Translation © Robert W. Eshbach, 2013


 

JJ Initials

Joseph Joachim to Franz Liszt [i]

                                                                        Hanover, March 21, 1853

Honored, dear Master,

Instead of bothering you with a long explanation of why you have heard nothing from me for such a long, long time, I prefer to send you my Ouverture to Hamlet, right in the first joy of finally having a completed copy before me. In so doing, I hope that the work will tell you that which I hope you have not doubted: that you, my Master, have been constantly present in my mind. The parting words that you called out to me on one of the last evenings in Weimar remain in my ears. They echo inside me as music that can never die away. I was at leisure here to listen to this “voix interne”: I was very much alone. The contrast between the atmosphere that, through your activity, is ceaselessly filled with new sounds, and an air that has been made utterly tone-rigid by the rule of a phlegmatic northerner from the time of the Restoration [Hanover under Heinrich Marschner] is too barbaric! Wherever I looked, no one who shared my aspirations; no one except the Phalanx of like-minded friends in Weimar. The yawning gulf between the most intense desire and the impossibility of its fulfilment filled me with despair. I turned to Hamlet. The motives of an Ouverture that I had already “wanted” to write in Weimar came back to me, but nothing satisfied me when I wrote them down. I revised constantly, and finally after your letter (because my joy over it strengthened me) I revised the whole thing again. But who knows how childish my Hamlet will seem to you, great Master! So be it! Nevertheless, I dare address you once again with its tones, because I know that you will not fail to recognize the earnest intention that went into the work. Yes, I am certain that you will look through the score, my always considerate Master, and supposing that I sat next you, dumb as usual but eagerly listening to your musical wisdom, advise me. But if you don’t have very much of your precious time to write to me, just let me know, through a few lines, that I have not become estranged from you! In any case, I will come myself before the month of May.

From my whole heart, your

Joseph Joachim


 

Hannover den 21. März 1853

Verehrter, theurer Meister!

Statt Sie mit einer langen Auseinandersetzung zu quälen, weshalb Sie in so langer, langer Zeit von mir nichts gehört haben, will ich Ihnen lieber gleich in der ersten Freude über die endlich in einer Kopie fertig vor mir liegende Ouverture zu Hamlet, dieselbe überschicken; ich habe dabei den Wunsch, das Werk möge Ihnen auch sagen, woran Sie hoffentlich nicht gezweifelt haben, daß Sie, mein Meister, mir beständig gegenwärtig waren. Die Abschiedsworte, welche Sie mir unter Freunden an einem der letzten Abende in Weimar zugerufen hatten, sind mir noch in den Ohren; sie hallen in meinem Innern als Musik wieder, die nie verklingen kann. Dieser “vox interne” zuzuhorchen, hatte ich hier alle Muße; ich war sehr allein. Der Kontrast, aus der Atmosphäre hinaus, die durch Ihr Wirken rastlos mit neuen Klängen erfüllt wird, in eine Luft, die ganz tonstarr geworden ist von dem Walten eines nordischen Phlegmatikers aus der Restaurations-Zeit, ist zu barbarisch! Wohin ich auch blickte, keiner, der dasselbe anstrebte wie ich; keiner statt der Phalanx gleichgesinnter Freunde in Weimar. Die Kluft zwischen dem heftigsten Wollen und dem unmöglichen Vollbringen gähnte mich verzweifelt an. Ich griff da zum Hamlet; die Motive zu einer Ouverture, die ich schon in Weimar hatte schreiben “wollen,” fielen mir wieder bei; aber  beim Aufschreiben genügte mir nichts; ich überarbeitete immer, und zuletzt nach Ihrem Brief (weil mich die Freude darüber kräftigte) nochmals das Ganze. Aber wer weiß, wie kindisch auch jetzt mein Hamlet Ihnen, großer Meister, vorkommen wird! Sei es! Ich darf Sie dennoch zuerst wieder mit seinen Tönen anreden, weil ich weiß, den ernsten Willen bei der Arbeit werden Sie nicht verkennen wollen. Ja, ich bin gewiß, Sie werden, mein immer nachsichtiger Meister, die Partitur durchsehen, und meinend, ich säße neben Ihnen, stumm wie immer, aber mit Begierde Ihrer musikalischen Weisheit zulauschend, mir rathen. Haben Sie aber nicht so viel Ihrer kostbaren Zeit übrig, mir zu schreiben, so lassen Sie mich nur in ein paar Zeilen wissen, daß ich Ihnen nicht fremd geworden bin! Ich komme sonst noch vor dem Monat Mai selbst.

Aus ganzem Herzen Ihr

Joseph Joachim


[i] Joachim/BRIEFE I, pp. 44-45. Holograph: Weimar GSA 59/19, 15.