Obituary: Czernowitzer Allgemeine Zeitung
15 Wednesday Oct 2014
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in15 Wednesday Oct 2014
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in15 Wednesday Oct 2014
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inNeuigkeits Welt-Blatt, Vol. 34, No. 187 (August 17, 1907), pp. 11-12.
N. B.: Obituaries are posted for historical interest only, and should not be taken as sources of accurate biographical information.
The final paragraph of this obituary is particularly interesting, given that the cause of Joachim’s death is often cited as actinomycosis — a diagnosis that has been convincingly called into question by Dr Harald H. Reinhart, Assistant Clinical Professor of Medicine (Infectious Diseases), of the Yale School of Medicine. It also mentions, contrary to other reports, that the doctors refrained from operating on Joachim, due to his advanced age. The article, which appeared in Vienna, describes his prolonged stay in the Viennese Hotel Tegetthoff, beginning in March, where he “lay for many weeks with a bad case of influenza.”
Hotel Tegetthoff, Vienna
10 Friday Oct 2014
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inMährisches Tagblatt, Vol. 28, No. 185 (August 16, 1907), pp. 1-3.
N. B.: Obituaries are posted for historical interest only, and should not be taken as sources of accurate biographical information.
Feuilleton
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Josef Joachim †.
(Nachdruck verboten.)
Berlin, 16. August. Der Violinvirtuose Joseph Joachim ist gestern gestorben.
Eine der ehrwürdigsten Persönlichkeiten der Gegenwart, eine der bedeutendsten Künstlererscheinungen aller Zeiten ist mit Joseph Joachim vom Schauplatz abgetreten. Zugleich mit den Größten des vorigen Jahrhunderts, Liszt und Wagner, erschien auch er, um eine Zeitlang mit ihnen verbunden, denselben neuen Zielen zuzustreben. Dann aber schwenkte er plötzlich ab, und in dem Streit der Parteien, der damals die Musikwelt in zwei Lager teilte, bekannte er sich rückhaltlos als Gegner der modern-reformatorischen sogenannten neudeutschen Richtung. Unter Mendelssohns Augen war seine musikalische Erziehung abgeschlossen worden. Jetzt verband ihn eine immer enger werdende Freundschaft mit Schumann, die ihre innigste Bekräftigung erhielt, als der junge, unbekannte Johannes Brahms von Joachim Schumann zugeführt und von diesem als “Messias der Tonkunst” begeistert aufgenommen wurde. Der Zusammenschluß mit Brahms gab Joachims künstlerischem Charakter den entscheidenden Zug für sein ganzes Leben. In unbeirrbarer, überlegener Ruhe blieb er der erkämpften Ueberzeugung treu und wurde schließlich ihr Opfer. Er erlebte den endgiltigen Sieg Wagners, und wenn auch die Brahms-Gemeinde allmählich Boden gewann, so blieb sie doch stets auf einen engen Kreis beschränkt.
Dieser vergebliche Kampf gegen die künstlerischen Machthaber der Gegenwart gibt dem reichgesegneten Leben Joachims einen tragischen Akzent. Er isolierte sich dadurch und mußte es schließlich mitansehen, wie er als Inhaber einer der einflußreichsten Stellungen der Reichshaputstadt mehr und mehr die Fühlung mit den vorwärtstreibenden Kräften verlor. Es ist eine im Grunde müßige Spekulation, zu überlegen, welche Vorteile der Kunst aus einem Zusammenwirken Joachims und der um Wagner und Liszt gruppierten Künstler hätten erwachsen können. Sicher ist jedenfalls, daß durch jene unfruchtbaren Parteikämpfe viele kostbaren Fähigkeiten nutzlos vergeudet und manche große Kunsttat im Keime erstickt wurde. Was Joachim von Wagner forttrieb, war vielleicht im tiefsten Innern die Empfindung, daß Wagner für sein Werk von jedem der Beteiligten die volle, restlose Hingabe der Persönlichkeit verlangte, während Joachim eine so unbedingte Konzentration aller Kräfte an eine einzige Aufgabe nicht wenden mochte. Allein war er aber nicht reich genug, um Wagner gegenüber sich als selbstständige gegnerische Erscheinung behaupten zu können. So suchte und fand er zur Ergänzung des ihm Fehlenden erst Schumann und dann Brahms. Und an der Seite dieser Mitkämpfer, die ihm mehr persönliche Freiheit ließen als der despotische Bayreuther Meister, entwickelte und kräftigte er all die großen Eigenschaften, welche ihm von Gottes Gnaden verliehen waren.
Das Merkwürdige an Joachim besteht darin: er ist eigentlich nur ausübender Instrumentalvirtuos. Seine eingeborenen allgemein musikalischen Gaben sind aber so bedeutend, daß sie ihm eine Position verschaffen, wie sie sonst nur Künstler von weit umfassender Begabung einzunehmen befähigt sind. Bei ihm baut sich alles auf der Basis des Violinspiels auf. Aber die damit scheinbar gegebene enge Begrenzung verliert sich ganz, und ein Musiker von denkbar höchstem Intellekt, von vielseitigster Aufnahmefähigkeit, von feinstem allumfassenden Empfinden, von einer seltenen Bildung des Geschmackes, von Verständnis für die subtilsten Kunstfragen steht vor uns. Man muß sich diesen geistigen Vollgehalt von Joachims Natur vor Augen halten, um seine Bedeutung für die Musikgeschichte richtig zu würdigen. Es ist daher schwer, den Geiger Joachim gesondert von dem Musiker zu betrachten, denn beide erklären erst einander. Einen Fortschritt auf speziell violinistischem Gebiet hat uns Joachim nicht gebracht. Fortschrittsmänner, die der Technik neue Wege erschlossen, unbekannte Ausdrucksquellen aufdeckten, waren unmittelbar vor ihm Nicolo Paganini oder Louis Spohr gewesen. Paganini als abenteuerlicher Zaubermann, dessen märchenhafte technische Künste Anlaß zu Legendenbildung gaben und die größten Geister seiner faszinierten — ohne daß es ihm je gelungen wäre, tieferen Gemütsanteil zu erwecken. Anders geartet war der deutsche Spohr, eine feinpoetische Natur mit reicher produktiver Veranlagung. Ihm gelang es, durch Aneignung und Weiterbildung der französischen Violinkunst eines Rode, Kreutzer usw. der deutschen Schule neue fruchtbare Elemente zuzuführen und ebenso originell wie meisterhaft zu verarbeiten. Neben Spohr gehalten, verblaßt Joachims Bild etwas. Jener war der geborene Komponist, der zufällig Geige spielte. Joachim war der geborene Geiger, dem kein anderes Ausdrucksmedium zu Gebote stand, dem die Produktionskraft versagt blieb. Man kann daher wohl von Spohrscher Technik, Spohrscher Kantilene sprechen — aber man kann die gleichen Worte nicht in Bezug auf Joachim anwenden. Wir Jüngeren, die ihn nicht mehr im Vollbesitz seiner Fähigkeiten hören konnten, sind ohne abschließendes Bild seiner Kunst, und spätere Generationen werden ihn nur der Sage nach kennen. Paganinis oder Spohrs Spiel dagegen kann man sich immerhin aus ihren Kompositionen annähernd rekonstuieren.
Aber dieses Manko von Joachims Begabung wurde gleichzeitig das Fundament seiner Größe. War es ihm verschlossen, persönliche Eitelkeit zu pflegen, so nahm er sich der vererbten älteren Literatur umso eifriger an. Und war es ihm versagt, durch unentdeckte mechanische Fertigkeiten die Leute zu verblüffen, so strebte er desto inniger, die übernommenen Vorlagen geistig zu durchdringen, ihren Inhalt zu erforschen und als reproduzierender Künstler im edelsten Sinne aus seinem Spiel die Psyche des Werkes selbst aufleuchten zu lassen. Ein natürlicher Ernst des Charakters ließ ihn von vornherein alle leichte Ware, alles Reißertum verschmähen. Und eine gewisse, angeborene Schwerfälligkeit (— es ist bekannt, daß Joachim nie ein gutes Staccato besessen hat —) [1] hielt ihn noch mehr von der gangbaren Virtuosenliteratur zurück. So wandte er sein Können ungeteilt an die musikalischen Meisterwerke der Violinliteratur, die uns Bach, Mozart und Beethoven geschenkt haben. In der lebens- und schönheitsvollen Gestaltung dieser Stücke liegt der Schwerpunkt von Joachims Künstlerschaft. Hier war es ihm gegeben, ohne eigentlich selbstschöpferische Veranlagung, doch produktiv im weitesten Sinne zu wirken — wenn man mit Goethe von einer “Produktivität der Taten” reden will.
Joachims Ton blendete und schmeichelte nicht durch empfindsame Sinnlichkeit. Seinem Spiel wie seiner Persönlichkeit lag jedes äußere Dekor fern. Es war ein Ton, der innerlich wärmte, zu Fühlen und Denken in absoluter Reinheit anregte, ein Ton, der in seiner keuschen Schönheit etwas Transzendentes an sich trug. Joachims Spiel vergeistigte, verklärte. Es lag nichts Gefallsüchtiges, gar keine Koketterie darin. Sondern das Streben zu abstrohieren, eine geheime Neigung zur Mystik. Das Mechanische blieb bei ihm stets in untergeordneter Bedeutung, und wenn er es schon liebte, etwas massive Doppelgriff-Technik gelegentlich anzuwenden, so wußte er doch stets die rechtfertigende gedankliche Grundlage zu schaffen. Ich denke hier an seine Kadenzen zu Beethovens Violinkonzert, die fraglos vor allen ähnlichen Versuchen andrer Geiger den Vorzug verdienen.
Dagegen gelang es Joachim nicht, mit seinen übrigen Kompositionen weitere Kreise zu interessieren. Viel hat er überhaupt nicht geschrieben — bekannt geworden sind nur: das 2. (ungarische) Violinkonzert, die ungarischen Variationen für Violine mit Orchester und die Ouverture zu “Heinrich IV.” Sämtliche Werke zeichnen sich durch peinliche Gediegenheit aus, lassen aber so wenig originelle Phantasie und Gestaltungskraft erkennen, daß einzig der Name ihres Autors ihnen vorübergehende Beachtung verschafft hat. Länger als der Komponist wird der Geiger Joachim im Gedächtnis der Nachwelt leben: als kongenialer Interpret Bachs und Beethovens in Solo- wie in Kammermusikwerken. Die Joachimsche Quartettkunst wird allen unvergeßlich bleiben, welche sie je miterlebt haben. Denn was der Solist Joachim noch dem Virtuosentum and Tribut entrichten mußte, das fiel beim Kammermusikspiel gänzlich fort. Hier bot Joachim etwas, das in solcher Vollendung kaum je dagewesen ist und schwerlich wiederkommen wird, nach seinem Muster Ensemblekunst zu treiben. Denn all denen seiner Schüler, die versuchen, fehlt doch bei allem Eifer das wesentlichste: die große, tiefschauende und denkende Persönlichkeit, die bis auf den Grund der Dinge blickt und die geheimsten Intentionen der großen Genien nachfühlend zu deuten weiß. Joachim ist der apollinische Künstler. Darum fand die größte Bewegung des 19. Jahrhunderts keine dauernde Teilnahme bei ihm — darum besaß er doch Gaben, die ihn zu einer ganz einzigen Erscheinung der Musikgeschichte stempeln.
Man hat Joachim oft einen Vorwurf aus seiner langen öffentlichen Betätigung gemacht und ihm gegenüber auf Liszt hingewiesen, der sich auf dem Höhepunkte seines Könnens vom großen Publikum verabschiedete. Abgesehen von der Verschiedenheit der beiden hier verglichenen Künstlercharaktere, abgesehen von den Gründen rein privater Natur, die Joachim zu öffentlichen Musizieren veranlaßten, läßt man außer acht, daß Liszt sich mittlerweile einen ganz neuen Wirkungskreis geschaffen hatte, während Joachim zeitlebens an das Konzertieren als Hauptberuf gefesselt blieb, denn die Möglichkeit zu pädagogischer Wirksamkeit, die ihm in die Hände gegeben war wußte er nicht richtig auszunützen. Die einseitigkeit seiner Kunstanschauung war hier ein Hemmnis für ihn. Er beging den Fehler, an die von ihm organisierte und bis zu seinem Tode geleitete Berliner Hochschule für Musik ausschließlich Lehrer seiner Gesinnung zu berufen und impfte dem Institut dadurch von vornherein den Geist dogmatischer Rückständigkeit und Unfreiheit ein. Auch seiner Tätigkeit als Violinlehrer im besonderen fehlten die großen Erfolge. Er bildete gediegene Musiker und tüchtige Geiger, aber er verstand es nicht eigene Individualitäten zu wecken und wenn vor der ehrwürdigen, beinahe schon historisch gewordenen Persönlichkeit Joachim manches scharfe Urteil bisher zurückgehalten wurde, so darf man doch jetzt auf eine gründliche Neugestaltung der Hochschulorganisation hoffen.
Joachims Lebensgang bewegt sich in verhältnismäßig einfachen Linien. Am 28. Juni 1831 zu Kittsee bei Preßburg geboren, kam er als Wunderzögling der Wiener Geigerschule bald in die Welt hinaus, und empfing in Leipzig die letzten gründlichen Einführungen in alle Disziplinen der Musikwissenschaft. Von großen Kunstreisen, die ihn namentlich in England bekannt und populär machten, abgesehen, bilden Weimar und Hannover die markanten, größeren Stationen auf seinem Wege. 1866 (?) vertauschte er Hannover mit Berlin, um hier die neugegründete Hochschule für Musik zu leiten. Bewunderungswürdig war seine Frische und lebendige Rüstigkeit, die er sich bis auf die letzte Zeit bewahrte — wer ihn sah, staunte über die urgesunde, kräftige, körperliche Natur des Sechsundsiebzigjährigen ebenso wie über sein geistiges wachsames Interesse für die ihn berührenden Dinge. Zweifellos, daß eine Persönlichkeit von so hohem, berechtigtem Selbstgefühl starke Einseitigkeiten in sich trug, namentlich durch die rücksichtslose Schärfe manches Urteils vielen Schaden gestiftet hat. Versöhnend wirkt solchen Fehlern gegenüber die innere Ehrlichkeit der Ueberzeugung, welche man bei Joachim stets voraussetzen kann. Er war ein echter freier Künstler. “Frei, aber einsam” lautete sein Wahlspruch.
Und hinter ihm, im wesenlosen Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
[1] In his youth, Joachim was famous for his staccato.
10 Friday Oct 2014
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in09 Thursday Oct 2014
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inPester Lloyd, No. 195 (August 16, 1907), pp. 3-4.
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Joachim
— Nachruf. —
Von einem seiner einstigen Schüler.
In Schönheit leben — in Schönheit sterben: das viel mißbrauchte, noch öfter mißverstandene Wort Ibsen’s ist Wahrheit geworden. Die Kunde von Josef Joachim’s Tod ist da. Sechsundsiebzig Jahre alt ist er heute gegen 2 Uhr Nachmittag in Berlin gestorben. Und es wäre vergebliche Mühe, in der weiten Welt, auf den Gebieten praktischen Schaffens oder ideal-künstlerischer Bethätigung nach einem Lebenslauf zu suchen, der an Harmonie, Würde, Majestät dem Joachim’s verglichen werden dürfte. Selbst der Tod trat nicht rauh an das Lager dieses Künstlers heran. Die Qualen des Sterbens blieben ihm erspart, es gab keinen Kampf vor dem ewigen Frieden und kein erregtes Finale vor dem großen Schweigen. Auch die Trauer um den Entschlummerten wird fein müssen, wie er selber gewesen: groß, schlicht und ruhig. Die Klage um ihn wäre seiner nicht würdig, wollte sie in Phrase und Ueberschwang sich ergehen.
Seinen Werth abzuwägen, seine Bedeutung zu messen, ist schwer, doch nicht unmöglich. Nur hüten mag man sich nach gängigem Maß und Gewicht zu langen und wie bei anderen Künstlern die Persönlichkeit bis auf den letzten Nest ausschöpfen zu wollen. Das geht nicht bei Joachim, gleichwie es bei Beethoven nicht anging, obzwar dieser uns den besten Theil seines Genies als Erbe hinterließ, dessen Durchforschung schließlich uns doch zur Persönlichkeit des Erblassers führt. Um Joachim nach Gebühr zu schätzen, hat man heute eigentlich nur einen einzigen Prüfstein: das ehrfürchtige Schweigen der Nörgler, die Thatsache, daß sechs Jahrzehnte, hunderterlei Strömungen kamen und gingen, daß die Mode, der Geschmack von Musikergenerationen umstützende Wandlungen durchmachten, daß trotzdem der Kranz auf seinem Haupte grün blieb und keine der vielen Revolutionen im Reiche der Musik seinen Thron zum Wanken brachte. Selbst die extremsten Neuerer beugten sich ehrerbietig vor der Autorität, die Joachim mehr als fünfzig Jahre lang in der Musikwelt vertrat. Auch in seinem Leben hatte es eine Zeitspanne gegeben, in der er sich als Fortschrittler bekannte. Das war damals, als ihn intimere Beziehungen an Franz Liszt knüpften und der Meister den Adepten vor den Triumphwagen Richard Wagner’s spannen wollte. Allein Joachim that nicht lange mit. Er wollte, konnte auch nicht den Triumphzug aufhalten, aber das Tempo ging ihm wider den Strich, die Art der Propaganda behagte ihm nicht und so eigentlich fehlte ihm ja auch die tiefere Neigung für das dramatische Element in der Musik. Er selbst, als Komponist, fühlte sich zwar von Hamlet und Demtrius angezogen, allein die Art und Weise, wie er dann seine Aufgabe löste, bewies, daß sein ganzes reflektirendes Wesen immer wieder mit Vorliebe musikalischer Epik und Lyrik sich zuwandte. Er war ein Mann von seltenem Geist und starker Erkenntniß. Darum stemmte er sich weder gegen dasjenige, was wirkliche Entwicklung war, noch gegen das, was blos vorgab, Evolution zu sein. Das heißt, in seinem engeren Berufskreise machte er kein Hehl aus seiner Gegnerschaft, allein er fand das Allheilmittel gegen ungesunde Strömungen in der intensiven Pflege des Klassizismus. Als Lehrer und als ausübender Künstler war er der stärkste, der edelste Vorkämpfer der klassischen Richtung.
Sein ganzer Werdegang erklärt das. Man weiß, daß Joachim von Geburt Ungar, der Sohn eines armen Kittseer Lehrers war. Minder bekannt ist, daß er im alten Pest zwei Lehrer hatte, den alten Ellinger, der vor wenigen Jahren starb, und einen der besten Geiger jener Zeit, Szervaszinsky. Bei Ellinger erging es dem kleinen Joachim ungefähr so, wie später in Wien bei Hellmesberger sen., der den halbwüchsigen Jungen wegen Unbrauchbarkeit der rechten Hand aus der Schule entließ. Wie Ellinger über seinen Schüler dachte, erhellt am besten aus einer Anekdote, die in unseren Musikerkreisen noch heute fortlebt. Zwei Knaben genossen in einer und derselben Stunde Ellinger’s Unterricht: Josef Joachim und Karl M., nachmals ein sehr geschätzter volkswirthschaftlicher Schriftsetller. Der Professor wurde nicht müde, Joachim immerfort auf das Talent seines Unterrichtsgenossen zu verweisen, diesen als nachahmenswerthes Muster zu preisen, dem kleinen Josef aber jede Zukunft abzusprechen. Welche Prophetengabe in dem sonst ausgezeichneten Lehrer steckte, wurde schon ein Jahr später offenbar, als Joachim, der inzwischen bei Szervaszinsky überraschende Fortschritte gemacht hatte, im März 1839 öffentlich auftrat und in Gemeinschaft mit seinem Lehrer ein Konzert von Eck unter beispiellosem Jubel spielte. Der
[p.4]
Kritiker des Blattes der damaligen vornehmen Welt, des “Spiegel”, sagte dem siebenjährigen “musikalischen Wunderknaben” eine beispiellose Carrière voraus und dieser Mann hatte mit seiner Prophezeihung entschieden mehr Glück als der brave Ellinger.
Auch seine weitere Ausbildung besorgten Ungarn: der in Wien lebende Virtuos Josef Böhm und dessen Schüler Heinrich Wilhelm Ernst, und schon dem zwölfjährigen Knaben war dann gegönnt, im Leipziger Gewandhause zu konzertiren, nachdem Ferdinand David, einer der berühmtesten Geiger seiner Zeit und vor Allem Felix Mendelssohn-Bartholdy des kleinen Ungars sich angenommen hatten. Die Urtheile gewiegter Fachmänner stimmten in dem Punkte überein, daß man es da mit einem Phänomen zu thun habe, dem nur zu wünschen sei, “daß seine Gesinnung so natürlich und anspruchslos bleibe, wie sie jetzt ist, sein Fleiß so emsig und sorgsam, wie er bisher gewesen sein muß”. Und da auch diese “Wünsche” sich erfüllten, wurde aus Joachim — Joachim. Welchen Einfluß übrigens ein Kreis wie Ferdinand David, Mendelssohn, Robert und Klara Schumann auf die geistige und seelische Entwicklung Joachim’s üben mußte — später trat noch ein wundersamer Puritaner, Johannes Brahms hinzu —, mag man sich leicht denken. Rührend war das Freundschaftsverhältniß, das im Laufe der Zeiten zwischen Schumann, Brahms und Joachim sich spann. Bei Klaus Groth lese man die ergreifenden Einzelheiten nach, ganz besonders die Schilderung jener dunklen Tage, da Schumann umdüsterten Geistes auf die Todtenbahre sank und dem Sarge des geliebten Freundes, barhaupt, Kränze in den Händen die beiden jungen Männer folgten: “Joachim dunkelbraun, Brahms hellblond, beiden Gesichtern in ebenso entschiedener Art die Genialität aufgeprägt.” Was anders hätte in solcher Umgebung aus Joachim werden können als ein Hüter und Pfleger der klassischen Ueberlieferungen? Beethoven’s Konzert machte ihn weltberühmt. Von dem Augenblicke an, da ihm Mendelssohn die Pforten der Londoner Konzertsäle erschlossen hatte, war seine Carrière entschieden. Man war entzückt, hingerissen von der wundersamen Stylreinheit seines Vortrages, von der Größe und Weichheit seines Tones, von der absoluten Vollendung einer Technik, die den Hörer über die gewaltigstn Schwierigkeitn hinwegtäuschte, ohne daß es dem Künstler je eingefallen wäre, mit solcher Fertigkeit zu prunken oder sie gar zu Virtuosenstückchen zu mißbrauchen.
Und da sind wir auch schon bei der edelsten, der hervorstechendsten Tugend Joachim’s angelangt. Bei seiner absoluten Selbstbeschränkung und Unterordnung unter den Geist, dem seine Kunst zu dienen vorhatte. Er war das unübertroffene, von keinem Zeitgenossen erreichte Muster des ausführenden Künstlers. Seine Mittel, sein souveränes Können hätten ihn gewiß befähigt, mehr zu bieten, als in einer Komposition drinn stand, alle erdenkbaren Hexereien spielen zu lassen, seine Hörer durch allerlei Blendwerk vom musikalischen Werke abzulenken. Niemals hat er das gethan. Mit rein äußerlichen Stücklein sich abzugeben, das war unter seiner Würde, aber einem klassischen Werke Gewalt anzuthun, es zu verstümmeln, den Geist und die strenge Formschönheit einer großen Komposition den Eitelkeitsgelüsten des Virtuosen hinzuopfern: das hielt er für ein Verbrechen. Und dieser Adel der künstlerischen Gesinnung, das Selbstgenügen: einem Kleinod diejenige Fassung zu geben, die alle Herrlichkeiten des musikalischen Juwels im rechten Licht erstrahlen läßt, — dieser seltene, ach so seltene Vorzug hebt Joachim hoch über seine Brüder in Apoll, macht ihn selber zum Klassiker unter den Geigern seiner Zeit. Seine strengen Grundsätze, sein eigenes musikalisches Ehrgefühl impfte Joachim später, als er 1869 Leiter der musikalischen Hochschule zu Berlin wurde, auch den Jüngern ein, die zu Hunderten kamen, um unter des Meisters Führung den Weg zur Künstlerschaft zu betreten. Was vorherging, Joachim’s Thätigkeit als Konzertmeister in Weimar, dann als Kammervirtuos in Hannover, das waren nur Episoden seines Lebens. Die erstere führt zu leichter Entfrremdung zwischen Joachim und Liszt, auch zu einer starken Spannung mit Wagner, der von Joachim’s Kompositionstalent wenig hielt, in vorderster Linie aber herzlich erbittert war, daß Joachim aus der Reihe seiner unbedingten Anhänger fahnenflüchtig geworden. Zu Wagner’s Ehre muß indeß bemerkt werden, daß selbst seine Verstimmung, sein Groll und seine üble Laune ihn nicht hinderten, Joachim’s Geigergenie anzuerkennen. Was im Uebrigen Haß und Gunst betrifft, die Joachim’s Schöpfergabe in den Bereich ihres Streites ziehen, so liegt die Wahrheit diesmal thatsächlich in der Mitte. Das “Konzert in ungarischer Weise” zählt unstreitig mit in der Violinliteratur, den Ouverturen fehlt dagegen die dramatische Wucht und stärkere Empfindung spricht uns nur dort an, wo Joachim auf fremde Motive sich stützen durfte, wie in den Hebräischen Melodien. In seinem unvergleichlichen Vortrage allerdings sang und klang Alles, gewann auch das Schwächliche Körper. Er hat als ausübender Künstler Schule gemacht, der Kunstwelt Meister wie Eugen v. Hubay, Theodor Nachèz, Karl Halir, Heinrich Petri, Franz Ondricek, Marie Soldat geschenkt.
Was Josef Joachim für die Kunst der Kammermusik bedeutet, das bildet ein besonderes Kapitel seines Ruhmes. Eines, das man speziell bei uns recht gut kennt und sicher nicht bald vergessen wird. Die Joachim-Quartett-Abende waren Jahrzehnte lang ständig wiederkehrende Erscheinungen unseres Konzertlebens und ebenso viele Quellen reinen, edlen Kunstgenusses. Aber auch heimgekommen, als Gast seines Geburtslandes, vermied er es wenn möglich, das nationale Moment zu berühren. Er fühlte sich durchaus als Deutschen. Was schließlich Niemanden Wunder nehmen darf. Draußen war er großgezogen worden, fern von der Geburtsstätte hatte er Förderer, Freunde, Familie, Ehren, Gold und Weltruhm gefunden, — Ungarn hatte Joachim an Europa verloren, wie Franz Liszt, wie Nikolaus Lenau. Den Tropfen Ungarblut, der ihm durch die Adern floß und heißer wallte, wenn er nach seiner Zaubergeige langte, den kriegte er freilich nicht los, trotz der deutschen Gelehrtenbrille, die er trug, trotz der deutschen Bart- und Haartracht. Das Fünkchen magyarischen Feuers war nicht zu ersticken in ihm; es durchwärmte seine Kunst, durchglühte sein Spiel und sprang über auf die Zuhörer, die mit zurückgedrängtem Athem lauschten, wenn Joachim ihnen auf seiner Geige die Träume Beethoven’s Bach’s oder Mendelssohn’s in die Herzen hineinsang, oder wenn er die Ziegeunerweisen aufstimmte und süße Wehmuth und jauchzende Leidenschaft aus den Saiten lockte. Den Saiten, die nun nimmer erklingen werden unter seiner erkaltenden Hand.
12 Monday May 2014
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inSignale für die Musikalische Welt, 21 August, 1907, pp. 865-866 N. B.: Obituaries are posted for historical interest only, and should not be taken as sources of accurate biographical information.
Joseph Joachim †
(geboren am 28. Juni 1831 in Kittsee in Ungarn, gestorben am 15. August 1907 in Berlin)
Ein Einziger, Unersetzlicher ist mit Joseph Joachim von uns geschieden, nicht bloß der ruhmvollste Name der musikalischen Gegenwart, sondern eine künstlerisch-kulturelle Kraft, deren Gleichen wir nicht haben. Wäre Joachim nur der unübertreffliche Virtuos, nur der Geigerkönig gewesen, so würde es auch hier heißen: Der König ist tot — es lebe der König! — und das um so eher, als auch dieser unermüdliche Künstler sich der Schwäche des Greisenalters naturgemäß nicht entziehen könnte.
Aber Joachim war nicht bloß der Geigerkönig, nicht bloß der souveräne Bildner von Geigergenerationen, er war eine Macht im europäischen Musikleben, war in seiner stillen Größe eine latente Kraft, die das Ethos in der Tonkunst reiner und tiefer zum Ausdruck brachte, als irgend einer der Zeitgenossen, war ein Damm gegen die zersetzenden, ichsüchtigen und veräußerlichenden Strömungen der Modemusik, der nicht verschwinden kann, ohne daß dem europäischen Musikleben ein tiefer Schaden erwächst.
Wie aber konnte ein “ausübender” Tonkünstler solche Macht im Musikleben gewinnen? Nicht allein, weil Joachim eine geniale Natur war und das Darstellen bei ihm zum Schaffen, zur schöpferischen Tätigkeit wurde. Sondern mehr noch vielleicht deswegen, weil Joachim schöpferische Kraft in einer
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durch und durch innerlichen, lauteren, uneigennützigen, idealistisch gestimmten Persönlichkeit wurzelte. Der idealistische Zug von Joachims Genie, der unwiderstehliche Drang nach dem Echten, Kernigen, Einfachen, das Verschmähen des bloß Glänzenden und Wirkungsvollen, die unwillkürliche Wahlverwandtschaft mit den größten Genien der deutschen Tonkunst — das war es, was seiner Kunst, Kunstanschauung und Persönlichkeit jene Überlegenheit, Werbe- und Überzeugungskraft gab.
Merkwürdigerweise war dieser größte Darsteller Beethovens und Bachs, der so auffällig die besten Züge deutscher Art in seiner Kunst und Persönlichkeit verkörperte, nach Geburt und Rasse kein Deutscher, kein Germane, sondern der Sohn einer jüdisch-ungarischen Familie. Ein deutscher Künstler aber war er dem Geiste, der Wahlverwandtschaft, der Bildung nach. Bach und Beethoven haben ihn berufen und geleitet.
Ueber Joachim hat ein guter Stern gewaltet. Voll konnte seine Kunst und Persönlichkeit sich ausgestalten, und seine schöpferische Kraft sog immer neue Nahrung aus der Fülle und Tiefe seines Menschentums. Alle guten und großen Kräfte seiner Zeit wirkten auf ihn. Überblicken wir die Stationen seines Werdeganges: die Wiener Jahre mit ihrer gediegenen geigerischen und Kammermusikschulung, die Leipziger Periode unter den Sternen Mendelssohns und Schumanns und dem wieder aufgehenden Gestirn Bachs, Weimar mit den befruchtenden Frühlingsstürmen der neudeutschen Bewegung und die norddeutschen Jahre der Bekanntschaft und Freundschaft mit Brahms *) … Alle diese Stationen haben Joachim gebildet, erweitert, gehoben, ihn bewegt und an ihm gerüttelt, aber keine hat ihn entwurzelt oder ihn dauernd in ihren Bann geschlagen. Dieser Stamm stand zu fest im Boden. Seine Lebenskraft wuchs mit den Stürmen und trieb nach allen Seiten hin Zweige.
In den Stürmen der Wagner-Lisztschen Zeit, die eine vollkommene Umwälzung der musikalischen Anschauungen und Verhältnisse herbeiführten, wahrte Joachim seine eigenen Ideale, obwohl ihn zeitweise enge persönliche Bande an die beiden Reformatoren knüpften. So tief er den Virtuosen, Musiker und Menschen Liszt bewunderte, dem Tondichter leistete er nicht Gefolgschaft. Und so begeistert er das Genie Wagners anerkannte, so wenig entgingen ihm dessen künstlerische Einseitigkeiten und Schwächen. Den Charakterschwächen Wagners wie anderer gegenüber bewahrte er stets dieselbe vornehme Haltung.
Parteihaß und Parteihader mußten Halt machen vor dieser genialen, tief fühlenden und sinnenden Künstlererscheinung, deren Größe darin beruhte, daß hier eine eminente Virtuosenkraft geadelt war durch selbstlose, begeistertste Hingabe an die hehrsten Genien unserer Tonkunst, daß hier ein Musiker zum degenspendenden Priester wurde. Joseph Joachim, der weit über sein Spezialgebiet hinaus Bach und Beethoven uns erschloß, der Mendelssohn, Schumann und Brahms in der Klarheit und Tiefe seiner Kunst widerspiegelte, wird nicht bloß als einer der größten Geiger, sondern als begnadeter und geweihter Verkünder der sittlichen Macht der Töne, als ein getreuer Eckart der deutschen Musik im Gedächtnis der Nachwelt fortleben!
D. S. [Detlef Schultz]
*) dessen Briefwechsel mit Joachim demnächst bei der Deutschen Brahmsgesellschaft erscheinen und voraussichtlich sehr interessante Aufschlüsse geben wird.
02 Thursday Jan 2014
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inThe Spectator, 24 August 1907, p. 255.
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JOSEPH JOACHIM
WHATEVER her claim to consideration on the score of her native musical products, England has on the whole been singularly fortunate in her relations with the great foreign musicians. Sometimes, as in the case of Handel in the eighteenth and Manuel Garcia in the nineteenth century, this attachment led to a permanent residence. Sometimes, as in the case of Beethoven and Brahms, Schumann and Schubert, there has been cordial and intimate appreciation without personal contact; while Mendelssohn and the great artist whom we all deplore, without abating a jot of their patriotism, found a second home amongst us. The association of the two names is inevitable, for Mendelssohn was one of the first to recognise the genius of the young Hungarian and to commend him to his friends in England. The relationship thus auspiciously begun more than sixty years ago remained unbroken to the close of Dr. Joachim’s life. For half-a-century his name has been a household word among us wherever music is cared for. He was the pillar and glory of the Popular Concerts from their earliest days. His periodical appearances lent a special lustre to the Crystal Palace and Philharmonic Concerts and the great provincial Festivals, and of late years the visits of his quartet party have been an outstanding feature in our musical annals. Many musicians have been admired and idolised, but none have been so reverenced as Joseph Joachim. Honours were heaped upon him, but they never exceeded his deserts, and there was that in the man himself which happily kept vulgar flattery aloof. He was never called upon to wade through roses to the platform, or mobbed by fashionable maenads in St. James’s Hall. His native dignity and simplicity rendered such adulation impossible. It has been said of certain performers that to do themselves justice they needed artificial lights and a gaily bedizened and bediamonded audience. Joachim was entirely independent of the adventitious stimulants of an artificial environment. Or, to put it in another way, the only music that he cared to play did not require a spectacular setting to reinforce its appeal.
One has only to compare Joachim with most of the famous violinists of the past to realise how small a part of his greatness was that which was their chief title to eminence,— technical dexterity. It was not that he despised or neglected it, for no one was more thorough in his methods, but that at a very early stage of his career he abandoned the desire, if, indeed, he ever harboured it, to astonish rather than enlighten his hearers. His early successes—for he was famous at thirteen—did not beguile him into following the lucrative, but unsettling and feverish, career of the travelling virtuoso. From that danger he was saved by his own exalted ambition, by the advice of his master, the admirable Böhm, and by the parental interest taken in his progress by Mendelssohn, and subsequently Schumann, who not only hailed him as a great interpreter, but predicted for him a distinguished future as a composer. His early, intimate, and lifelong association with Brahms, again, was another potent determining influence on the exercise of his gifts. Indeed, in the whole history of instrumental music it would be impossible to find a more felicitous or better matched partnership. In the great majority of cases the executant falls below the requirements of the composer when they are contemporaries. But Brahms found in Joachim an interpreter endowed not merely with a splendid technical equipment, but with the highest intellectual and spiritual qualities as well; and this confidence in a kindred spirit assuredly lent wings to his inspiration. Indeed, where Brahms’s music for the solo violin or the string quartet was concerned, he always wrote with Joachim in his mind, while occasionally, as in the case of the Hungarian dances, there was actual collaboration between the two friends. This relationship only emphasises the contrast which has so often been noticed between great players and great singers. The latter, in nine cases out of ten, act as a drag on composers, and where they associate themselves with contemporary music, generally exhibit a fatal preference for the work of inferior musicians. There have been brilliant exceptions in the past — Schröder-Devrient and Pauline Viardot-Garcia and Stockhausen— and in the last twenty years the standard of excellence in the choice of songs by leading professionals has immensely improved. Still, the fact remains that singers as a rule are loth to undertake pioneer work, even when their reputations are securely established. On the other hand, the great players have, in the main, kept much more nearly abreast of the creative achievements of their time. Joachim’s services in this regard were perhaps most conspicuously shown in his connexion with Brahms, but can be happily illustrated by his relations with many other modern composers. The number of compositions dedicated to him is legion, but it may suffice to mention Schumann’s Fantasia for violin and orchestra, Liszt’s Hungarian Rhapsody in C sharp minor, Max Bruch’s First and Third Concertos, Dvorák’s Violin Concerto, Sir Charles Stanford’s Suite for violin and orchestra, and Sarasate’s First Book of Spanish Dances. The mention of Sarasate prompts one to add that the admiration was mutual, Joachim having always recognised the peculiar charm of the “fascinating Spanish violinist,” as he called him, and he repaid the compliment by dedicating to Sarasate his Variations for violin and orchestra. The proverb about two of a trade has often been painfully exemplified in the history of music, but it has found no support in the life of Joachim, who numbered amongst his intimate friends Ernst, Wieniawski, and Ferdinand David, as well as Liszt, von Bülow, and Rubinstein.
But Joachim’s loyal services to his contemporaries never interfered with his devotion to the great masters. His interest in the music of the past was not archaeological; it was governed by an unerring judgment which led him to consecrate his energies to the interpretation of the classic literature of the violin. He was the great hierophant of Bach and Beethoven, but his repertory was not confined to the music of Germany. No one had a livelier appreciation for the old Italian masters, from whom, handed down through Rode and Böhm, he derived the traditions on which his violin-teaching was based. The debt that the British public alone owe to Joachim as an educator of musical taste, as an elevating influence in art, is incalculable. The fame of the mere executant is, as a rule, short-lived; but the greatest music of the king of instruments will always remain inseparably associated in the minds of those who heard him with the tones of Joachim’s violin and the sight of his noble presence, — the very incarnation of strength, dignity, and simplicity. As a teacher no less than a player his influence was world-wide. He did not found a school, but he carried on and developed the best traditions of the great Franco-Italian school which originated with Corelli. The long list of his famous pupils is in itself a singular testimony to his greatness, while his modesty, his disinclination to thrust himself forward or claim a predominant position, could not be better illustrated than by the fact that, alone amongst violinists of the first rank, he devoted himself in the plenitude of his powers to quartet-playing, and as years passed on spent more and more time in this less remunerative and more self-effacing branch of his high calling. Few men of his eminence in art have inspired deeper affection than Joachim. He had known almost every one worth knowing in Germany and England during the last fifty years, and men of action as of thought yielded to the spell of his grave personal charm. Yet for all his sanity and seriousness he had a keen sense of humour, could enjoy a joke at his own expense, and used to tell with keen appreciation the story of the working man who accosted him at a railway station in the North of England where he was waiting late at night for his train, and, after some conversation, left him with the parting shot, “Paganini was the man.” It is good to think that the ties which bound him to this country were never relaxed, but rather grew closer with every succeeding visit, and it is a curious proof of his popularity that throughout the whole English musical world whenever the name “Joe” was mentioned, it stood for Joseph Joachim.
05 Thursday Dec 2013
Posted Obituaries
inMonthly Musical Record, Vol. 37, No. 441 (September 1, 1907) p. 193-194.
N. B.: Obituaries are posted for historical interest only, and should not be taken as sources of accurate biographical information.
Joseph Joachim, 1831-1907
The eminent violinist passed away on August 15. Paganini, Ernst, De Bériot, Wieniawski, and many other violinists achieved celebrity. Dr. Joseph Joachim, however, was not only a great violinist, but a great and serious artist. At his first appearance at the Gewandhaus, sixty-four years ago, he played Ernst’s Fantasia on themes from Rossini’s “Otello,” and this again was the show piece which he performed in the following year, when he made his début in London, viz., at a concert in Drury Lane Theatre on March 28, 1844. But before two months had elapsed, his rendering of the Beethoven violin concerto at a Philharmonic concert (May 27), under the direction of Mendelssohn, at once showed that the fame of a mere virtuoso would not satisfy him. He was then only a lad of fourteen [sic], but he had been under good guidance: Gottfried Preyer, under whom he studied theory and composition at Vienna; his cousin, Fanny Figdor, a gifted amateur pianist, who took great interest in him; the elder Hellmesberger and Boehm, with whom he studied the violin. Yet probably the strongest influence was that exercised by Mendelssohn, and it is only right to mention that it was owing to the cousin named above that Joachim made the acquaintance of the composer, when the latter was at the zenith of his fame. Fanny Figdor, who was living in Leipzig, heard that Boehm recommended Paris as a city in which the lad would be able to develop and display to advantage his gifts, but she expressed the strong opinion that the recently-founded Leipzig Conservatorium was the best place for him.
Mendelssohn’s influence was for good; Joachim had no doubt already studied the music of Bach and Beethoven, but he must have been strongly moved by Mendelssohn’s enthusiastic admiration for these masters. That influence, however, would only have been transitory had Joachim not understood, or rather felt, its value. We live in an age in which Mendelssohn’s art-work is often unfavourably criticised, but no one has doubted his sincere reverence for the two composers named. Joachim soon lost his great friend’s advice. After the death of Mendelssohn in 1847 his surroundings were of a very different kind, for he went to Weimar, where Liszt was trying to convince the world that Wagner was a genius. Liszt’s strong personality and the music of “Lohengrin,” with which Joachim, who was leader of the theatre orchestra, became familiar, made a convert of the young musician. The latter soon made the personal acquaintance of Wagner, and expressed the hope that when the “Ring” was produced he might take part in it. It is useless to speculate as to what would have been the future of Joachim had his zeal for the “new” music continued; but now, looking back at the long career just closed, it really seems as if what happened was, as regards the art itself, and also Joachim, for the best.
After a time the Weimar life became distasteful to the young artist — he was still in his teens when he first went there. Wagner’s music was not the cause of estrangement, for although, later on, he objected to the art principles of the new school, he recognized to the end of his life the genius of Wagner. Liszt’s music was the special stumbling-block. For a time the two remained friends, but in 1857 there came a rupture, and in a letter which Joachim wrote to Liszt he frankly declared that his Symphonic Poems “contradict everything in the works of our great masters, on which my mind has been nurtured since the days of my early youth.” This was a bold letter for a rising artist to write, not only to a man about double his age, but to one who as a pianist had achieved extraordinary fame. It showed, however, strength of character.
Joachim left Weimar and became leader of the orchestra at Hanover. And now he came under two new and strong influences. He made the acquaintance of Schumann and of a young composer named Johannes Brahms. The friendship with Schumann was soon broken off, like that with Mendelssohn, by death, but that of Brahms lasted for well-nigh half a century — lasted, indeed, until in 1897 he saw the composer lowered into his grave.
Joachim will be remembered by the public generally for his magnificent performances of Bach’s “Chaconne,” and of the concertos of Beethoven and Mendelssohn; for these interpretations were certainly unique. But he became the chief, nay, at one time almost the sole, propagandist of a new school, which may be termed the Schumann-Brahms school. At the present day it is difficult to understand the long prejudice against Schumann; in the case of Brahms it is not so difficult, because, through an unfortunate event, the latter was placed at the head of a party in opposition to Wagner, and as the influence of the latter gradually increased; and as Wagner himself personally disliked Brahms’s music, the recognition of Brahms’s merits was long delayed. The steady determination of Joachim to perform the works of these two composers in spite of the indifference of the public and the hostile attitude of the press, offers the strongest evidence of his disinteredness and of his judgment. He might easily have achieved fame as a virtuoso; he might have won immense fortune; he preferred to honour the great classical masters, and to help to make known the works of gifted contemporaries.
Mention has been made of Joachim’s first visit to England in 1844. He came again in 1852, and soon after that he visited this country annually until last year. His first appearance at a Popular Concert was on May 16, 1859, and in 1904 a memorable concert was given at Queen’s Hall in commemoration of the artist’s diamond jubilee — the sixtieth anniversary of his first appearance at the Philharmonic Concert mentioned above. It was then that his portrait, painted by Mr. Sargent, was presented to him by Mr. Balfour, then Prime Minister.
There are two other noteworthy facts to record in the life of Joachim — his direction for over thirty years of the “Königliche Hochschule für Musik” in Berlin, and the formation in 1869 of the Joachim Quartet, the original members of which were Joachim, Schiever, De Ahna, and Wilhelm Wirth.
Joachim’s pupils, many of whom have distinguished themselves, and innumerable friends throughout the Continent and also here in England, will mourn the loss not only of a great artist, but of a man for whom they entertained both respect and love.
At the funeral on Monday, August 19th, in the cemetery of the Kaiser Wilhelm Memorial Church, Berlin, there were deputations from various art institutions. The bodies of Joachim and his wife now rest in the same grave.
23 Sunday Jun 2013
Posted Obituaries
inThe Times, (August 16, 1907), p. 10.
N. B.: Obituaries are posted for historical interest only, and should not be taken as sources of accurate biographical information.
DEATH OF DR. JOACHIM.
Our Berlin Correspondent telegraphs that Professor Joachim died at his residence in Berlin yesterday afternoon in his 77th year.
In Joseph Joachim the world has lost not merely the greatest violinist of our time, but a man of exceptional beauty of nature and character. Born at Kittsee, near Pressburg, June 28, 1831, Joachim lived at Pesth in his early childhood, his parents changing their abode when he was but two years old. Here he was a pupil of Serwaczynski, who brought him out when he was not quite eight years old. The teacher was a very capable trainer of the left hand, but his bowing was not of the best kind, and when Joachim was placed with the elder Hellmesberger in Vienna, this master feared that nothing could overcome the boy’s deficiencies in this respect. Ernst heard him play, and recommended that Joseph Böhm should be entrusted with his technical education. Böhm had inherited the traditions of the pure Corelli school, and he was not long in curing the defect that seemed so serious. In 1843 Joachim went to Leipzig, in order to enter the newly-founded conservatorium; Mendelssohn, after testing his musical powers, pronounced that the regular training of a music-school was not needed, but recommended his general musical education should be in the hands of Ferdinand David and Moritz Hauptmann. In the following year he sought fame in England, appearing at Drury Lane Theatre at the benefit of the then famous “poet Bunn,” playing Ernst’s Otello fantasia. In the same season he appeared at one of Benedict’s gigantic benefit concerts, and at the Philharmonic Concert, under Mendelssohn’s direction, playing Beethoven’s concerto. The critics and the public were alike enthusiastic over the boy’s wonderful performance; and ever since that year Joachim has been sure of an equally warm welcome from all classes of musicians, and has been a regular visitor to London. England, indeed was almost a second home to him, so warm was the appreciation of the English public, and so close were the friendships formed during his long career. From 1859, the year of their foundation, to 1899, he appeared regularly at the Popular Concerts, and always with the greatest possible success. An engagement as “Concertmeister” in Weimar, 1850-1853, brought Joachim into close contact with the advanced school of German musicians, headed by Liszt; and he was strongly tempted to give his allegiance to what was beginning to be called the “music of the future”; but his artistic convictions forced him to separate himself from the movement, and the tact and good taste he displayed in the difficult moment of explaining his position to Liszt is one of the finest illustrations of his character.
His acceptance of a similar post at Hanover to that which he held at Weimar brought him into a different atmosphere, and his playing at the Düsseldorf festival of 1853 procured him the intimate friendship of Robert Schumann. His introduction of the young Brahms to Schumann is a famous incident of this time. Schumann and Brahms collaborated with Albert Dietrich in a joint sonata for violin and piano, as a welcome on his arrival in Düsseldorf. At Hanover he was Royal “concert-director” from 1853 to 1868, when he made Berlin his place of abode. He married, in 1863, the famous mezzo-soprano, Amalie Weiss, who died in 1899. In 1869 the foundation of the “Königliche Hochschule für Musik” was accomplished, and Joachim was placed at its head; and in the following year, the quartet evenings in the Sing-Akademie were instituted. Since that time every possible honour has been conferred upon Joachim, and his position in the world of music was quite unique, so wide and deep was his influence, and so undisputed his supremacy. In 1877 he received the honorary degree of Doctor of Music from the University of Cambridge, and he had the same degree at Oxford and was an LL.D. of Glasgow. But, fitting though these honours were, his position in the affections of Englishmen was more characteristically shown by the warm reception given to him by the distinguished audience at the Royal Academy Banquet of 1903, when Dr. Joachim responded to the toast of “Music,” and by the enthusiasm of the larger public at the celebration of the 60th anniversary of his first appearance in England. On that occasion, at the Queen’s-hall, on May 16, 1904, Dr. Joachim was presented with his portrait, painted by Mr. J. S. Sargent (a not unworthy companion to the more familiar picture of 1866 by Watts); and such representative men as Mr. Balfour, Sir Hubert Parry, and Mr. Robert Bridges were the spokesmen of a great gathering assembled to do him honour.
His biographer, Herr Andreas Moser, has phrased the secret of his wonderful playing in the words, “He is the first man who has played the violin, not for its own sake, but in the service of an ideal.” This is certainly the truth, for there never was a simpler or more modest nature in the world. There may have been other players with as high an ideal as his, but none has united it with such unerring genius of interpretation. Joachim’s performance of the violin works of Sebastian Bach, music which was formerly deemed quite impossible of execution, was a thing never to be forgotten, so deep was the insight, so thorough the sympathy, and so reverent the handling of the music. In Mozart’s concerted music the quartet headed by Joachim attained an unrivalled position, and conveyed the idea, as no other body of players has managed to do, of youthful exuberance, while no touch of exaggeration could be laid to their charge. As interpreters of Beethoven the players long ago gained the power of shedding new light upon the difficulties of the last quartets, and even of persuading their hearers that these difficulties did not exist. Joachim also, it has rightly been said, did more for the fame of Brahms in England than any one else, by bringing forward his concerted chamber music and by playing his violin concerto; and there is a sad appropriateness in the fact that Joachim’s last appearances in this country should have been in the brilliantly successful series of last autumn’s concerts at which the entire chamber works of his great friend were performed.
As a composer Joachim did but little in his later years, and the works of his earlier life have not attained the success which, in the opinion of many, they deserve. They undoubtedly have a certain austerity of character which does not appeal to every hearer, but they are full of beauty of a grave and dignified kind; and in such things as his “Hungarian concerto” for his own instrument the utmost degree of difficulty is combined with great charm of melodic treatment. The “romance” in B flat for violin and the variations for violin and orchestra are among his finest things, and the noble overture in memory of Kleist, as well as the scena for mezzo-soprano from Schiller’s Demetrius, show a wonderful degree of skill in orchestration as well as originality of thought. But it is hard for a man who is supreme in one direction to establish greatness in another; and a comparative indifference to Joachim’s compositions may be pardoned to a generation that has so long been under the spell of the interpretative genius of one who spent a long and honourable career playing the greatest music in the greatest way.
19 Wednesday Jun 2013
Posted Obituaries, Reminiscences & Encomia
inNeue Freie Presse, No. 15439, (August 16, 1907), pp. 1-3
N. B.: Obituaries are posted for historical interest only, and should not be taken as sources of accurate biographical information.
Josef Joachim
So hat die düstere Ahnung nicht getrogen. Im März dieses Jahres war es, der alte Bösendorfer-Saal erstrahlte festlich, Joachim war wieder da. Die Adagio-variationen von Beethovens “Harfenquartett” erklangen, diese Schlußmusik zu”Faust”, dieser verklärte Aufstieg in immer höhere Himmelsregionen. Gerührt ruhte der Blick auf der Gestalt des Greises, der aus der Fülle inneren Erlebens spendete. Da sank plötzlich sein leicht zur Seite geneigtes Haupt zurück, das Auge schloss sich müde. Nur ein Moment; aber wie eine Vision erschien vor dem ergriffen Hörer das Bild des toten Joachim. Konnte das Unvermeidliche lange auf sich warten lassen? Seit einigen Jahren bereits genoß man den greisen Künstler wie eine Legende seiner selbst, und diesmal hatte schon die Ankündigung des Programms die Phantasie erregt. Alle sechzehn Streichquartette Beethovens! Wie eine letzte Ueberschau mutete es an, wie ein Abschied, wie ein Vermächtnis — und war es auch….
Beethoven, derart Joachims letztes Wort in Wien, war ja hier auch sein erstes gewesen. 1861, dreißig Jahre alt, trat er mit dem D-dur-Konzert zum erstenmale vor die Wiener. Es war das Stück, mit dem er förmlich verwuchs, das er restlos anzudrücken schien, wie jenes ihn. Der äußeren Wirkung nach war es das Manifest, mit dem der “Geigerkönig” den Thron bestieg, ein König und doch nur erster Diener im Reiche seiner Kunst. Er war darum auch nicht Beethoven-Spieler im Sinne jenes Spezialitätentums, das jetzt auf dem Gebiete der Instrumentalvirtuosität die Arbeit teilt. “Beethoven-Spiel” bedeutete bei ihm nichts anderes als die höchste und heiligste Kunstauffassung, die ihn eben auch zu dem Höchsten und Heiligsten zog, was die Kunst besitzt. Nur was Begeisterung erforderte und zuließ, reihte er Beethoven an: Bach, die älteren Italiener, Schumann, dann als Brahms in sein Leben trat, auch diesen Meister. Stets hat er nur Bedeutendem und Lauterem seine Kunst geweiht, nur edelsten Wein im goldenen Becher kredenzt. Sei daher gleich die oberste Bedeutung vorangestellt, die der Erscheinung Joachims zukommt: er hat am reinsten den Typus des modernen nachschaffenden Künstlers verkörpert, dessen Spiel ganz im Kunstwerke aufgeht. Ein selbstloses, ideales Musizieren; ein Abwerfen auch des letzten Virtuosenflitters. Und Joachim wurde nicht erst durch die Erkenntnis reiferer Jahre auf diese Höhe gehoben; schon in den Fünfzigerjahren wußte Moritz Hauptmann von dem jungen Manne zu berichten, daß bei ihm Technik, Ton zurücktrete, sich gar nicht bemerkbar mache, daß “man nur Musik höre”. Wie anders der zweite große Künstler, den Ungarn dem Virtuosentum geschenkt, Liszt, der Klavierkaiser! Von diesem Herrscher galt es: l’état c’est moi. Das Persönliche stellte sich neben das Kunstwerk, die Magie der Reproduktion blieb wirkend im Vordergrund. Der Prophet, der Wundermann vereinigte auf sich selbst den Hauptteil der Anbetung; bei Joachim vergaß man nie über dem Priester die Andacht vor dem verherrlichten schaffenden Geiste.
Kein Zufall darum, daß Joachim so frühzeitig neben den Konzertspieler den Quartettspieler treten ließ. Schon 1851, in Weimar, veranstaltete er Quartettabende, und 1869 gründete er in Berlin sein berühmt gewordenes Quartett. Es hat seine Mitglieder gewechselt, nie seinen Geist. Also nicht erst als alternder Virtuose, der auf ein künstlerisches Augedinge bedacht ist, noch in der Vollkraft des Wirkens, auf der Höhe des solistischen Ruhmes saß Joachim am Quartettpult. Dieses Sichselbstbescheiden wollte seinerzeit manchem nicht einleuchten, man konnte sich Joachim nicht recht im Quartett vorstellen, weil ihn die Natur als Solo gedacht habe. Richtiger gesehen, ist Joachim auch als Konzertsolist immer eine Art Kammermusiker gewesen. Freilich die Vereinigung von Konzert- und Quartettspiel in derselben Geigerhand war und ist keine zu häufige Erscheinung, soweit sie eine Vereinigung ohne Hemmungen, ohne Reibungen sein soll. Der älteren italienischen Geigerschule entstammten von Tartini bis Paganini ausschließlich Konzertspieler, und die Wiener Schule unterschied ihre Künstler genau nach beiden Betätigungen hin. So war Schuppanzigh bloß Quartettspieler; und Beethoven, der diesen Geiger in seinen Streichquartetten bewunderte, schrieb nicht für ihn, sondern für Clement sein Violinkonzert, schmückte es für diesen Beherrscher der obersten Lagen mit den höchsten Geigentönen wie mit funkelnden Sternen. Gleich Clement glänzte Mayseder nur als Solist; Josef Böhm dagegen pflegte auch, wenngleich überwiegend im Hause, das Quartettspiel. Gleich bedeutend im aller Bravour entsagenden Kammerspiele wie im virtuosen Solo waren in Frankreich Rode, Kreutzer, in Deutschland Spohr. Vergessen wir nicht, daß Rode Josef Böhm, Böhm Josef Joachim gelehrt hatt; so hatte dieser gewichtige Ahnen für die Verschmelzung konzertanten Spiels mit selbstlosem Kammermusizieren. Auf Böhm und Rode, und um den Stammbaum noch weiter zu verfolgen, auf Rodes Meister Viotti geht auch der Adel von Joachims Vortrag, sein vergeistigter Ton zurück. So ist dieser große deutsche Geiger, wie das kürzlich Henri Marteau, derzeit der von Joachims Geist am reinsten erfüllte Violinspieler, hübsch formuliert hat, gewissermaßen der letzte Vertreter der großen französisch-italienischen Schule gewesen, die den klassischen Bogenstrich gepflegt und hochgehalten hat.
Wie weit reicht dieses Künstlerleben zurück! Vor achtzehn Jahren hat man Joachims fünfigjähriges Künstlerjubiläum gefeiert, und in zwei Jahren wäre er zu seinem siebzigjährigen vorgeschritten. Drei Generationen beinahe haben seiner Geige gelauscht, und nicht den letzten Triumph seiner wahrhaftigen, den Wandel der Zeiten überdauernden Wirkungen bedeutete es, daß die jüngste Generation der Bewunderung der ältesten treu geblieben
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ist. Wunderkind mit acht Jahren, erhielt der Sohn des jüdischen Kaufmanns Julius Joachim in Kittsee nach fünfjähriger Wiener und Leipziger Lehrzeit schon als dreizehnjähriger Knab in London die Punze der Künstlerschaft. Das war 1844, und 1850 schreibt Klara Schumann über ihn: “Sein Spiel ist vollendet, alles schön, das feinste Pianissimo, die höchste Bravour, völlige Beherrschung des Instruments.” Nur
Gemüt und Feuer” zieht sie in Zweifel, um schon sechs Wochen später auch diese Einschränkung zu bereuen. Vor kurzem ist ein Sonatensatz Brahms’ veröffentlicht vorden, der, 1853 geschrieben, das Scherzo einer Sonata darstellt, die Schumann, Brahms und Dittrich [sic] anläßlich des Düsseldorfer Musikfestes gemeinschaftlich komponierten, um den damals zweiundzwanzigjährigen Joachim zu feiern. Eine ungewöhnliche Huldigung, die blitzartig schon die damalige Stellung des blutjungen Geigers beleuchtet. Vollends wächst in den Sechzigerjahren der Weltruhm des damaligen Hannoveranischen Konzertmeisters; Wien wird erobert. Er ist nicht nur der Geiger des Publikums, er ist vorzugsweise auch der der ernsten Musiker. “Joachim war mir Arion,” bekennt 1866 Bülow, aus seinen frischen Wunden blutend; “er hat mich durch sein unvergleichliches Spiel zu stummem Vergessen und Vergeben hingerissen.” Seit 1868 wirkte Arion in Berlin, umhier durch bald vierzig Jahre als führende Persönlichkeit das musikalische Leben zu bestimmen. Leipzig war musikalisch stärker gewesen als das schwunglose, gleichgiltige Berlin; nun verschob sich das Schwergewicht. Joachim leitete die Hochschule für Musik, bildete ideale Konzertmeister heran und wuchs zum autoritativen Verkündiger einer Kunstanschauung empor. Und von Berlin aus bereiste er die Welt, als Solist wie mit seinem Quartett, unermüdlich, bis in seine letzten Tage hinein, und der geliebte Bogen entfiel nur der Hand, die der Tod berührte. Sollen wir neuerdings die Genüsse und Erhebungen schildern, die uns dieser Bogen bereitet hat? Joachim gegenüber hat die Kritik in jahrzehntelanger Bewunderung sich auf sich selbst zu besinnen verlernt. Erfindungsreicher Instrumentaltechniker, absichtsvoller Entdecker auf dem Gebiete des spezifisch Violinistischen war Joachim nicht. Und manche moderne Paganinifabrik schickt gewandtere Jongleure in die Welt. “Seiltänzergeschick auf der Geige und edles Adagio vertragen sich nicht,” meinte schon der alte Reichardt. Auch wandelte Joachim weitab von den Wegen des blendenden Temperamentsspielers, der scheinbar von drängender Subjektivität überschäumt, dieser beliebten Spezialität von heute. Er hatte zeitlebens sozusagen eine wohltemperierte Geige. Aber greifen wir aus seinem berühmten Repertoire zwei Stücke heraus: das Beethoven-Konzert, die Bach-Ciaconna. Warum scheint uns in der Erinnerung Joachims Wiedergabe jeder anderen, noch so bedeutenden überlegen? Sie trug, wenn man so sagen darf, etwas Ethisches in Technik, Ton, Ausdrück an sich. Keiner holte wie er aus dem unvergänglichen Stücke den Charakter heraus neben der Schönheit. Unvergeßlich gleich der erste Eintritt der Geige, der wie eine Devise des Spielers selbst hingestellt schien, seiner edlen Männlichkeit, Plastik und Natürlichkeit. Im Larghetto Empfindung bis zum Mysteriösen, aber ohne Afektation; im Rondo die Joachim im Heiteren und Leichtbewegten eigene Mischung von Grazie und Würde. In Bachs Ciaconna triumphierte der Meister des mehrstimmigen Spieles, der eine Schwäche des Instruments in eine Stärke wandelte. Zeitlich am nächsten steht uns der Quartett-Primarius. Welche hingebungsvolle Versenktheit, welch ideales Rubato! Joachim erschloß uns die letzten Beethoven-Quartette. Die Tür stand schon offen, aber nun, von seiner Hand geleitet, trat man ein. Und Joachim-Quartett: Vier Herzen und ein Schlag. Es war zuletzt das erlesene Quartett der Seelenmusik, des Adagios. Hier schien Joachim wie es in einem Verse des Dänen Jacobsen heißt, wirklich auf Perlenschnüren wie auf Saiten zu geigen, mit einem Mondenstrahl als Bogen.
Aber Joachim ragte nicht bloß als klassischer Geiger in unsere Zeit. Er war ihr der “klassische Musiker” überhaupt, der gewichtige Bekenner von ästhetischen Ueberzeugungen, die seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts ins Wanken geraten waren. Wie eine Notwendigkeit schien er inmitten der traditionsverächterischen Sprunghaftigkeit unserer Tage mit seinem Konservatismus, der mild und versöhnlich war be aller Unerschütterlichkeit, mit seiner Fahnenwacht vor dem klassischen Besitz der Muisk und all dem, was sich in gesunder Entwicklung daran angeschlossen hatte. Joachim war der Linie Bach-Beethoven-Mendelssohn-Schumann-Brahms treugeblieben. Er hatte in jungen Jahren geschwankt, war in der heißesten Zeit vor Entscheidungen gestellt. In Leipzig hatte Mendelssohn als väterlicher Lehrer die Seele des Knaben befruchtet und rückhaltlos gewonnen. Nach Mendelssohns Tode wandelte sich für den jungen Künstler die Szene. Weimar nahm ihn auf, damals mit Liszt, Raff, und Bülow der Herd der neudeutschen Bestrebungen. Eine Musik, die die neuen Reize scharfer Dramatik, der Farbe, des Programms voranstellte, nach außerhalb der Tonkunst selbst liegenden Assoziationen strebte, warb um seine Gesinnung, um sein Können. Wie ein fremdartiger, betäubend duftender Blütenzweig senkte sie sich auf den Weg des Mendelssohn-Schülers herab. Er bog ihn bald zur Seite. Schumann war in sein Leben getreten, un der ungarische Geiger Remenyi hatte ihm den jungen Brahms gebracht. Als sich die Gegensätze verschärften, die Befehdung Schumanns und Brahms’ durch Weimar zur entschenden Wahl zwang, erfolgte die Lossagung. “Fast formell, in Schriftstücken, die Dokimente dieses Kunstkrieges sind. In einem Briefe an Liszt (1857) erklärte Joachim, dessen Musik “gänzlich unzugänglich zu sein, die allem widerspreche, was sein Fassungsvermögen aus dem Geiste der Großen seit früher Jugend als Nahrung sog”. Und Joachims Name figurierte auch auf dem be-
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kannten öffentlichen Protest gegen die neudeutsche Schule, den auch Brahms unterfertigte. Man weiß heute, daß aus dieser als widerklassisch verpönten Schule ein Klassiker der musikalischen Bühne hervorgegangen ist: Richard Wagner. Joachim ist vielleicht der einzige ältere Musiker von Gewicht geblieben, der sich Wagner nicht unterworfen hat, und zugleich der einzige, dem man es nie nachgetragen hat. Er erkannte den hohen Gipfel in Wagner, den Bergriesen von seltsamer Formation. Besah ihn aber gleichsam stets nur kühl bewundernd von unten, stieg nie zu ihm empor.
Wohl aber widmete sich Joachim mit ganzer Seele der Propagierung Brahms’. Schumann hatte Brahms eine Prophezeiung mitgegeben, aber Joachim half die “neuen Bahnen” ebnen. Was später Bülow für Brahms’ Orchestermusik, tat Joachim frühzeitig für dessen Kammermusik, für dessen Geigenkompositionen. Andererseits enthüllte sich in der vollen Hingabe an Brahms Joachims vorwiegend reproduktive Künstleranlage. Vermochte er doch ohne merklichen Kampf der eigenen Produktion zu entsagen, den Komponisten in sich zu verabschieden, der in einigen Ouvertüren, vornehmlich aber in dem “Violinkonzert in ungarischer Weise” wie in den “Variationen für Violine und Orchester” Ernst und Bildung, wenn auch wenig Persönlichkeit gezeigt hatte. Interessant ist, daß dieses Eintreten für Brahms Joachim an Wien fester geknüpft, den Oesterreicher wieder der Heimat nähergebracht hat, der er seit jungen Jahren entfremdet war. 1867 hatte ihn Brahms, der Freund, nach Wien gelockt, und das sollte seither recht oft geschehen, zu gemeinsamsm Kampfe, zu gemeinsemem Siege. Noch sehen wir Joachim vor uns, wie er 1879 im großen Musikvereinssaale Brahms’ Violinkonzert aus der Taufe hob, jenes Geigenwerk, das, damals konzertwidrig und schwer spielbar gescholten, heute dem Konzert Beethovens zunächst genannt und geschätzt wird. Oder wir haben Joachim vor Augen, wie er nach einem eben zum Triumph geführten Brahms-Quartett den widerspenstigen Meister, den ungebärdigen Klavierbären, an den Flügel zog und mit ihm, feurig einen ungarischen Tanz anstimmend, eine ideale Csarda auf das Podium hinzauberte. Joachim hat vielleicht das Entscheidenste für Brahms in Wien vollbracht und durch Wien in der deutschen Musikwelt. Er sprengte gleichsam von der einen, Bülow, von der anderen Seite den Tunnel in den Berg von Vorurteilen gegen Brahms’ Musik. Noch im letzten Lebensjahre Brahms’ machte er dem Freunde eine “Freude”, die dieser, nach einem wehmütigen Briefe Joachim, “mit ungewohnter Weichheit auf sich wirken ließ”, spielte in Wien das herrliche G-dur-Quintett. Und gerade nach Brahms’ Tode zog es Joachim mit seinen Getreuen regelmäßg in jedem Musikjahre nach Wien, als gälte es hier nun erst recht, das Ansehen des großen Toten wachzuerhalten. Festabende, diese Joachim-Abende, unvergeßlich die Künstlergruppe — Schmutzers Meisterhand had sie glücklich festgehalten — auf der Estrade. Hier Robert Hausmann, dem freudige Energie aus den Augen leuchtete, wenn er wuchtige Baßtöne aus seinem Cello zog, straff die Rhythmik aufspannte an den heiklen Stellen; dort ihm gegenüber Wirth, der sinnige Violaspieler, mit der Miene des deutschen Professors; und am zweiten Geigenpulte Halir, der jüngste unter den Vieren, lebhaft und beweglich in der Führung des Bogens trotz der behaglichen Fülle des Leibes. Und nun erst Joachim selbst, ehrwürdig mit seinem weißhaarigen Charakterkopfe, aus klaren Augen den Blick unter der Brille hervorsendend, sich ein wenig vorwärtsneigend im Eifer des Crescendos oder sich sinnend zurücklehnend bei den Innigkeiten eines lansamen Gesanges. Nicht selten bebten die schwachgewordenen Finger des Greises; und das Herz des Hörers verwarf die Einwände des Ohres und bebte ergriffen mit.
Nichts merkwürdiger nämlich als Joachims bis in die letzten Tage ungeschwächt vorhaltende Spielfreudigkeit. Wenn er nicht öffentlich spielte, geigte er privat, war immer für eine Sonate zu haben. Längst hätte er sich’s im warmen Lehnstuhl seines Weltruhms bequem machen können; man pilgerte zu ihm, holte sich von ihm die Weihen. Aber seine Geige war die Jugend, von der er nicht Abschied nehmen wollte, und er hörte nicht auf, der fahrende Spielmann zu sein, der die Welt für seine Ideale gewinnen will. Noch im Mai dieses Jahres tat er, bereits leidend, den Tod im Herzen, beim Bonner Kammermusikfest mit. Hierin drückt sich auch die Pflichttreue des Menschen aus, für den Leben Wirken bedeutet. “Die durch und durch loyale Natur, der durch seine Rechtlichkeit und seinen Ernst wahrhaft bezaubernde Charakter,” als den ihn Liszt 1852 bezeichnete, ist Joachim zeitlebens geblieben. In Wien konnte man sich im kunstsinnigen, ernst musikpflegenden Hause Wittgenstein, mit dem Joachim auch durch Bande der Verwandtschaft verknüpft war, an der milden Würde des Greises erfreuen.
Seit Liszt und Bülow had die Musik keinen Künstler von so repräsentativer Bedeutung verloren, wie jetzt in Joachim. Mit ihm schwindet eine der letzten großen Musikerfiguren aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts aus dem deutschen Kunstleben. Die Zeit blickt vielfach über Joachims Ideale hinaus, sie sucht die Klassiker der Zukunft. Aber es war eine Beruhigung, diesen sicher wandelnden Mann am Leben zu wissen, wenn “Salome” die Gemüter verwirrte, die großen, mehrstündigen Symphonien gegen die Nerven anstürmten. Eine große, vorbildliche Künstlerindividualität ist uns verloren, und das Beethovensche Adagio ist verwaist. Unvergänglich bleibt Josef Joachims Angedenken, und so lange Zeugen seines Spiels leben werden, werden Werke wie das Cis-moll-Quartett in deutschen Konzertsälen nicht erklingen, ohne daß seine edle Gestalt hinter den Spielern aufssteigen wird.
Julius Korngold