Translation © Robert W. Eshbach, 2013


jj-initials

Joseph Joachim to Franz Liszt

                                                                        Göttingen 27. August 1857.

The constancy of the trusting kindness with which you approach me to include me in the community of friends who are moved by your power, bold and much-encompassing spirit, shames me for my lack of openness up to this point. This is not the first time that I have had this feeling, which would deeply humiliate me in my own eyes were I not at the same time consoled by the knowledge that this lack of candor, which contrasts so badly with my life at Weimar and your unchanging affection, is not cowardice, but is far more related to the best feeling that I carried within myself, imagining that my humble self, insignificant in mental power and energy as I must appear compared with you, must nevertheless be capable, through the deep love of truth and the deep affection for you, both of which which you know to reside in me, of becoming a thorn for you which I would not use to wound you. — But what good would it do if I were to procrastinate any longer in speaking clearly what I feel — my passivity regarding your activities would reveal my attitude anyway, unattractively veiled, to you who are used to meeting with enthusiasm and who know me to be capable of a genuine and active friendship. So I wish no longer to keep secret that which, I confess to you, your manly spirit should have required of me before, indeed to which you were as such entitled: I am completely unresponsive [unzugänglich] to your music; it contradicts everything which from early youth I have taken as mental nourishment from the spirit of our great masters.  Were it possible to imagine that I could ever be robbed of, that I should ever have to relinquish, that which I have learned to love and honor in their creations, that which I feel to be music, your sounds would not fill for me any of the vast and annihilating desolation.  How, then, can I feel myself to be united in aim with the fraternity of those who, under the protection of your name and in the belief (I speak of the noble among them) that they are answerable for the justification of their contemporaries against the acts of the Artists, make it their life’s work to propagate your works by every means possible? Rather, I must be prepared, in striving to achieve my goals, to depart from them more and more, and to do that which I have recognized as good, which I believe to be my work, on my own responsibility, be it ever so quietly. I can be of no assistance to you, and I can no longer give you the impression that the concern that you and your pupils represent is mine. I must therefore refuse your last kind invitation to take part in the festivities in Weimar in honor of Carl August; I respect your character too highly to be present as a hypocrite, and I revere the memory of the Prince, who lived with Goethe and Schiller and wished to rest with them, too much to be present out of curiosity.

Forgive me if I have clouded your preparations for the Festival with a moment of distress. I had to do it. Your awe-inspiring industry, the number of your followers, will soon allay the pain I have caused you, but whenever you think of these words believe one thing of me: that for everything that you were, for all the often too-appreciative warmth that you showed me in Weimar, for all that I often strove to learn and assimilate from your divine gifts, I shall never cease to carry in my heart of hearts the full, true remembrance of a grateful pupil. [i]

Joseph Joachim.


JJ Initials

Die Beharrlichkeit der zutrauensvollen Güte, mit der Du, vielumfassend kühner Geist, Dich zu mir neigst, um mich dem Verein der von Deiner Kraft bewegten Freunde angefügt zu sehen, hat für meinen bisherigen Mangel an Offenheit etwas Beschämendes, das ich nicht jetzt zuerst fühle und das mich, mir selbst gegenüber, tief demüthigen müsste, hätte ich nicht zugleich das tröstende Bewußtsein, daß dieser Mangel an Offenheit, der so schlimm gegen meinen Aufenthalt in Weimar und Deine immergleiche Herzlichkeit kontrastirt, nicht Feigheit sei, und vielmehr dem besten Gefühl verwandt war, das ich in mir trug, als müsse mein geringes Selbst, so unbedeutend an geistiger Macht und Energie es sich Dir gegenüber vorkommt, dennoch im Stande sein, durch die tiefe Wahrheitsliebe und die tiefe Neigung zu Dir, die Du zugleich an ihm haftend wußtest, ein Stachel für Dich zu werden, den ich nicht verwundend gebrauchen dürfte. — Aber was hülfe es, wollt’ ich noch länger zaudern klar auszusprechen, was ich empfinde — meine Passivität Deinem Wirken gegenüber müsst’ es, unschön umnebelt, dennoch offenbaren, Dir, der gewohnt ist, Enthusiasmus für Sich handeln zu sehen, und der auch mich echter, thatkräftiger Freundschaft fähig hält. So will ich denn nicht mehr verschweigen, was, ich gesteh’ es beichtend ein, Dein männlicher Geist früher zu hören fordern mußt’, ja worauf er als solcher ein Anrecht hat: Ich bin Deiner Musik gänzlich unzugänglich; sie widerspricht Allem, was mein Fassungsvermögen aus dem Geist unserer Großen seit früher Jugend als Nahrung sog. Wäre es denkbar, daß mir je geraubt würde, daß ich je dem entsagen müsst’, was ich aus ihren Schöpfungen lieben und verehren lernte, was ich als Musik empfinde, Deine Klänge würden mir nichts von der ungeheuren, vernichtenden Öde ausfüllen. Wie sollt’ ich mich da mit denen zu gleichem Zweck verbrüdert fühlen, die unter dem Schild Deines Namens und in dem Glauben (ich rede von den Edlen unter ihnen), für die Gerechtigkeit der Zeitgenossen gegen die Thaten der Künstler einstehen zu müssen, die Verbreitung Deiner Werke mit allen Mitteln zu ihrer Lebensaufgabe machen? Vielmehr muß ich darauf gefaßt sein, mit dem, was ich mich bescheide für mich zu erstreben, immer mehr von ihnen abzuweichen, und das, was ich für gut erkannt, was ich für meine Aufgabe halte, auf eigne Verantwortung, wär’s noch so still, zu üben. Ich kann Euch kein Helfer sein und darf Dir gegenüber nicht länger den Anschein haben, die Sache, die Du mit Deinen Schülern vertrittst, sei die meine. So muß ich denn auch Deine letzte liebevolle Aufforderung zur Theilnahme an den Festlichkeiten in Weimar zur Feier Karl Augusts unbefolgt lassen: ich achte Deinen Charakter zu hoch, um als Heuchler, und das Andenken des Herrschers, der mit Goethe und Schiller lebte und vereint zu ruhen wünschte, zu heilig, um als Neugieriger gegenwärtig zu sein.

Vergieb mir, wenn ich in die Vorbereitungen zu der Feier einen Moment der Betrübniss mischte; ich mußt’ es. Dein Ehrfurcht gebietender Fleiß, die Menge Deiner Anhänger werden Dich mich leicht verschmerzen lassen, aber wie Du immer von diesen Zeilen denkst, glaube eins von mir: daß ich nie aufhören werde, für Alles, was Du mir warst, für die ganze oft überschätzende Wärme, die Du für mich in Weimar hattest, für all das, was ich von Deinen göttlichen Gaben oft lernend aufzunehmen strebte, von tiefstem Herzen die volle, treue Erinnerung eines dankbaren Schülers in mir zu tragen.

Joseph Joachim.


[i] Joachim/BRIEFE I, p. 441-443.