Siegfried Stern, “Joseph Joachim” in Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben, vol. 37, no. 24 (Berlin: 13 June 1908), 375-377.
Joseph Joachim.
Ein Gedenkwort zum Geburtstag des Meisters (28. Juni).
Von Dr. Siegfried Stern (Königsberg).
Wie eine schwere Erschütterung durcheilte die Kunde von dem Ableben Joseph Joachims die Kreise der Gebildeten: das Gefühl, als sei mit ihm nicht nur eine bedeutende künstlerische Individualität zu Grabe gegangen, sondern als sinke hier eine schöne, einzigartige Erfüllung der Idee des reinen und großen Künstlerthums ins Nichts unwiederbringlich zurück, dieses Gefühl ist sicher in den Meisten lebendig, denen es gegönnt war, die Schöpfungen seiner geweihten Priesterhand mit ganzer Seele zu erfassen. Es mag befremdlich erscheinen, daß ein Künstler der vorwiegend reproducirenden Gattung den hohen Begriff der Kunst in solcher Vollkommenheit sollte ausprägen können, ein Künstler, auf den die Prädikate des Genies mit seiner neue Bahnen weisenden Schöpferkraft nur in bedingtem Sinne anwendbar erscheinen. Aber die Schöpfungen der Musik bedürfen eben, um zu ihrer eigentlichen Wirkung zu gelangen, in viel höherem Grade der Vermittelung durch die darstellenden Künstler, als die aller anderen Künste, sogar als die der dramatischen Poesie. Die sinnliche Vergegenwärtigung ist hier ein viel unabweisbareres Bedürfniß, als bei jenen, und darum erfordert jede productive Leistung, um ihren eigentlichen Beruf zu erfüllen, die reproductive Ergänzung durch künstlerische Interpreten. Und in dieser „Ergänzung” ist das Feld für die höchste Auswirkung der künstlerischen Persönlichkeit gegeben, nicht weniger fast als auf irgend einem Gebiet der frei erschaffenden Kunst: auf ihm hat Joseph Joachim als die reichste und vollkommenste Ausprägung des Gattungsbegriffes zu gelten.
Selbstlose Hingabe an sein Werk fordern wir mit Recht von jedem wahren Künstler — und vielleicht muß sie in noch anderem, tieferem Sinne vom reproducirenden geleistet werden, der uns die Schöpfungen des Genius in treuem Spiegel zeigen und keinen andern Zweck kennen soll, als den, jene Gebilde rein und unverfälscht der Mit- und Nachwelt vorzuführen. Dazu ist größte Selbstentäußerung nöthig — bescheiden tritt er als bloß vermittelndes Medium zwischen uns und jene Werke und findet sich belohnt genug, wenn man ihn selbst vergißt über den Abbildern, die er vor uns aufleuchten läßt. Aber mit dem besten Willen ist es hier selbstverständlich so wenig gethan wie bei irgend einer andern Kunstleistung. Neben der specifischen Begabung ist hier Voraussetzung die große umfassende künstlerische Individualität, die die Lösung jener Aufgaben erst möglich macht. Ein Unterschied zwischen dem freischaffenden und nachschaffenden Künstler besteht aber darin, daß jener seine Individualität frei walten lassen darf, während dieser, um verschiedenen künstlerischen Individualitäten gerecht zu werden, die eigne zur Universalität zu erweitern streben muß. Das sind Gedanken, die, wie alle ästhetischen Gesetze, nicht aus irgend welcher Theorie, sondern in diesem Fall so unmittelbar aus der besonderen Art des Joachimschen Genius abgeleitet scheinen, daß er als echter Künstler hier sich Richtung gebend erweist für jene Normen, die der nachhinkende Verstand erst aus der ästhetischen Erfahrung der höchsten Kunstleistungen zu schöpfen pflegt. Und in der That! Wir haben es in Joachim mit einer solchen wundervollen Offenbarung zu thun. In seinen Interpretationen verschwand er selbst, und das entzückte Ohr vermittelte der Phantasie in nie geschauter Klarheit jene Welt der musikalischen Heroen, die in verklärter reiner Geistigkeit zu uns herabzusteigen schienen. Er war ein Theil von ihnen; es war, als hätten sie seiner reinen Seele ihre tiefsten, unaussprechlichen Geheimnisse anvertraut, ihn selbst zu ihrem Kündiger erwählt, daß er die Menschen Theil haben lasse au [an] den Segnungen, die als Zeugnisse höherer harmonischer Sphären uns blinden Sterblichen gegönnt sind. Niemand hat mit größerem Rechte je den Namen eines Priesters seiner
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Kunst getragen. Er brachte reines Feuer vom Altar; ihm war gegeben, im Hörer jene tiefe Andacht, jenen schönen Ausgleich im Spiel der Seelenkräfte zu erzeugen, die als echte ästhetische Stimmung die Vorfrucht aller sittlich guten Regungen ist. Und welch ein Gestaltenreichthum entfloß den Tönen seiner Geige! Für jede, auch die kleinste Nüance der Empfindung stand ihm der adäquate Ausdruck zu Gebote, und farbenreiches Leben schien unter seinen Händen zu erblühen, wenn er jenen Werken wie frischen, selbstgeschaffenen Wesen die Sprache seiner Kunst lieh. Und hatte man ein Stück von ihm gehört und glaubte man, nun ein für alle Mal den Schlüssel für die Geheimnisse seines Inhalts zu besitzen, da konnte man ein zweites Mal eine völlig andere Deutung, ja scheinbar ein neues Werk unter seinen Fingern bewundernd erstehen sehen, und ein drittes Mal wieder etwas völlig Neues — kurz die Genien unserer großen Meister bewährten an ihm in einziger Weise ihre zeugende Kraft, sie machten ihn selber productiv und seine Phantasie zu einem unerschöpflichen Born, aus dem er je nach Gefallen und Eingebung die edelsten und buntesten Schätze hervorholte. Aber trotz der freiesten Bewegung in jener Welt der Grazien und Musen, war bei ihm jede Willkür streng verbannt, — ihm hatte sein Genius den Zauberstab des schönen Gleichmaßes als höchstes Geschenk des Lebens in die Wiege gelegt, der nur durch unablässige strenge Selbsterziehung rein und schlackenlos erhalten wird, und dessen Wunderkraft entschwindet, wenn man ihn mißbraucht. Mir schien das Wort, das Winkelmann für die Antike geprägt, immer ganz besonders auf Joachims Kunst zu passen: edle Einfalt und stille Größe! Das Naiv-Unbewußte, das Erhabene und doch so Schlichte wird dadurch treffend gekennzeichnet; er besaß eben das Geheimniß der Form in einem Grade, wie es nicht nur der jetzigen, sondern vielleicht allen Generationen, die er miterlebt hat, nicht mehr eigen war. Nur ein Element bedarf noch der besonderen Hervorhebung, das in jener Charakteristik seiner Kunst nicht mitgetroffen ist, bei ihm aber in wunderbarer Fülle vorhanden war: seine Kunst war geistvoll in eminentem Sinne. Welch überraschende Lichter hat er oft den besten Kennern bei der Wiedergabe der klassischen Kammermusik aufgesteckt, welch reiche Schätze in Beethovens letzten Streichquartetten, die er als erster im Concertsaal heimisch machte und dadurch der Mitwelt erschloß, aus tief verborgenem Schachte ans Licht gezogen! Und hier, wo seine Vorgänger und ein großer Theil seiner Zeitgenossen vor scheinbar unlösbaren Aufgaben standen, hier zeigte sich neben der staunenswerthen bildnerischen Fülle seiner Phantasie die hohe überragende musikalische Intelligenz! Ihr oder richtiger der glücklichen Combination von Beidem war es Vorbehalten, jene erhabenen, fast vergessenen Gebilde einer titanischen Schöpferkraft zu neuem Leben zu erwecken, ihren tiefen einheitlichen Gehalt anfzudecken und ihrer eigentlichen Bestimmung wiederzugeben. Was Joachim überhaupt als Führer seines berühmten Streichquartetts geleistet, das steht als Denkmal gottbegnadeter Künstlerschaft für ewig eingegraben in die Annalen der Musikgeschichte. Andere Quartettgenossenschaften haben in sinnlicher Klangschönheit, in Sauberkeit und Correktheit des Zusammenspiels das Mögliche erreicht; aber im Joachimquartett trat noch jene überlegene intellektuelle Kraft hinzu, die seinen Gaben den Adel geistiger Vollbürtigkeit aufprägte. Der größte sinnliche Wohllaut, das Steckenpferd mancher anderer berühmten Quartettgesellschaften, ordnete sich bei ihm stets willig der Oekonomie des Ganzen unter, und ließ im Hörer nie jenes gedankenlose Schwelgen in Wohlklängen aufkommen, die oft das Geheimniß des Erfolges minderer Geister sind. Bei Joachim wurden an den Hörer stets Anforderungen gestellt, Anforderungen, den hohen Geistesflug mitzumachen und damit erst sein Heimathrecht in jenen Regionen edelster Kunstleistungen zu beweisen. — Joachims Gestaltungs- und Ausdrucksvermögen kannte keine Grenzen —
soweit das Gebiet der echten Kunst reichte, soweit es Werthvolles und Gediegenes in der Geigen- oder Kammermusikliteratur giebt, soweit waltete Joachim in ihr als Hüter und Prophet, — darüber hinaus hat er seinen Fuß niemals auch nur einen Schritt weit gesetzt. Tief unter ihm lag alles Virtuosenthum, das auch das weniger Edle, wenn auch nur bisweilen nicht verschmäht, wo es geigerische Bravour leuchten lassen kann. Es ist schon früher ausgesprochen worden, daß man der gewaltigen Technik, über die Joachim spielend verfügte, niemals recht inne wurde, weil sie für ihn immer nur das selbstverständliche Mittel war zu höheren Zwecken; selbst in den Cadenzen von Concertstücken, wo der Componist dem Künstler absichtlich eine gewisse Freiheit läßt, seine technische Fertigkeit an selbstgewählten Schwierigkeiten ins rechte Licht zu setzen, hörte man von Joachim immer nur schöne, edle Paraphrasen über die vorausgegangenen Themen, die hier der strengen Fesseln ledig, in ungebundener, aber stets die Schönheitsgesetze heilig achtender Freiheit wie fröhliche Kinder des Augenblicks — aber immer wie leibliche Enkelkinder des hohen Ahns, dessen Züge und Geberden sie unverkennbar trugen, sich zu tummeln schienen. Ihn leitete dem Genius gegenüber überhaupt stets jene wahre Pietät, für die der reinste Ausdruck der Intentionen des Componisten oberstes Gesetz; darum kann der kleinste Hinweis, jedes dynamische, tempobestimmende oder sonstige Zeichen bei ihm stets in so hohem Maße zu seinem Rechte. — So wenig es meine Absicht sein kann, mich in eine Analyse der Mittel einzulassen, mit denen Joachim seine Wunderwirkungen erzielte, so wenig das überhaupt möglich ist, so soll doch hier ein Wort gesagt werden über seine Bogenführung. In ihr hat er nach meiner Meinung Neues und bis dahin Unerreichtes geleistet. Damit ist aber nicht Bogentechnik im gewöhnlichen Sinne gemeint, es gab sogar beispielsweise ohne Zweifel Geiger mit glänzenderem Staccato, aber der rechte Arm von Joachim, die Ausbildung, die er ihm gegeben und auf seine Schüler zu übertragen suchte, bedeuten eine bis dahin unerreichte Erweiterung der geigerischen Ausdrucksmittel. An den Bachschen Violin- sonaten, die Joachim wohl auch als erster in den Concertsaal verpflanzt hat, kam die Bedeutung seiner völlig originellen Bogenkunst am sichtbarsten zum Ausdruck. Sie verlangen mitunter im kleinsten Rahmen die höchste Prägnanz; da ist (wie selbst bei den späteren Classikern nicht im gleichen Grade) eine solche Gedrungenheit, so viel Gehalt und Fülle auf engstem Raume nöthig, daß es meiner Meinung nach nur Joachim und insbesondere seiner eigenthümlichen Behandlung der Bogentechnik gegeben war, solche Aufgaben restlos zu lösen.
Joachim war überhaupt der einzige Geiger, ja wohl der einzige reproduktive Musiker überhaupt, bei dessen Kunst man von einem „Styl” sprechen konnte, wenn man mit „Styl” eben nicht persönliche, individuelle, sondern objektive, architektonische Formgebung nach festen, im Wesen des Kunstwerkes begründeten Gesetzen bezeichnet. In der Bethätigung seiner reichen Individualität verschwanden immer mehr die Schranken, die sie von allgemein- und ewiggiltigen der Kunst trennten, und wie Niemand bei dem reifen Goethe mehr von Individualität sprechen wird, da seine Wesensart als der universellste Ausdruck wahren Menschenthums die Hülle des Individuums gesprengt und der Erfüllung des Begriffs der Gattung sich angenähert zu haben schien, in ganz dem gleichen Sinne dünkt uns Joachims künstlerische Persönlichkeit zur Universalität gesteigert. Die letzten Bande zufälliger Subjektivität hatten sich bei ihm gelöst und waren aufgegangen ins klassische Relief der reinen Formen. Wer das Glück hatte, Joachim bis in die letzten Jahre seines Lebens zu hören, dem muß dieses an den alten Goethe erinnernde Bestreben, immer reiner, immer objektiver sich abzulösen von den Werken seiner Künstlerhand und sie hinauszustellen frei und ohne jeden Zeugen menschlicher Bedürftigkeit, lebhaft vor die Seele getreten sein. Wie Goethe es als den Beruf seiner Persönlichkeit erkannte,
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die Dinge immer klarer, immer unbeirrter von den Täuschungen befangener Subjectivität zu erfassen, wie er bestrebt war, die Seele zum ungetrübtesten, treuesten Spiegel der Dinge zu machen, so wurden auch unter Joachims Händen die Schöpfungen der Musik immer reinere, immer vollkommenere Bilder, deren erhabene Vollendung auch die selbstverständlichen physischen Schranken des Alters bei den verständnißvollen Hörern wenigstens keinen Abbruch thaten. Was Goethe einmal von den Dichtern sagt, scheint mir auf unsere ausführenden Musiker sehr anwendbar, und gerade den Gegensatz zwischen Joachim und den allermeisten anderen, vielleicht noch Eugen d’Albert ausgenommen, vorzüglich zu treffen. „Solange der Dichter,” sagt er, „bloß seine wenigen subjektiven Empfindungen ausspricht, ist er noch keiner zu nennen; aber sobald er die Welt sich anzueignen und auszusprechen weiß, ist er ein Poet. Und dann ist er unerschöflich [sic] und kann immer neu sein, wogegen aber eine subjektive Natur ihr bißchen Inneres bald ausgesprochen hat und zuletzt in Manier zu Grunde geht.” Das ist eben die gewaltige Kluft, die Joachim von allen andern Künstern unserer Zeit trennt — bei ihm war Alles immer neu und groß, weil er der Dinge Maß nicht aus dem eignen Kopfe nahm, sondern liebevoll und selbstvergessen sich ihnen hingegeben, die innere Gluth sich an ihnen entzünden ließ, doch nicht wie jene kleineren Geister seiner Kunst sich kühn vermaß, in ihr sie umzuschmelzen. Alle anderen Geiger — und wie gesagt nicht bloß Geiger — betrachten die Werke, die sie uns vorführen, mehr oder weniger als bloße Gelegenheit, ihre Kunst an ihnen zu zeigen, Joachim dagegen seine Kunst als die Gelegenheit, uns jene Werke in ihrer eigentlichen Gestalt zu enthüllen.
Uns sind die großen äußeren Erfolge, die Joachim bis in seine letzte Zeit mit seinem Spiel errang, immer etwas wunderbar erschienen. Möglich, daß das große Publicum eine geheime Witterung für die Größe dieses Mannes besaß, möglich auch, daß die außerordentlich anziehende Ehrfurcht gebietende und in ihrer natürlichen Schlichtheit so rührende Persönlichkeit des Künstlers ihre Wirkung that, möglich endlich, daß er als der letzte noch lebende Zeuge einer großen Kunstperiode, er, der mit Mendelssohn, Schumann und Brahms in engen Berührungen gewesen, das Publicum durch seine schon historisch gewordene Bedeutung suggerirte — aber im allgemeinen pflegt das große Publicum und besonders das heutige, das minderwerthigen Künstlern so leicht zujubelt, solche Qualitäten, solch stillen in sich ruhenden, abgeklärten Kunstwerth nicht nach Verdienst zu schätzen. Freuen wir uns immerhin, daß ihm, Dessen künstlerische Laufbahn im oben angedeuteten Sinne bis in die letzte Zeit eine gerade Entwickelung nach aufwärts genommen, auch die äußere Anerkennung bis an sein Lebensende treu geblieben.
Noch ist ein Wort zu sagen über Joachims Stellung zu den verschiedenen, sich heftig befehdenden musikalischen Richtungen unserer Zeit. Wie bekannt, verhielt er sich der neudeutschen Schule gegenüber ablehnend, und man hat ihm dieserhalb in gründlicher Verkennung der Sachlage Einseitigkeit vorgeworfen. Es ist schwer, als Kind seiner Zeit sich auch nur für einen Augenblick, auch nur versuchsweise außerhalb derselben zu stellen, um gleichsam von einer höheren Warte Augenmaß zu gewinnen für die Verhältnisse seiner gewohnten Umgebung. Aber daß dieser Zweig der modernen Musik, mit klassischen und nachclassischen (Schumann, Brahms) verglichen, nicht eine Musik der strengen Formen ist, daß ihre Production sich vollzieht unter Lockerung, ja theilweise unter gänzlicher Aufhebung der von den Classikern beobachteten Gesetze, das muß jeder Einsichtige zugeben. Mängel der Form müssen aber in der Musik, wo sich Form und Inhalt so lebhaft durchdringen, immer gleich zu Mängeln des Gehalts werden, und wenn die neuere Musik nicht durch immense geistige Vertiefung sie auszugleichen vermag — und auch das wird Niemand im Ernst zu behaupten wagen — so ist damit gesagt, daß sie, kritisch betrachtet, gegenüber der klassischen minderwerthig und, historisch betrachtet, decadent ist. Wenn Joachim aber wirklich eine Persönlichkeit war, wie sie uns oben erschien, so ist seine Stellungnahme im Streit der Meinungen nicht mehr räthselhaft: er mußte und zwar nicht etwa bloß principiell, sondern aus dem Zwange seiner inneren aufs Feinste abgestimmten Natur heraus eine Richtung von sich ablehnen, an der die besten Traditionen unserer Kunst zu Schanden wurden, und die diesem Ausfall gegenüber doch keine versöhnenden Aequivalente einzusetzen hatte. Der große Resonanzboden, den sie durch den fast ungetheilten Beifall des großen Publikums erhalten, konnte ihn nimmermehr beirren, viel eher noch bestärken; denn in Kunstdingen ist das Recht noch stets auf der Seite der Minderheit, die Gunst der Menge immer unberechenbar gewesen. Die künstlerische Physiognomie des Verewigten mit ihren idealschönen Linien wäre uns getrübt erschienen, wenn auch Bestrebungen wie die der Neu- und Jüngstdeutschen in ihm eine Statt gefunden hätten.
So ist er denn dahin! Und mit ihm eine künstlerische Persönlichkeit, wie sie in solch harmonischer Bildung, in solch fortschreitender Entwickelung, in der jede Staffel einen Höhepunkt bedeutete, so wenig je sich wiederholen kann, als etwa, um ihn diesem Größeren zu vergleichen, das strahlende Gestirn eines Goethe noch einmal auf uns herabscheinen wird. Hoffen wir, daß die Erinnerung an ihn mit denen nicht versinken wird, die seine Kunst genießen dursten, und daß der köstliche Samen, den er ausgestreut, vom guten Genius der Zeit erhalten bleiben und fortwirken werde durch die Jahrhunderte.