Robert Bridges and, on the second page, a reproduction of a pencil drawing by Frau Moritz Hauptmann; also a recently-taken photograph.
I opened the concert with Mendelssohn’s Hebrides Overture. I may say that, in those early days of my conducting, Mendelssohn was not a great favourite of mine; I was more devoted to Bach, Beethoven, Brahms, and Wagner. Joachim, on the other hand, had known Mendelssohn personally — indeed, he had played with him. He was naturally devoted to Mendelssohn’s works. I was therefore not a little proud of the result of my conducting of the Hebrides overture, for it brought nothing but words of praise from Joachim.
Later, that amazing personality Sir Hubert Parry read, and Balfour presented an illuminated address to Joachim together with his portrait by Sargent. The second item on the programme was announced as ‘solo violin’, and someone went into the artists’ room and brought Joachim’s fiddle-case which he opened amid tremendous applause and enthusiasm. I began the introduction to Beethoven’s violin concerto and Joachim gave a memorable performance of it with his own cadenza. This was followed by his arrangement of Schumann’s Abendlied for violin and orchestra. The musical part of the programme closed with Joachim conducting his own overture to Shakespeare’s King Henry IV (written in 1885) and also the Brahms Academic Festival Overture.
In his address Balfour referred to Joachim’s association with Mendelssohn and told us how the composer conducted the concerto we had just heard when Joachim played it at the Philharmonic concert of May 27, 1844. He then addressed Joachim thus:
“Learning from Mendelssohn and working with Brahms and in the comradeship of life-long friends, you have devoted your whole energies as executant and composer to continuing the tradition and maintaining the ideal of classical music. We now hold it that the sixtieth anniversary of your first appearance in London should not pass without greeting. Your first thoughts as a performer have ever been for the composer, not for yourself.”
The list of the committee and subscribers numbered six hundred and three and contained all the greatest names in music, literature, painting, and even politics.
Of Joachim I always felt that one was in the presence of a Hungarian gentleman of great intellect, and although his playing lacked the emotional depth of that of dear Ysaÿe, his was a quiet classical serenity free from any trace of exaggeration and always musical and scholarly. Joachim was always conscious of his dignity; one could never have the fun out of him that was possible with Ysaÿe. He was a great friend and always a welcome guest at the house of Edward Speyer in Elstree — generally known as the ‘Elstree Speyer’, and cousin to Sir Edgar. Those two did not quite hit it musically: Edgar was all out for the modern in music, Edward for the strictly classical.
Wilhelm Altmann, Joseph Joachim †, Die Musik, Vol. 6 No. 24 (1906/1907), pp. 319-329.
Wilhelm Altmann (*1862 — †1951) was a German historian, musicologist and librarian. In 1900, he was named head librarian at the Königliche Bibliothek in Berlin, and in 1905 he became a professor of music there. After 1906, he was founding director of the Deutsche Musiksammlung at the Royal Library. From 1915 to 1927 he was director of the Music Division of the Preußische Staatsbibliothek. A violinist, he was a connoisseur of chamber music, and the author of several handbooks on the chamber literature.
Unverwüstlich schien Joseph Joachims Gesundheit zu sein, unverwüstlich seine Freude am öffentlichen Auftreten, die er zuerst am 17. März 1839 gekostet hatte, unverwüstlich auch der Erfolg, der seit seinen Knabenjahren ihm immer ein treuer Begleiter gewesen war. Da trat an den fast Sechsundsiebzigjährigen Ende März dieses Jahres, als er mit seinem Quartett auf einer Konzertreise in Wien weilte, der Engel des Todes mahnend heran. Es war ihm zwar noch vergönnt, seinen Berliner Quartettzyklus zum Abschluss zu bringen, bei dem Bonner Kammermusikfest und dem dritten (Eisenacher) Bachfest mitzuwirken, ja selbst noch in London zu konzertieren, wohin er sich seit 1844 alljährlich zu begeben pflegte, allein die Hoffnung, dass der Künstler uns in der nächsten Saison noch erhalten sein würde, durfte man kaum noch hegen. Zu den ernstesten Besorgnissen hatte man Grund, als gegen Ende Juni das Konzert der Königlichen Hochschule, in dem Joachim den “Elias” seines väterlichen Freundes und geistigen Wohltäters Mendelssohn aufführen wollte, wegen Erkrankung des greisen Künstlers an Influenza abgesagt wurde. Seitdem schwebte sein Leben in Gefahr, obwohl noch mancher Tag nicht gerade hoffnungslos sich anliess, bis in den ersten Augusttagen ein Schlaganfall sich einstellte, dessen Folgen der Altmeister der Geige am 15. August, nachmittags um 1 ¾ Uhr, erlegen ist.
Für das Kunstleben, und zwar nicht bloss das Berliner und Londoner, bedeutet sein Hinscheiden einen schweren Verlust, der vielen unersetzlich erscheinen dürfte. Der Zauber, den der Name Joachim ausströmte, die Verehrung, die er bei jung und alt genoss, war unbeschreiblich. Um so schwieriger ist es, so bald nach seinem Tode sein Wirken mit ruhiger Objektivität zu beurteilen. Sicher ist: seine Zeit war erfüllet; er ist von uns gegangen, nachdem er seine Mission beendet hatte. Vielleicht wäre sein Ruhm uns noch heller erchienen, wenn er freiwillig zugunsten jüngerer Kräfte schon vor einigen Jahren sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hätte. Aber er brauchte wohl, um frisch zu bleiben, den Beifall und die Liebe des Publikums. Es war dies vielleicht eine kleine Schwäche an ihm; er war eben auch ein Mensch. [1]
Versuchen wir im folgenden in grossen Zügen sein Leben zu schildern und uns klar zu machen, was er als ausübender Künstler, als Lehrer seines Instruments, als Dirigent und auch als Tonsetzer geleistet hat. Wir werden sehen, dass er zu den Auserwählten gehört hat, dass seine Lebensarbeit eine ungemein fruchtbare gewesen ist, dass man ihm viel zu wenig Ehre angedeihen lassen würde, wollte man ihn nur als Geigerkönig bezeichnen.
Er hat die oft ausgesprochene Behauptung, dass aus einem Wunderkinde nie ein Künstler ersten Ranges werden könne, aufs glänzendste widerlegt. Als siebentes Kind einer nicht unbemittelten Kaufmannsfamilie ist er am 28. Juni 1831 in dem kleinen, etwa eine Stunde Wegs südlich von Pressburg gelegenen ungarischen Flecken Kitsee geboren worden. In Pest, wohin seine Eltern schon 1833 übergesiedelt waren, erhielt er schon frühzeitig Violinunterricht bei dem Konzertmeister der dortigen Oper Serwaczynski. Mit Staunen vernehmen wir, dass dieser Künstler mit ihm bereits am 17. März 1839 ein Doppelkonzert von Eck öffentlich vortragen konnte. Auf dringendes Anraten einer Wiener Cousine wurde der kleine Geiger, dessen Talent allgemein bewundert wurde, bereits im Sommer desselben Jahres nach Wien gebracht, um hier zunächst von dem berühmten Geiger Georg Hellmesberger sen., bald aber von dem hervorragenden, als Haupt der Wiener Schule geltenden Geigenpädagogen Joseph Böhm (1795 — 1876) zum Virtuosen und auch tüchtigen Musiker herangebildet zu werden. Fünf Jahre blieb Joachim in der österreichischen Hauptstadt, die damals noch in musikalischer Hinsicht weit mehr tonangebend als heute war, und studierte in diesem Zeitraum mit solcher Hingabe und solchem Ernst, dass sein Lehrer ihm schliesslich nichts mehr beibringen konnte und ihm riet, sich seinen letzten Schiff in Paris zu holen.
Doch wieder griff jene Cousine ausschlaggebend in sein Leben ein. Sie hatte mittlerweile infolge ihrer Verheiratung Wien mit Leipzig vertauscht und war so voll des Lobes über das Musikleben dieser Stadt und über deren musikalische Koryphäen, insbesondere über Mendelssohn und Robert Schumann, dass Joachims Eltern sich bewogen fühlten, den Knaben nach der Pleissestadt zu schicken. Hier öffnete ihm sein Talent bald alle Pforten; insbesondere nahm sich seiner Mendelssohn auf das freundlichste und nachhaltigste an. Dieser fand, dass der Wunderknabe keinen Lehrer für sein Instrument mehr nötighabe, veranlasste ihn aber, seine thoretischen Studien bei Moritz Hauptmann, dem berühmten Lehrer des Kontrapunkts und Thomaskantor, fortzusetzen und vor allem auch seine allgemeine Bildung durch gründlichen Unterricht in wissenschaftlichen Fächern zu vervollkommnen; er besorgte ihm auch in dem Magister Hering eine ungemein geeignete Lehrkraft und hatte bald die Freude, dass der “Teufelsbraten”, wie er den jungen Joachim zu nennen pflegte, auch in den Wissenschaften gut heimisch wurde. Neben Mendelssohn, mit dessen Familie Joachim bis zu seinem Tode in den inngsten Beziehungen blieb, förderten ihn auch Schumann, dessen Frau er später in reichstem Masse seine Dankbarkeit beweisen konnte, und Ferdinand David in jeder Hinsicht. Diesem spielte er gelegentlich Werke, die er neu studiert hatte, vor.
Das erste öffentliche Auftreten Joachims in Leipzig fand in einem Konzert der Sängerin Viardot-Garcia am 19. August 1843 statt; er trug, von Mendelssohn auf dem Klavier begleitet, dem Geschmack der damaligen Zeit entsprechend, ein Konzertstück von — De Bériot vor. Bereits im folgenden Jahre finden wir ihn zum ersten Male in London, wo von da ab keine Konzertsaison ohne sein Auftreten mehr möglich zu sein schien. Hier spielte er am 27. Mai 1844, und zwar unter Mendelssohns Direktion, das damals noch wenig beachtete Violinkonzert von Beethoven, [2] das er dann im Laufe der Jahre geradezu populär gemacht hat. Natürlich war auch Mendelssohns Violinkonzert bald eine ständige Nummer seines Repertoires, das in bezug auf Geigenkonzerte sich in den letzten Jahren ausserdem auf die Bachschen, auf die Mozartschen (namentlich in A-dur und D-dur), Viotti’s a-moll No 22, die Spohrsche Gesangsszene, auf sein ungarisches und sein G-dur Konzert, auf Bruch No. 1 und 3 und vor allem auf Brahms (auch Doppelkonzert) erstreckte; dazu kamen noch an Werken mit Orchesterbegleitung die gern gespielte Schumannsche Fantasie und die Romanze von Bruch op. 42.
Auch nach Mendelssohns Tod blieb Joachim noch in Leipzig, wo er als zweiter Konzertmeister dem Gewandhausorchester angehörte. Als er im Oktober 1850 einem Rufe als Konzertmeister nach Weimar folgte, schied er von “Klein-Paris” mit dem sicheren Bewusstsein, sich hier eine höhere künstlerisch-ästhetische Bildung angeeignet zu haben, sowie im Besitz eines höchst gediegenen, dem Virtuosenstandpunkt durchaus entgegengesetzten musikalischen Geschmacks zu sein. Es war ganz natürlich, dass in Weimar die eminente Persönlichkeit seines grossen Landsmannes Franz Liszt, der ihn auch berufen hatte, auf Joachim einen sehr starken Einfluss ausübte. Mit ihm zusammen komponierte er eine ungarische Rhapsodie “für Klavier und Violine”, die er später fast verleugnet zu haben scheint; unter Liszts Einfluss entstand im Stile von dessen symphonischen Dichtungen, bald nachdem Joachim im Anfang des Jahres 1853 als Königlicher Konzertmeister nach Hannover übergesiedelt war, seine “Hamlet”-Ouvertüre. Als er sie an Liszt am 21. März 1853 sandte, schrieb er dabei folgende bedeutungsvolle Worte: [3] “Der Kontrast aus der Atmosphäre hinaus, die durch Ihr Wirken rastlos mit neuen Klängen erfüllt wird, in eine Luft, die ganz tonstarr geworden ist von dem Walten eines nordischen Phlegmatikers [4] aus der Restaurationszeit, ist zu barbarisch! Wohin ich auch blicke, keiner, der dasselbe erstrebt wie ich; keiner statt der Phalanx gleichgesinnter Freunde in Weimar. Die Kluft zwischen dem heftigsten Wollen und dem unmöglichen Vollbringen gähnte mich verzweifelt an. Ich griff da zum ‘Hamlet’. Die Motive zu einer Ouvertüre, die ich schon in Weimar habe schreiben wollen, fielen mir wieder bei.”
Durch Liszt trat Joachim auch in Beziehungen zu Richard Wagner, dessen “Lohengrin” ihn hoch begeistert hatte; nach dem Karlsruher Musikfest 1853 besuchte er in Gemeinschaft mit Liszt, Hans v. Bülow, Peter Cornelius u. a. den grossen Verbannten, der aus seinem Züricher Asyl zum Treffpunkt nach Basel gekommen war. Von ihm erhielt er denn auch zum Sittener Musikfest 1854 eine Einladung. Man kann sich denken, wie schmerzlich Wagner und Liszt es empfanden, als Joachim, für den in Hannover die Stellung eines Konzertdirektors geschaffen worden war, sich ihnen mehr und mehr entfremdete, bis er 1860 in Gemeinschaft mit Brahms, Julius Otto Grimm und Bernhard Scholz sich von ihnen öffentlich lossagte. [5]
Diese Sinnesänderung Joachims ist in erster Linie auf seine Freundschaft mit Johannes Brahms zurückzuführen, der mit ihm durch den Geiger Remenyi bekannt geworden war. Als sie einander kennen lernten, stand Joachim sowohl als reproduzierender wie auch als schaffender Künstler weit über Brahms, war sich aber sofort darüber klar, was in diesem schlummerte. “Er war nicht nur der erste überhaupt,” sagt Andreas Moser, “der Brahms’ Genius in seiner ganzen Bedeutung erkannte, sondern, was ungleich schwerer wiegt, er hat trotz aller Misserfolge, von denen die meisten seiner [Brahms’] Werke bei ihrem Erscheinen begleitet waren, ungeachtet aller persönichen Anfechtungen, in unerschütterlicher Treue an ihm festgehalten und keinen Tag seines Lebens das volle Vertrauen auf den endlichen Sieg seines Freundes verloren.” Je mehr sich in Joachim die Erkenntinis von Brahms’ Bedeutung bekräftigte, um so weniger hatte er Neigung, selbst sich als Komponist zu betätigen. Ursprünglich bestand in bezug auf das Schaffen zwischen beiden gleichstrebenden Freunden ein edler Wetteifer; jahrelang sandten sie sich regelmässig alle acht Tage Studien im doppelten Kontrapunkt, Kanons, Fugen, Präludien, Choräle, Variationen und dergleichen zu, die sie aufs strengste gegenseitig prüften, um auf diese Weise Meister des musikalischen Satzes zu werden. Von Hannover aus besuchten sie auch zur Vervollkommnung ihrer Bildung Vorlesungen an der Universität Göttingen.
Bereits in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts galt Joachim als der erste der lebenden Geiger; allgemein wurde schon damals anerkannt, dass bisher noch niemals ein Virtuose sich so dem Musiker untergeordnet habe. Wilh. Joseph von Wasielewski, einer der sachverständigsten Beurteiler, schrieb im Jahre 1860 folgendes Urteil über Joachim nieder, das in geradezu mustergültiger Weise die treffendste Charakteristik über den Geiger Joachim abgibt: “Joachims unvergleichliches Violinspiel zeigt das wahrhafte Musterbild, das Ideal eines vollkommenen Geigers mit Beziehung auf unsere Gegenwart natürlich. Weniger kann und darf man nicht von ihm sagen, aber auch nicht mehr, und es ist genug. Was aber diesen ersten aller lebenden Violinisten ausserdem so hoch über das jetzige Virtuosentum nicht bloss seiner Fachgenossen, sondern der ganzen Musikwelt hinaushebt ist die Tendenz, in der er seinen Beruf ausübt. Joachim will nicht Virtuose im herkömmlichem Sinne, er will Musiker vor allen Dingen sein. Und er ist es — ein bei seiner absolut dominierenden Stellung um so nachahmenswerteres Beispiel für all jene, die vom Dämon kleinlicher Eitelkeit besessen, immer nur ihr langweiliges Ich zur Schau stellen wollen. Joachim macht Musik, seine eminente Leistungsfähigkeit befindet sich allein im Dienste der echten, wahren Kunst, und so ist es recht. Man muss diesen Künstler dafür besonders lieb und wert halten.” Nicht vergessen darf auch werden, dass Joachim der Geigerwelt die Solo-Sonaten von Bach eigentlich erst erschlossen, dass er sie, for allem die Ciaconna aus der vierten Sonate, ausserdem auch die sogen. Teufelstriller-Sonate von Tartini geradezu populär gemacht hat.
Die Wertschätzung Joachims wuchs in noch höherem Masse, als er 1869 in Berlin, wohin er von Hannover zunächst als Privatmann übergesiedelt war, beauftragt worden war, die Königliche Hochschule für Musik mit ins Leben zu rufen. [6] Er hat hier eine wahre Hochschule für Geiger begründet; seine zahlreichen Schüler sitzen als Konzertmeister nicht bloss in den ersten Orchestern Deutschlands, sondern auch Englands und Amerikas. Mit Recht durfte sein Biograph Andreas Moser sagen: “Es dürfte schwer fallen, für die hingebende Treue und gewissenhafte Pflichterfüllung, mit der Joachim vom Tage der Gründung bis auf die heutige Stunde dem Ausbau und der Entwicklung der Hochschule seine besten Kräfte gewidmet hat, ein auch nur annäherndes Beispiel an die Seite zu stellen. Nur der lauterste Idealismus und das freudige Bewusstsein, Gutes und Segenbringendes zu stiften, können die aufopfernde Mühewaltung erklären, die er an seine Schöpfung gewendet hat.” [7]
Dass er die Hochschule vorwiegend in musikalisch-konservativem Sinne leitete, war bei seinem ganzen Entwicklungsgang nur natürlich, doch hätte es nichts geschadet, wenn mit den Modernen [8] etwas mehr Fühlung genommen worden wäre. Dass aber die Nennung des Namens Richard Wagners bei Joachim verpönt gewesen sei, wie bisweilen behauptet wurde, entspricht nicht den Tatsachen: liess es sich doch gar nicht umgehen, dass in den Orchesterübungen Fragmente aus Wagners Werken aufgelegt und studiert wurden. Gehindert hat Joachim auch keinen seiner Schüler, sich an die “Modernen” anzuschliessen. Die gesamten Hochschüler hingen jedenfalls an ihm wie an einem Vater; dies zeigte sich auch bei jeder Gelegenheit.
Noch leben in unser aller Gedächtnis die imposanten Feierlichkeiten, die anlässlich seines fünfzigjährigen (1889) und sechzigjährigen (1899) Künstlerjubiläums stattgefunden haben, Feiern, die beredtes Zeugnis ablegten von der ungemeinen Verehrung, deren sich der grosse Künstler allgemein erfreute. Er hat übrigens, seitdem die Königliche Hochschule besteht, nie Privatunterricht erteilt, obwohl namentlich die reichen Ausländer ihm gern dafür das denkbar höchste Honorar gezahlt hätten. Vielfach hat er jungen strebsamen unbemittelten Leuten tüchtige Lehrer aus eigener Tasche gehalten, wie er denn überhaupt seine Kunst und auch seine Börse oft und stets gern in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt hat.
Unvergessen darf in dieser Hinsicht auch nicht bleiben, was er alles für das Berliner Philharmonische Orchester [9] getan hat, um dessen Weiterbestand in kritischer Zeit zu sichern.
Neben seiner Tätigkeit an der Königlichen Hochschule, wo er auch einen Teil der Orchesterübungen abhielt, wirkte Joachim auch eifrigst in der musikalischen Sektion der Königlichen Akademie der Künste, deren Vice-Präsident er seit einer Reihe von Jahren gewesen ist. Eine Zeitlang veranstaltete die Akademie sogar eigene Konzerte unter Joachims Leitung. Seit etwa 20 Jahren aber hat dieser den ihm aus seiner hannöverschen Zeit liebgewordenen Taktstock nur bei den Festlichkeiten der Akademie und den Aufführungen der Hochschule geführt. Es war sein stiller Kummer, dass selbst in den Reihen seiner wärmsten Anhänger sich Leute befanden, die an sein Direktionstalent nicht recht glauben wollten. [10]
Um so mehr wurde allgemein anerkannt, was Joachim als Quartettspieler in der geistigen Durchdringung der Tonwerke und besonders im seelenvollen Vortrag der langsamen Sätze geleistet hat. Bald nach seiner Übersiedlung nach Berlin gründete er hier ein Streichquartett, das am längsten in der Zusammensetzung Joachim, de Ahna, [11] Wirth und Hausmann bestanden hat und sich die Pflege der klassischen Quartettmusik, besonders der letzten Beethovenschen angedeihen liess. Erst das Joachim-Quartett hat diese rein transcendentale Musik enthaltenden Werke grösseren Kreisen erschlossen, wenn auch schon Laub mit seinem Quartett vorgearbeitet hatte. Während alle sonstigen Quartettvereinigungen in Berlin nicht sonderlich prosperierten, war bei dem Joachim-Quartett die Singakademie bis aufs Podium hinauf stets ganz gefüllt. [12] Es hat auch sonst überall, wohin es gekommen ist, die grösste Anerkennung gefunden; selbst in den letzten Jahren, wo dem greisen Führer die Finger nicht mehr ganz gehorchen wollten, war nur eine Stimme, dass die geistige Auffassung und die Frische des Vortrages nach wie vor einzigartig seinen. Zu bedauern ist nur, dass die Quartette moderner Komponisten von ihm höchst selten aufs Programm gesetzt wurden. Berücksichtigt hat er eigentlich nur Komponisten, die keine Neuerer waren und vor allem von Brahms ihm empfohlen wurden, so z. B. Dvořak, den Prinzen Reuss, Robert Kahn, Ernst von Dohnanyi, doch kamen auch wohl, namentlich in früherer Zeit, Ausnahmen vor. Selbstverständlich stand der Name Brahms sehr oft auf den Programmen. Das Übergewicht dieser Persönlichkeit in Joachims Anschauungen und Handeln war so gross, [13] dass er derüber manchem, auch der klassischen Richtung zugewandten Komponisten nicht die genügende Beachtung schenkte, so z. B. Friedrich Kiel und Heinrich von Herzogenberg, obwohl diese sogar an seiner Seite gewirkt hatten.
Als solist ist der Altmeister, der auf seinen Konzertreisen früher fast überall hingekommen und unsagbar gefeiert worden war, in Berlin in letzter Zeit nur noch selten aufgetreten; er fühlte doch wohl, dass sein Gehör etwas nachgelassen, sein Ton allmählich zu klein geworden war, um in den grossen Sälen dem Orchester gegenüber sich behaupten zu können. Wenn er aber spielte, was er besonders gern in den Konzerten der Meininger Hofkapelle, als diese noch unter Fritz Steinbach stand, tat, so fühlte man ordentlich, wie er innerlich wieder jung wurde. Und wie dankbar erwies sich das Publikum; es konnte nicht oft genug den Altmeister, der bei seinem Erscheinen auf dem Podium schon Huldigungen wie ein gekröntes Haupt empfing, immer wieder von neuem herausrufen, um ihm womöglich noch eine Zugabe abzulocken.
Bereits oben habe ich von dem Komponisten Joachim gesprochen. Ich wollte die chronologische Schilderung seines Lebensganges nicht durch Eingehen auf seine Werke unterbrechen und stelle nun erst zusammen, was er veröffentlicht hat, nämlich zunächst die mit Opuszahl erschienenen Werke und dann die ohne Opuszahl in ihrer ungefähren Zeitfolge.
op. 1. Andantino und Allegro scherzoso für Violine mit Orchester oder Pianoforte. Leipzig, Fr. Kistner
op. 2. Drei Stücke für Violine mit Pianoforte (Romanze, Phantasiestück, Frühlingsphantasie). Leipzig, Breitkopf & Härtel.
op. 3. Konzert (in einem Satze) für Violine mit Orchester oder Pianoforte; ibidem.
op. 4. Ouvertüre zu “Hamlet” für Orchester; ibidem.
op. 5. Drei Stücke für Violine und Pianoforte; ibidem.
op. 9. Hebräische Melodien (nach Eindrücken der Byronschen Gesänge) für Viola mit Pianoforte; ibidem.
op. 10. Variationen über ein eigenes Thema für Viola und Pianoforte; ibidem [c. 1859].
op. 11. Konzert in ungarischer Weise für Violine mit Orchester oder Pianoforte; ibidem.
op. 12. Notturno für Violine mit Orchester oder Pianoforte. Berlin, Simrock.
op. 13. Ouvertüre für grosses Orchester (dem Andenken des Dichters Heinrich v. Kleist), g-moll; ibidem.
op. 14. Szene der Marfa aus Schillers unvollendetem Drama “Demetrius” für Mezzosopran und Orchester oder Pianoforte; ibidem.
Rhapsodie Hongroise (zusammen mit Franz Liszt). Leipzig, J. Schuberth & Co.
Romanze für Violine mit Pianoforte. Leipzig, C. F. Kahnt [c. 1855].
Song. Rain, rain and sun in: Album of Settings of Tennyson.
“Ich hab’ im Traum geweinet.” Für eine Singstimme mit Pianoforte. Cassel, Luckardt [c.1870], jetzt Berlin, Raabe & Plothow.
Zwei Märsche für grosses Orchester (C-dur und D-dur). Berlin, Simrock [c. 1870].
Variationen e-moll für Violine mit Orchester oder Pianoforte. Berlin, Bote & Bock.
Konzert G-dur für Violine mit Orchester oder Pianoforte (in Hannover zu Anfang der 60er Jahre entstanden, aber 20 Jahre später umgearbeitet veröffentlicht). Berlin, Bote & Bock.
Ouverture [14] zu einem Gozzischen Lustspiel für grosses Orchester. Berlin, Simrock.
Violinschule (zusammen mit Andreas Moser), drei Bände; ibidem; 1905-07 (eigene Kompositionen Joachims im zweiten Bande).
Für ein so langes Leben sind das nicht eben viel Kompositionen. Weit grösser dürfte die Zahl der ungedruckten sein, die Joachim aus Resignation [15] in seinem Pulte zurückbehalten hat. Was er aber veröffentlicht hat (wunderbarerweise kein Streichquartett), ist fast durchweg wertvoll, zeugt von feinem, vornehmem Geschmack und ausgezeichneter Satzkenntnis. Schumannscher Einfluss ist darin entschieden mehr wahrzunehmen als Mendelssohnscher. Die drei Violinkonzerte, von denen das Brahms gewidmete ungarische bedeutend genannt werden muss und manches Eigenartige, besonders in der grossen Kadenz durch den Zutritt einzelner Orchesterinstrumente zu der Solostimme, enthält, sind durchweg in symphonischem Stil gehalten. Wenn man diesem ungarischen Konzert und dem in G-dur, dessen c-moll-Mittelsatz der Widmung an das Andenken an Giesla Grimm geb. von Arnim Rechnung trägt, verhältnismässig viel zu selten in den Konzertsälen begegnet, so liegt dies an den ausserordentlichen Anforderungen, die darin nicht bloss an den Solisten in jeder Hinsicht gestellt sind. Viel gespielt sind die geradezu klassisch zu nennenden Variationen, die übrigens Pablo de Sarasate gewidmet sind. Die zwei Werke, die Joachim für Bratsche komponiert hat (op. 9 und 10), stammen aus einer Zeit, wo man an eine Heranziehung dieses Instruments für Solozwecke noch höchst selten dachte; Joachim hat nämlich für die Bratsche eine gewisse Vorliebe gehabt und bis in die letzte Zeit gelegentlich in Konzerten sie als soloinstrument benutzt. Die Orchesterkompositionen Joachims stammen wohl ausschliesslich noch aus seiner hannöverschen Zeit. Auffällig ist die geringe Zahl seiner Vokalkompositionen, zumal er, wie wir noch sehen werden, mit einer Sängerin verheiratet war.
Zu den Kompositionen kommen noch eine kleine Anzahl von Bearbeitungen, von denen einige sich grosse Beliebtheit erfreuen. Es sind dies:
Franz Schubert, Grosses Duo op. 140. Für Orchester bearbeitet. Berlin, N. Simrock.
Brahms, Ungarische Tänze für Violine und Pianofortebearbeitet. 4 Hefte. Gleichfalls bei Simrock.
Beethoven. Drei Kadenzen zu Beethovens Violinkonzert op. 61, in zwei verschiedenen Ausgaben. Wien, Haslinger und Berlin, Schlesinger.
Rob. Schumann, op. 85, No. 12. Abendlied für Violine mit Orchester oder Pianoforte. Leipzig, J. Schuberth & Co.
Brahms. Kadenz zum Violinkonzert op. 77 von Brahms. Berlin, Simrock.
Im Gegensatz zu den anderen Geigern ist Joachim, obwohl er sich dadurch einen grossen Geldgewinn hätte verschaffen können (auch hierbei zeigte es sich wieder, dass er kein Geschäftsmann war), als Herausgeber klassischer Werke verhältnismässig nur wenig tätig gewesen. Wenn ich nicht irre, hat er sich als Herausgeber nur auf folgenden Werken genannt:
Archangelo Corelli, Werke. London, Augener (in Chrysanders Denkmälern).
Mendelssohn, Violinkonzert, Streichquartett, Quintette und Oktett, Klaviertrios. Berlin, Simrock.
Beethoven, Violinsonaten und Streichquartette. Leipzig, C. F. Peters.
Endlich hat er, gewissermassen als Vermächtnis an die Geiger, in dem dritten Bande der “Violinschule” von Andreas Moser, die auch seinen Namen mitträgt, die bedeutendsten klassischen Violinwerke, wie er sie vorzutragen pflegte, d. h. mit seiner Phrasierung, seinen Bogenstrichen, seinem Fingersatz und vor allem seinen Kadenzen veröffentlicht. Man vergleiche nur einmal damit ähnliche Ausgaben anderer Geiger, um zu erkennen, wie pietätvoll diese Joachimsche und wie nützlich sie für die Geiger ist.
Gedenken wir endlich nach dem Künstler auch der Freundschafts- und Familienverhältnisse Joachims, so hat ein grosser Kreis in him sein Oberhaupt verloren. Freilich hat sich die Schar der Gelehrten, Maler, Bildhauer, Musiker und sonstigen Persönlichkeiten, die den Künstler als Freund und Menschen über alles geliebt haben, durch den Tod schon gelichtet; so waren ihm z. B. Hellmuth von Moltke, Robert von Keudell, Carlyle, Tennyson, Hermann von Helmholtz und Herman Grimm nicht zu vergessen, Bettina von Arnim und Frau Enole Mendelssohn geb. Biarnez vorangegangen. Aus der reichen Korrespondenz, die Joachim namentlich mit zahllosen Künstlern geführt hat, wird hoffentlich noch mehr veröffentlicht werden als der Briefwechsel mit Brahms, den Andreas Moser bald im Auftrage der Deutschen Brahmsgesellschaft herausgeben wird.
Im Jahre 1863 verheiratete sich Joachim mit einer ihm kongenialen Künstlerin, der berühmten Altistin Amalie Schneeweiss (Künstlername Weiss), doch musste sich das Ehepaar nach neunzehnjährigem Zusammenleben leider trennen. Drei Söhne und dre Töchter sind dieser Ehe entsprossen, aber nur die älteste Tochter ist zeitweise dem Berufe der Eltern gefolgt. [16] Als Familienvater soll Joachim das Ideal eines treu sorgenden, unermüdlich auf das Wohl und Gedeihen seiner Kinder bedachten Vaters gewesen sein.
Wer ihm nahe gekommen ist, dem erschien er als Mensch ebenso gross wie als Künstler: er war eine “anima candida”. Sein Name wird unvergessen bleiben.
[1] Vgl. das ausgezeichnete Lebensbild Joachims von Andreas Moser (Berlin 1896).
[2] Am 16. Mai 1904 spielte Joachim bei dem grossen ihm zu Ehren anlässlich seines 60jährigen Auftretens in London veranstalteten Konzerte gleichfalls das Beethovensche Konzert und dirigierte seine Ouvertüre zu “König Heinrich IV”, — Am 8. März 1877 war er von der Cambridge Universität zum “Doctor of Music” ernannt worden, eine Auszeichnung, auf die er besonders stolz sein konnte.
[4] Gemeint ist damit wohl der hannoversche Intendant Graf Platen. [Or, more probably, Heinrich Marschner. — RWE]
[5] Vgl. Eduard Reuss, Franz Liszt, ein Lebensbild, S. 300 ff. und Kalbeck, Joh. Brahms I, S. 419 ff. — Rich. Wagner sagt in den “Aufklärungen über das Judentum in der Musik” (Schriften, 3. Aufl., Bd. 8, 245): “Mit dem Abfalle eines bisher warm ergebenen Freundes, eines grossen Violinvirtuosen, trat jene wütende Agitation gegen den nach allen Seiten hin grossmütig unbesorgten Franz Liszt ein…”
[6] Rich. Wagner sagt in seiner Schrift “Über das Dirigieren” (Schriften, 3. Aufl. Bd. 8, S. 336) “Eine solche Schule ohne Herrn Joachim zu begründen, wo dieser zu gewinnen war, hätte jedenfalls als bedenklicher Fehler erscheinen müssen. Was mich für diesen hoffnungsvoll einnimmt, ist, dass nach allem, was ich über sein Spiel erfahren habe, dieser Virtuos den Vortrag kennt und selbst ausübt, welchen ich für unsere grosse Musik fordere; somit dient er mir neben Liszt und den zu seiner Schule Gehörigen als einziger sonst mir bekannt gewordener Musiker, auf welchen ich für meine obigen Behauptungen als Beweis und Beispiel hinweisen kann. Es ist hierbei gleichgiltig, ob es Herrn Joachim … verdriesslich ist, in diesen Zussammenhang gestellt zu werden … Dünkt es Herrn Joachim nützlich, vorzugeben, er habe seinen Vortrag im Umgange mit Herrn Hiller oder R. Schumann so schön ausgebildet, so kann dies auf sich beruhen, vorausgesetzt, dass er nur immer so spielt, dass man daraus den guten Erfolg eines mehrjährigen vertrauten Umganges mit Liszt erkennt.”
[7] Trotzdem wird sich jetzt eine Reorganisation der Hochschule, vor allem die Abschaffung des mehrköpfigen Direktoriums wohl als notwendig herausstellen; die jetzige Form des Direktoriums war gewählt worden, da Joachim, der seit 1888 zwar den Titel eines Direktors führte, eigentlich aber nur Vorsteher der Instrumentalklasse war, ein sechsmonatiger Urlaub im Jahre zu Konzertreisen zugestanden war. Die Schaffung eines Verwaltungsdirektors wird sich jetzt wohl als notwending ergeben. In den letzten Jahren hat man mehr oder minder öffentlich bereits Nachfolger für Joachim genannt. Unter allen diesen Persönlichkeiten dürfte als “Direktor” Fritz Steinbach sicherlich die geeignetste sein, doch wird er kaum Neigung haben, seine glänzende Kölner Stellung aufzugeben. Ein offenes Geheimnis ist es, dass Joachim den Wunsch gehabt hat, noch bei seinen Lebzeiten seine Geigenlehrstelle an der Hochschule Henri Marteau zu übertragen, dass dieser Künstler aber abgelehnt hat. Einer von den wenigen Schülern Joachims, die ihm als Geiger wirklich nahe gekommen sind, ist der junge Karl Klingler. Karl Halir galt lange dafür. Hoffentlich beachtet man bei der Wahl, dass ein vollendeter Geiger nicht immer auch ein vortrefflicher Lehrer ist. Dass in den letzten Jahren die “Hochschule” eine führende Stellung unter den ähnlichen Instituten eingenommen habe, werden wohl selbst ihre eifrigsten Anhänger nicht behaupten. Inzucht rächt sich immer. Das Lehrermaterial weist zu wenig markante Persönlichkeiten auf. Auch die vielfach beklagte, freilich nicht zugegebene Bevorzugung der Ausländer müsste ein Ende nehmen. Klagen (ob immer berechtigt, lasse ich dahin gestellt) über die Art der Aufnahmeprüfungen und besonders über die Bevorzugung von Schülern bestimmter Lehrer, namentlich in der Opernschule, hat man auch recht oft gehört.
[8] Bei Konzerten, in denen hochmoderne Werke aufgeführt wurden, war Joachim höchst selten zu sehen; noch weniger bei Opernpremieren.
[9] Vgl. meine “Chronik des Berliner Philharmonischen Orchesters”.
[10] Schon R. Wagner schrieb am Schlusse seiner Schrift “Über das Dirigieren”: “Der Taktstock soll ihm nicht recht pariert haben.” An heftigen Angriffen gegen den Dirigenten Joachim haben es Berliner Rezensenten besonders in den achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts nicht fehlen lassen.
[11] An de Ahnas Stelle, der die drei ersten Jahre Bratsche gespielt hatte, trat nach dessen Tode (1892) zunächst Johann Kruse, der aber 1897 infolge seiner Übersiedelung nach England durch Karl Halir ersetzt wurde; dieser behielt daneben die Führung seines eigenen Streichquartetts weiter.
[12] Freilich war der Besuch des Joachim-Quartetts für manchen nur Modesache; verirrte sich doch kaum einmal einer der Stammgäste Joachims z. B. in eine Soirée des so vorzüglichen Brüsseler Streichquartetts. Man ging weniger hin, um ein Quartett als um den Künstler zu hören. — Ein schönes Bild einer Joachimschen Quartettsoirée malte Menzel. Dieser pflegte bis zu seinem Tode auf einer Seitenbank der Singakademie, so oft Joachim-Quartett war, zu sitzen.
[13] Brahms liebte bekanntlich Bizets “Carmen” ungemein. Infolgedessen soll dieses Werk die einzige moderne Oper gewesen sein, die bei Joachim und daher auch bei dem ganzen Lehrerpersonal der Königlichen Hochschule Gnade gefunden hat! Solche Geschichten wurden gern kolportiert.
[14] In Grove’s Dictionary of Music (new edition) ist diese Ouvertüre als op. 8 bezeichnet; als op. 6 ist dort die unveröffentlichte Ouvertüre zu H. Grimms “Demetrius”, als op. 7 die gleichfalls unveröffentlichte Ouvertüre zu “Heinrich IV.” angegeben.
[15] Wagner sagt am Schlusse seiner Schrift über das Dirigieren, meines Erachtens mit Unrecht: “Auch das Komponieren scheint ihn mehr erbittert als andere erfreut zu haben.”
[16] Es ist dies Marie Joachim, eine hervorragende dramatische Sängerin, die zuerst in Elberfeld, dann in Dessau und Weimar, zuletzt am Casseler Hoftheater gewirkt hat und mit besonderem Glück als “Fidelio” und “Walküre” aufgetreten ist. Die zweiter Tochter, Josefa, war vor ihrer Verheiratung Schauspielerin.
An address written by Sir Frederick Pollock, and delivered by Hubert Parry in Queen’s Hall at the Diamond Jubilee (sixtieth anniversary celebration) of Joachim’s English début.
t a time known only by hearsay to most of us, you first brought before an English audience the promise of that performance which has been eminent among two generations of men; which, in gaining an unrivaled wealth of experience, has had no loss to count but that of novelty; which we still welcome as a continuing delight, and which will remain for many generations more as a tradition and example to be prized by those who are born too late for the happiness of immediate knowledge. It was under the auspices of Mendelssohn that you played Beethoven’s Violin Concerto at the Philharmonic Society’s concert on May 27, 1844. No combination could have been more prophetic of your career, though neither its duration in time nor the singular quality of its achievement was then within any probable foresight.
At that day the fine arts, and music among them, languished in this country. It was not understood that the function of art is to be not merely the recreation of a privileged class, but an integral element of national life. We have now learnt to know and to do better. Opportunities of becoming acquainted with the music of the great masters have been multiplied tenfold, and the general competence of both execution and criticism has been raised beyond comparison. This great and salutary change which we have witnessed in the course of the last generation is largely due to your exertions. Learning from Mendelsohn and Schumann, and working with Brahms in the comradeship of lifelong friends, you have devoted your whole energies, as executant and as composer, to continuing the tradition and maintaining the ideal of classical music.
We now hold it fitting that the sixtieth anniversary of your first appearance here should not pass without a special greeting. The welcome we offer you is alike for the artist who commands every power of the trained hand, and for the musician whose consummate knowledge and profound reverence for his art have uniformly guided his execution in the path of the sincerest interpretation. Your first thoughts as a performer have ever been for the composer and not for yourself. In no hour have you yielded to the temptation of mere personal display, and the weight of your precepts in one of the greatest musical schools of Europe is augmented by the absolute fidelity with which your example illustrates them.
The present occasion will, we hope, be memorable of itself. None the less, we desired that you should possess a visible record of it. Mr. Sargent has brought us the willing and generous aid of a sister art, and we have the pleasure of presenting to you the portrait of yourself, which he has employed no common zeal to complete within the time at his disposal.
As the names of Mendelsson, Schumann and Brahms link you in a special manner with the great masters of the past, this concert includes some of their work. We rejoice that it is your pleasure to take an active part which will enhance for both performers and hearers the significance of this commemoration.
From For My Grandson. Remembrances of an Ancient Victorian, pp. 123-126.
In the latter days of Joachim’s work in England the relations of the quartet with the firm who had for many years been their managers became unsatisfactory, and in 1900 a body of guarantors was formed under the name of the Joachim Quartet Concerts, afterwards the Joachim Concerts Committee, to take over the enterprise. It came into action in 1901, and continued for several years with complete success. The survivors of the first executive committee include my friend Mr. Edward Speyer (who was the specially active founder), Mr. Douglas Freshfield, and myself; Alma Tadema’s name stood at the head. Later Mr. Hugh Godley, now Lord Kilbracken, Lord Monteagle (the present), and Sir Herbert Thompson joined us; later still, after Joachim’s quartet ceased to be heard here, and the name was changed to the Classical Concerts Committee, Mr. Rowe, now the Under-Treasurer of Lincoln’s Inn and still active in the cause of good music.
There is a seeming paradox about the functions of a committee of guarantors. In this, as in every kind of suretyship, a real and substantial responsibility is undertaken as being the necessary means of obtaining credit for some purpose in which the undertaker is interested. In almost every case the surety hopes with more or less confidence that he may not be called upon. But in the case of a common enterprise backed by guarantees the confidence has to amount to something like an act of faith: for an actual calling up of the sums guaranteed or any considerable part of them would signify the failure of the enterprise. […]
Joseph Joachim Portrait by John Singer Sargent (1904) Presented to Joachim on the occasion of his Golden Jubilee (Art Gallery of Ontario, Toronto)
In our case the plan was quite successful. Joachim’s quartet continued to play regularly in London till 1906, within a year of his death, and the Classical Concerts Committee was active till 1912. It was finally wound up some years after the War, and a small balance remaining in its hands was applied — alas! for the purpose being necessary — to the benefit of Joachim’s family. Twice the Committee took the lead in rendering special honours to Joachim. In 1904 he celebrated the diamond jubilee of his first appearance in England in 1844. On the 16th of May a reception followed by a concert was held in Queen’s Hall. An address written by myself was read by Hubert Parry, and then, together with a portrait of Joachim by Sargent, presented to Joachim by Arthur Balfour. The musician himself took an active part in the concert as both soloist and conductor. My friend Robert Bridges contributed a sonnet which may be seen in his Poetical Works (ed. 1914, p. 377).
The address was printed with the program me but not otherwise published, so I reproduce it as an appendix: I took some pains about it and understood that Joachim was pleased with it.
Then, in 1908, Joachim having died in August 1907, a memorial concert was given in London under the direction of the Committee (Jan. 23). Dr. Allen, of Oxford, conducted, Lady Hallé was the violinist — the most fitting for the occasion, for she had constantly played with Joachim — and Dr. Tovey contributed a short but very instructive estimate of Joachim as an original musician. It may be that in your time, when his execution is only a recorded memory, his musical genius will be more fully appreciated.
More than a score of years later I was again in the company with my old colleague, Mr. Rowe, in honouring Joachim’s centenary at Lincoln’s Inn […]