Neue Zeitschrift für Musik, vol. 32, no. 32 (19 April, 1850) pp. 167-168

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In February of 1850, Joachim, then assistant concertmaster to David in Leipzig, embarked on his first concert trip to Paris, together with Leipzig Gewandhausorchester principal ‘cellist (soon to be principal in Weimar) Bernhard Cossmann. In Paris, he performed with Hector Berlioz, and made numerous appearances as an assisting artist and recitalist. This is a contemporary notice that appeared in Leipzig’s Neue Zeitschrift für Musik. The mention at the end is a characteristic portrait of Joachim at that time. He was then 18 years old. On his return to Leipzig, Joachim stopped off to visit Franz Liszt in Weimar — to report on his trip. Liszt invited him to stay for several days and play chamber music (mostly music by his assistant and amanuensis Joseph Joachim Raff). Thereafter, Liszt did not rest until he had secured Joachim’s services as concertmaster for Weimar. Joachim began his employment in Weimar in mid-October, 1850.

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Joseph Joachim
Reutlinger, Paris, 1850

Paris. — Joachim und Cossmann

Der zeitweilige Aufenthalt genannter Künstler in Paris hat nicht wenig zur Anregung des Kunstsinnes und zur Verschönerung künstlerischen Beisammens gewirkt. In Privatgesellschaften, in öffentlichen Concerten, und besonders in den Musikabenden der Mad. Wartel und Rosenhain‘s, an welchen sie sich näher betheiligten, nahmen beide eine bedeutende Stelle ein und leisteten Vorzügliches. In Gemeinschaft mit ihnen richtete,

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Jakob Rosenhain

nach leider erfolgter Auflösung des “Vereins für klassische Kammermusik”, Mad. Wartel, die talentvolle und liebenswürdige Pianistin, eine Reihe musikalischer Soireen ein zur Aufführung vom Besten aus dieser Gattung, und bewährte auch hier, sowohl in Auswahl als Vortrag, den schönen Sinn, den sie schon früher hier bethätigt, aber gewiß noch ausgebildeter und gekräftigt aus Deutschland, das sie bekanntlich längere Zeit bereiste, mit zurückgebracht hat. Vielseitiger Aufforderung nachgebend, entschloss sich seinerseits Rosenhain, der sich seit Jahren schon, zum Bedauern seiner Freunde und Verehrer, ganz von der Oeffentlichkeit fern gehalten hatte und nur bei sich zu Hause im engern Kreise der Kunst huldigte und seine interessanten Compositionen zu Gehör brachte, auch mal ein Uebriges zu thun und gleichfalls im Erard’schen Concertsaale drei, sage drei Musikabende zu veranstalten; und gleich am ersten (der zweite findet heute statt), zur Ueberraschung der Urtheilsfähigen, die ihn lange nicht, oder auch noch gar nicht gehört hatten, zeigte sich, was wir schon längst wußten: daß Rosenhain in jeder Beziehung ein Künstler ersten Ranges ist, und was Gesinnung, geistige Auffassung und angemessenen Vortrag betrifft, auf einer weit höhern Stufe künstlerischer Bildung steht, als dieser oder jener moderne Claviervirtuos, dessen Name durch den Glanz der Virtuosität in Europa größere Berühmtheit erlangte als der seinige. Gerade in dieser Beziehung war er trefflich unterstützt von Joachim und Cossmann, Geiger und Violoncellist. Cossmann, der lange Jahre in Paris ansässig und hier auch oft und mit Beifall aufgetreten war, kehrte diesmal, fast möchte ich sagen ein Anderer hierher zurück, als er uns verlassen hatte. Trotz seiner anerkannten Begabung, konnte man sich in damaliger Zeit nicht verhehlen, daß es ihm an geistiger Freiheit fehle und an der damit verbundenen Unabhängigkeit und freien Bewegung des Vortrags, ein Mangel der sich sogar durch eine gewisse Trockenheit oder Nüchternheit des Tones kund zu geben schien, was man denn auch, um dem Künstler nicht Unrecht zu thun, wohl dem Instrumente beizumessen geneigt war. Seltsam genug, was Künstler sonst aus Paris zu holen pflegen und er hier nicht fand, das hat umgekehrt Cossmann aus Deutschland und England mit hierher gebracht: Leben, Grazie und Geschmack. Die Umwandlung ist bei solcher Befähigung und Ernst denkender Künstler Besitz und den Virtuosenfirlefanz verschmäht, so muß er unbedingt den Besten seines Faches angereiht werden. Von Joachim läßt sich nicht viel sagen. Den muß man hören und wo möglich kennen. Wo in so jungen Jahren solche Gediegenheit und solcher Ernst der Gesinnung, mit solcher Meisterschaft, solcher Anspruchslosigkeit, mit solcher Begabung, so viel Einfachheit und solche Liebenswürdigkeit des Gemüths vereinigt sind, da ist man sich bewußt daß man Seltenes vor sich hat; weiß aber nicht was man am Meisten lieb und wert hält, ob den Künstler, ob den Menschen. Joachim ist der Berufenen einer, aber auch ein Auserwählter.

A. G.

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Thérèse Wartel

Drawing, Wilhelm Hensel, 1843

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Bernhard Cossmann in later years